Management-Methoden
111 Rezepte zur Führung in der Digitalisierung
- Digitalisierung hat eine unbeabsichtigte Nebenwirkung: die Neu- und Höherbewertung menschlicher Fähigkeiten.
- Die geschieht in drei Bewegungen: Wiedereinführung des Kunden, der Kooperation und der Kreativität.
- Digitalisierung ist keine technologische Revolution, sondern ein sozialer Umbruch.
- Reinhard Sprenger: "Das ist wirklich revolutionär: Noch nie wurde in den letzten Jahrzehnten so intensiv über das Unternehmen als Organisation nachgedacht."
Über die DigitalisierungDigitalisierung ist schon endlos viel geschrieben worden: über den vermeintlichen Rückstand Deutschlands, den daraus erwachsenden Handlungsbedarf und natürlich über technische Details und Implementierungsstrategien in Unternehmen. Was die Digitalisierung aber gesellschaftlich und kulturell bedeutet, darüber wurde wenig gesagt. Reinhard Sprenger hatte vor sechs Jahren empfohlen, das Thema FührungFührung neu zu denken. Jetzt schlägt er dasselbe mit der Digitalisierung vor. "Radikal digital - Weil der Mensch den Unterschied macht", lautet sein Buchtitel. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de Alles zu Führung auf CIO.de
Der Mensch war eigentlich nur geduldet
Sprengers Grundgedanke beruht auf der Annahme einer gravierenden Fehlentwicklung: Lange seien Unternehmen als "gut geölte Maschinen" begriffen und immer weiter auf Effizienz getrimmt worden. Der Mensch als Individuum ließ sich in den Hintergrund drängen. Er wurde dann gebraucht, wenn sich Aufgaben nicht maschinell erledigen ließen. Eigentlich war er nur geduldet, überspitzt Sprenger. Er sollte arbeiten, nicht denken. Seine Individualität störte.
CIO.de | Nachgefragt bei Reinhard Sprenger |
CIO.de: Wieso soll ausgerechnet die Digitalisierung den Menschen wieder in den Vordergrund rücken? Ist nicht eher das Gegenteil der Fall? Reinhard Sprenger: Sie haben das entscheidende Stichwort schon genannt: Der Mensch, das Besondere und Effektive, tritt in den Vordergrund. In den Hintergrund treten das Allgemeine und Effiziente, die Standardabläufe und Routinetätigkeiten. Ein Bankberater wird bald, wenn er morgens sein Büro betritt und den Computer anwirft, 80 Prozent seines früheren Jobs erledigt haben. Deshalb hat er Zeit für das Wesentliche: für Einzelfälle, für die es Urteilskraft braucht, Fingerspitzengefühl. Die digitale Technik der neuen Welt fördert paradoxerweise das, was die industrielle Technik unterdrückte: den Menschen als Gestalter, nicht nur als Ausführenden. Er kann sich auf das konzentrieren, was nur Menschen können, was kein Blechkasten kann. Alle sprechen davon, dass der digitale Wandel unsere Arbeitswelt verändert. Was heißt das nun konkret für den Mitarbeiter im Unternehmen? Und was für die Führungskräfte? Der Einzelne kann zwischen drei Verhaltensstrategien wählen: step up – hierarchisch weiterstreben nach oben; step aside – in Jobbereiche gehen, die nicht digitalisierbar sind; step in – mit intelligenten Maschinen zusammenarbeiten. Vor allem muss sich jeder weiterbilden. Jeder braucht ein Basiswissen der Technologie. Und Führungskräfte stehen vor großen Herausforderungen. Sie müssen das Unternehmen entwickeln: vom Ich zum Wir, von der Vorgabe zur Selbstorganisation, von der Fehlervermeidung zum Ausprobieren, von der Binnenorientierung zur Außenorientierung. Das erfordert nicht nur personenzentrische Ansätze, sondern vor allem organisatorische Änderungen. Orientiert an der Frage: Sind wir so aufgestellt, dass wir schnell neue Geschäftsmodelle aufbauen können, die mit der digitalen Welt kompatibel sind? |
"Neu- und Höherbewertung menschlicher Fähigkeiten"
Genau das ändere sich heute grundlegend: "Paradoxerweise ist es gerade die technische Entwicklung, die die Re-Integration des Menschen in die Wertschöpfung erzwingt. Denn die Digitalisierung hat eine unbeabsichtigte Nebenwirkung: die Neu- und Höherbewertung menschlicher Fähigkeiten", schreibt Sprenger. Diese "Wiedereinführung des Menschen in die Unternehmen" erfolgt in drei parallelen Bewegungen: als Wiedereinführung des Kunden, als Wiedereinführung der Kooperation und als Wiedereinführung der Kreativität.
