Robotic Process Automation
10 dunkle RPA-Geheimnisse
In jeder guten Science-Fiction-Geschichte gibt es ihn, den allwissenden Roboter-Butler, der im Handumdrehen sämtliche Probleme aus der Welt schafft. Auf eine ähnliche Vorstellung zielten die Schöpfer des Buzzwords "Robotic Process Automation"(RPARPA) ab. Das führt bei vielen Anwenderunternehmen zu der Annahme, Aufgaben an einen Computer-Butler delegieren zu können, während sich die verbliebenen menschlichen Mitarbeiter auf größere Herausforderungen fokussieren. Alles zu Roboter auf CIO.de
Die gute Nachricht ist, dass es viele Anwendungsfälle gibt, bei denen die RPA-Technologie hält, was ihr Name verspricht. Unternehmen vereinfachen mit ihrer Hilfe Arbeitsabläufe und entwickeln ausgeklügelte Dashboards, die Daten einsaugen und in Form nützlicher Infografiken wieder ausspucken. Insbesondere, wenn es darum geht, repetitive Tasks auf Computer abzuwälzen, haben sich RPA-Tools im Allgemeinen als erfolgreich erwiesen.
Zudem können RPA-Tools Legacy-Systemen neues Leben einhauchen, indem sie einen Layer hinzufügen, der alten Code intelligent verändert und so dessen Lebensdauer verlängert. Viele RPA-Tools sind auch von Nicht-Programmieren bedienbar. So können sich Domain-Experten die Arbeit mit Legacy-Anwendungen erleichtern, indem sie einfach im RPA-System per Drag-and-Drop-Eingabe den Workflow verbessern. Man braucht nur das richtige Tool und die richtige Implementierung, und jeder, der sich mit Spreadsheet-Makros auskennt, kann auch Workflows mittels RPA rationalisieren.
Das Faszinierende an dieser Einfachheit ist offensichtlich und bietet eine verführerische Kulisse, die verspricht, viel Mühsal und Plackerei beiseite zu fegen. Aber unter dem neuen Anstrich, den RPA (nicht nur) altgedienten Systemen verleiht, lauern Umstände, die sich im Laufe der Zeit als problematisch erweisen könnten.
1. Das Unvermeidliche wird hinausgezögert
Einer der großen Vorteile von Robotic Process Automation ist die Fähigkeit, einen Layer für das Zusammenführen von Legacy-Softwarepaketen zu schaffen. Sicherlich könnte man die Pakete zur Vereinheitlichung auch komplett neu schreiben, aber eine gute RPA-Lösung wird einen Großteil dieser Aufgabe in viel kürzerer Zeit erledigen.
Der Ansatz kann wahre Wunder wirken und einen beachtlichen Produktivitätsschub nach sich ziehen. Aber RPA beseitigt Legacy Code nicht, sondern versteckt ihn nur besser und sorgt so dafür, dass er unbeachtet weiter veraltet.
2. Schwindender Support
Wenn eine elegante RPA-Lösung die Kritikpunkte der lautstarken Beschwerdeführer beseitigt, ist das zunächst ein großer Erfolg. Doch eine oberflächliche Lösung kann dazu führen, dass sich eine Scheinsicherheit einstellt und niemand mehr den tieferliegenden Problemen Aufmerksamkeit schenkt.
Übergangslösungen, die akute Beschwerden verstummen lassen, können auch dazu führen, dass kein Budget mehr freigegeben wird, um Legacy Code nachhaltig den Garaus zu bereiten. Die Entscheidungsträger könnten nämlich annehmen, dass Robotic Process Automation dieses Problem bereits beseitigt hat und sie ihr Budget anderweitig ausgeben können.
3. Das Komplexitätslevel steigt
Der Durchschnitts-User mag davon ausgehen, dass die RPA-Lösung alles vereinfacht. Unter der Oberfläche wird jedoch alles ein bisschen komplexer: Wo es früher n Layer von bröckeligem Code gab, sind es nun n+1 Layer. Das erschwert Debugging und Wartung, denn bei Problemen muss man sich von nun an durch alle Schichten wühlen, um den Fehler zu finden.
4. Legacy-Bugs werden weitervererbt
RPA-Lösungen können die Schönheitsfehler von Legacy-Code zwar verbergen, dessen substanzielle Limitierungen und Bugs jedoch nicht ausräumen. Einige potenzielle Probleme lassen sich mit Hilfe intelligenter RPA-Layer abmildern, das ist allerdings nicht immer möglich. Manchmal wird ein Fix ausgezeichnet und zuverlässig funktionieren, manchmal wird er eher dem frischen Anstrich einer maroden Terrasse gleichkommen.
5. Datenübersetzung macht Extrakosten
Ein Löwenanteil der Programmierarbeit besteht oft darin, Bits in bestimmte Datenformate zu bringen. Viele RPA-Stacks automatisieren solche Übersetzungsleistungen. Das erleichtert die Programmierung funktionierender Software, beseitigt aber nicht die grundlegende Arbeit, die nötig ist, um diese Übersetzungen durchführen zu können.