Eine soziale Transformation
Dahinter steht natürlich ein grundlegend anderes Verständnis von Digitalisierung. Sie ist keine technologische Revolution, sondern ein sozialer Umbruch. Sie bedeutet nicht eine ungehinderte Machtentfaltung der Maschinen, sondern, im Gegenteil, eine Rückbesinnung auf das, was nur Menschen mit ihrer Urteilskraft, ihrer Fähigkeit zu Kritik und Widerspruch und auch ihrer Fähigkeit zum Umgang mit Paradoxien leisten können. "Die digitale Transformation ist im Kern eine soziale Transformation - des individuellen Mitarbeiters und der organisatorischen Strukturen." Nicht eine Frage der Technik, so Sprenger.
- Falle 1: Die Wichtigkeit der Antrittsrede unterschätzen
Es ist hilfreich, die Mannschaft zu einem Come together einzuladen und sich noch einmal offiziell vorzustellen. In einer kurzen Rede sollte man zum einen etwas über sich samt Werdegang erzählen und zum anderen bereits einen Einblick in den Führungsstil sowie Werte und Ziele geben. - Falle 2: Sofort alles auf den Kopf stellen
Neue Führungskräfte verfallen wegen der hohen Erwartungshaltung häufig in blinden Aktionismus. Es ist besser, die ersten Wochen für Mitarbeitergespräche zu nutzen. So bekommen Sie einen Überblick über Erwartungen, Aufgaben, Zusammenarbeit, Prozesse und mögliche Knackpunkte. Erst nach der Bestandsaufnahme sollten Veränderungen unter Einbindung der Mitarbeiter angestoßen werden. - Falle 3: Von Mitarbeitern instrumentalisieren lassen
Kommt eine neue Führungskraft, tendieren Mitarbeiter gerne dazu, sie für ungeklärte und unbefriedigende Belange einzuspannen, damit sie sich für diese Anliegen gegenüber Dritten starkmacht. Aber hier ist Vorsicht geboten, weil oft nur die subjektive Wahrnehmung ans Licht kommt. Man sollte also keine Versprechungen machen und voreiligen Entscheidungen treffen, sondern sich zunächst einen umfassenden Eindruck über den Status quo und über Verantwortlichkeiten verschaffen. - Falle 4: Intensive Freundschaften mit Mitarbeitern eingehen
Entwickeln sich Freundschaften zu einzelnen Kollegen, sollte man hinterfragen, welchen Einfluss die Beziehung auf das Tagesgeschäft im Unternehmen hat und welchen Eindruck Kollegen und Vorgesetzte bekommen, wenn sie von der Freundschaft erfahren. Zum Schutz von Führungskraft und Mitarbeiter ist es daher sinnvoll, ausreichend Distanz zu wahren. - Falle 5: Recht behalten und Fehler nicht eingestehen
Fehler einzugestehen und Kritik von Mitarbeitern anzunehmen wird oft als Führungsschwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wahre Größe und Kompetenz beweist, wer offen für berechtigte Kritik ist und gegebenenfalls eine Entscheidung rückgängig macht. So gewinnt man als Vorgesetzter Glaubwürdigkeit und Vertrauen. - Falle 6: Konflikten aus dem Weg gehen
Harmoniebedürftige Führungskräfte sind meist auch konfliktscheu. Sie hoffen insgeheim, dass sich Probleme von selbst lösen, und sprechen Missstände oft viel zu spät an. Ob Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Konflikte im Team - Sie sollten Erwartungen frühzeitig nennen, immer konstruktives Feedback geben und rechtzeitig nachsteuern. Klarheit in der Führung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Und Klarheit und Freundlichkeit schließen sich nicht aus. - Falle 7: Immer eine offene Tür haben
Eine Aussage wie "Sie können jederzeit zu mir kommen" ist fatal. Der Grund: Ungeplante Gespräche bringen den Tagesablauf durcheinander und reißen die Führungskraft bei ihrer jeweiligen Aufgabe aus der Konzentration. Soll heißen: Führen "zwischendurch" ist nicht ratsam. Nehmen Sie sich nach Abstimmung ungeteilte Zeit für Mitarbeitergespräche. - Falle 8: Experten im Fachwissen übertreffen wollen
Es ist ein Trugschluss, als Führungskraft zu glauben, auf jede fachliche Frage eine Antwort haben zu müssen oder jedes Problem lösen zu können. Dafür sind die Fachleute zuständig, nämlich die Mitarbeiter mit ihrem entsprechenden Fachwissen. Der Job des Vorgesetzten ist primär, Führungs- und Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Wer sich als Chef dennoch dafür verantwortlich fühlt, wird schnell zum "Obersachbearbeiter". Tipp: Delegieren Sie, damit Sie Freiräume gewinnen und Ihre Ziele erreichen.
Eben deshalb werde in den Unternehmen heute so viel über Menschen gesprochen: über ihre Mitarbeit, ihr Mitentscheiden, über die Form ihrer Zusammenarbeit, ihr Bedürfnis nach einem Umgang "auf Augenhöhe" und über die organisatorischen Strukturen, die das alles möglich machen sollen. Diese Änderungen, die von der Digitalisierung begünstigt werden, bringt Sprenger wiederum auf den Punkt: "Das ist wirklich revolutionär: Noch nie wurde in den letzten Jahrzehnten so intensiv über das Unternehmen als Organisation nachgedacht." Mit tiefgreifenden Folgen für das Verständnis von Führung und die Rolle der Führungskraft.
111 Rezepte - gut beobachtet und wohldurchdacht
Das alles entwirft Sprenger auf wenigen Seiten - in der Einleitung und im Hinterher. Im Kern besteht das Buch aus 111 Rezepten zur Führung in digitalen Zeiten. Es sind kleine Stücke, gut beobachtet und wohldurchdacht - einfach ein Lesevergnügen. Und eine wertvolle Handreichung für alle, die in Unternehmen Verantwortung tragen und Mitarbeiter führen. Oder die einfach nur wissen wollen, was die Digitalisierung nun genau bedeutet. Es sind kurze Texte, in sich abgeschlossen, die sich unabhängig voneinander lesen lassen, zwischen denen man auch springen kann. Keine Frage, Sprenger beherrscht die große Kunst der Klarheit.
Der Unterschied: Der Mensch besitzt Urteilskraft
Klar arbeitet der Autor auch heraus, was den Menschen von jeder auch noch so hoch entwickelten maschinellen Intelligenz unterscheidet (bis auf Weiteres zumindest). Es ist die Fähigkeit, Daten Bedeutung hinzuzufügen, sie in Beziehung zu setzen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Dazu braucht es das, worüber nur der Mensch verfügt: Urteilskraft. Und noch etwas kommt hinzu: "Die Wiedereinführung des Menschen in die Unternehmen leitet sich letztlich ab von einer Fähigkeit, die immer dem Menschen vorbehalten bleiben wird: sich selbst zu widersprechen. Das zeichnet ihn vor jeder Maschine aus, das ist sein Adel, das ist sein Weg in die Vollständigkeit."
- Tipps für ambitionierte Frauen in der IT
Frauen in der Position des CIO sind noch selten. Wer es als Frau in eine Führungsrolle beziehungsweise zur IT-Managerin schaffen will, sollte folgend Karrieretipps beachten, um in der IT-Branche durchstarten zu können. (Quelle: Cynthia Stoddard/Adobe) - "Stretch yourself"!
Verlassen Sie Ihre Komfortzone. Seien Sie immer offen und empfänglich, Neues zu lernen und neue Aufgaben zu übernehmen. - Bauen Sie ein Vertrauensnetzwerk auf!
Nehmen Sie sich die Zeit, Ihre Kollegen und Vorgesetzten kennenzulernen, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit zu schaffen. Dies ist ein Riesenvorteil und eine effektive Möglichkeit, Vorurteile abzubauen. - Vermarkten Sie sich selbst!
Erzählen Sie Menschen über Ihren Background, Ihre Erfahrungen und Interessen. Die Leute können Ihre Gedanken nicht lesen. Zeigen Sie, ob Sie an einem Projekt arbeiten möchten oder eine Idee beisteuern können, die das Projekt vorantreibt. Ist dies der Fall, ergreifen Sie die Initiative, um Ihren Ansatz bekannt zu machen. - Seien Sie ein Vorbild!
Nehmen Sie sich immer die Zeit, ein Mentor zu sein sowie Erfahrungen und Wissen mit anderen Teammitgliedern zu teilen. Nur so entsteht eine wechselseitige Beziehung, von der auch Sie am Ende profitieren werden. - Lernen Sie aus Misserfolgen und reagieren Sie!
Es braucht Führungskompetenz, wenn Sie sich eingestehen müssen, dass die Dinge gerade nicht so gut laufen oder nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Gute Leader lernen aus ihren Fehlern und reagieren schnell mit einer Kurskorrektur.
Reinhard K. Sprenger: Radikal digital. Weil der Mensch den Unterschied macht – 111 Führungsrezepte, DVA, 272 Seiten, 25 Euro, Randomhouse