Für diese "Datenspielereien" braucht es leistungsfähige Server, die die Stromkosten in die Höhe treiben. In vielen Fällen sind das nur ein paar Cent, bei großen Unternehmen können dennoch erhebliche Kosten für die Skalierung anfallen. Ab einem gewissen Punkt kann es sich deshalb lohnen, ein Entwickler-Team mit der Erstellung eines sauberen, handgeschriebenen Programmcodes zu beauftragen.
6. "Superusern" fehlen Programmier-Skills
Jeder, von der Chefetage bis zum Praktikanten, wird in der Lage sein, ein RPA-Tool in Betrieb zu nehmen und mit geringem Aufwand Tasks zu erledigen. Automatisierung funktioniert tatsächlich. Doch selbst wenn diese "Superkräfte" echt sind, lässt sich nicht auf die Expertise verzichten, die für den effektiven Einsatz von Robotic Process Automation nötig ist.
Programmierer kennen sich mit Datenstrukturen aus und haben aufgrund ihrer Erfahrung ein Gespür für diejenigen Problemkonstellationen, die beispielsweise durch falsche Datumsformate entstehen können. Außerdem verstehen Softwareentwickler Netzwerke sowie die Grundregeln der Computer- und Systemarchitektur. Dieses Know-how ist von unschätzbarem Wert, wenn es darum geht, die verschiedenen RPA-Elemente sinnvoll zusammenzusetzen.
7. Entwickler bleiben unverzichtbar
Trotz des Verkaufsargumentes, dass Robotic Process Automation bevorzugt von Business-Usern implementiert werden kann, sind es in der Regel immer noch Softwareentwickler, die RPA-Tools am effektivsten einsetzen. Sie haben oft jahrelange Erfahrung vorzuweisen und wissen, welche Abfragen schnell und aussagekräftig von der Datenbank beantwortet werden und welche nicht.
Eine einfache Rechnung zum Zusammenspiel von Programmierer und Robotic Process Automation: Wenn RPA-Tools einen Kraftmultiplikator von 10 darstellen und diese von einem talentierten Entwickler genutzt werden, der bereits zehn Mal mehr als der Durchschnitt leistet, kann ein bis zu 100-fach erhöhter Durchsatz erreicht werden.
8. Breite Unterstützung hat ihre Schattenseiten
Die meisten RPA-Tools ersprechen, eine Schnittstelle zu einer Vielzahl verschiedener Produkte bilden zu können, indem sie zahlreiche API-Formate unterstützen. Die Behauptung ist in der Regel richtig, aber die Ergebnisse sind oft alles andere als fehlerfrei, denn ein breites Support-Angebot ist schwer aufzubauen und zu pflegen.
Es kommt beispielsweise regelmäßig vor, dass die Daten, die durch diese Verbindungen fließen, fehler- oder lückenbehaftet sind. Diese Fehler sind unter Umständen nicht gravierend, erfordern aber entweder einen zusätzlichen Layer, um die Fehler zu bereinigen oder "Mut zur Datenlücke".
9. Bürokratie ist nur in Teilen automatisierbar
RPA-Tools versprechen, Arbeitsabläufe zu straffen, aber die meisten Prozessengpässe haben nichts mit IT-Systemen oder Robotic Process Automation zu tun. Oft sind es menschliche Fehlentscheidungen, denen überflüssige Workflow-Schritte zu "verdanken" sind.
Auch die beste RPA-Software kann solche Schwierigkeiten nicht gänzlich aus der Welt schaffen. Wenn jemand beschließt, dass das Team in Hongkong jede Rechnung genehmigen muss, kann ein RPA-Tool den Mitarbeitern vor Ort lediglich die Dokumentation erleichtern. Die wahre Komplexität entsteht also durch menschliche Eingriffe. RPA als Allheilmittel zu betrachten, kann ein Unternehmen blind für diejenigen Herausforderungen machen, die mit Prozessverschlankungen einhergehen.
10. Zu viel Automatisierung kann gefährlich sein
Die meisten bürokratischen Hürden sind natürlich nicht ohne Grund eingezogen worden: Eine latente Gefahr besteht darin, dass eine RPA-Implementierung die Prozesse so sehr beschleunigt, dass Probleme unbemerkt an menschlichen Gatekeepern vorbeiziehen, weil diese darauf vertrauen, dass die Software die wesentlichen Aufgaben übernimmt. Das kann dazu führen, dass Dashboards nur halbherzig überflogen werden.
Es gibt keine einfache Möglichkeit, schwierige Aufgaben im Bereich Compliance oder Betrugsschutz genuin zu automatisieren. Kriminelle Hacker werden die Systeme laufend auf Schwachstellen überprüfen und jede noch so kleine RPA-Schwäche ausnutzen. Es gibt also Fälle, in denen Prozessvereinfachung eine schlechte Idee ist. (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.