Bundeswirtschaftsminister

Attacken auf Altmaier - und was dahinter steckt

11.04.2019
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten sitzt mit Peter Altmaier wieder ein CDU-Mann an der Spitze des Wirtschaftsministeriums. Für den 60-Jährigen läuft es gerade nicht gut, er steht im Kreuzfeuer der Kritik. Wie geht es weiter mit dem Merkel-Vertrauten?
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
Foto: Alexandros Michailidis - shutterstock.com

Es ist ein regelrechter "Shitstorm", der gerade über Peter Altmaier hinwegfegt. Und es ist eine Mischung aus Enttäuschung, Fundamentalkritik am Kurs des Wirtschaftsministers und politischen Machtkämpfen. Hinter den Kulissen ist die Unzufriedenheit über den CDU-Politiker seit längerem groß. Nun bricht die Kritik öffentlich aus. Koalitionspolitiker springen Altmaier zur Seite - aber zielt die Kritik an ihm eigentlich auf die Kanzlerin?

Den Beginn machte der Verband der Familienunternehmen mit einer Generalabrechnung. Altmaier sei untätig, er mache nichts für den Mittelstand. Demonstrativ kündigte der Verband an, Altmaier nicht zur 70-Jahr-Feier einzuladen. Es folgten andere Wirtschaftsverbände. "Der Minister muss entschieden mehr tun, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland zu stärken", sagte Industriepräsident Dieter Kempf. "Dies gilt gerade deshalb, weil die Alarmsignale für unsere Konjunktur mittlerweile unübersehbar sind."

Zu hohe Stromkosten

Deutschland sei im Vergleich der Kosten für Industriestrom das drittteuerste Land - unter mehr als 100 Standorten weltweit. "Der bereits im vergangenen Jahr für diesen Januar vom Minister angekündigte Stromkostengipfel lässt derweil weiter auf sich warten. Die Ungeduld der Unternehmen wächst von Tag zu Tag."

Die hohen Stromkosten sind einer von mehreren Kritikpunkten der Wirtschaft. Dazu kommt, dass Altmaier fast ein ganzes Jahr brauchte, bis er die zentrale Stelle des Energie-Staatssekretärs besetzte, der die Energiewende managen soll. Daneben wird ihm vorgeworfen, zu wenig für eine Senkung der Unternehmenssteuern getan zu haben - Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte Plänen eine Absage erteilt. Daneben lasse eine angekündigte "Mittelstandsstrategie" auf sich warten, heißt es in Wirtschaftsverbänden.

Und dann ist da Altmaiers "Nationale Industriestrategie", die für Irritationen sorgte. Kernaussage: Angesichts der zunehmenden Konkurrenz aus Asien und den USA auf den Weltmärkten müssten nach dem Vorbild des Flugzeugbauers Airbus mehr "nationale" und "europäische Champions" geschaffen werden, mit Hilfe des Staates und einer aktiven Industriepolitik. Das brachte Altmaier den Vorwurf ein, er wolle nun "Planwirtschaft" betreiben - und was wohl sein legendärer Amtsvorgänger Ludwig Erhard dazu sagen würde.

Umgangston kritisiert

Angesichts der breiten Kritik sprangen führende Unionspolitiker Altmaier zur Seite. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) stärkte dem Minister am Dienstag in einer Sitzung der CDU/CSU-Abgeordneten, an der auch Altmaier teilnahm, den Rücken. Die Unionsfraktion werde sich einen solchen Umgang mit dem Minister nicht bieten lassen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte schon zuvor gesagt, er könne die Äußerungen zu Altmaier nicht nachvollziehen, sie seien "in Teilen schlicht unfair". Die Wirtschaft solle vielmehr großes Interesse an einer engen Zusammenarbeit mit Altmaier haben. Kritik gehöre zur Politik, aber er empfinde den Umgang mit Altmaier "als nicht gerechtfertigt".

Als nicht unwahrscheinlich gilt es im politischen Berlin aber, dass hinter der aktuellen Kritik aus Teilen der Wirtschaft und auch der Union neben der umstrittenen Wirtschaftspolitik des Ministers noch ganz andere Hintergründe stecken. Seit langem gilt der Saarländer als enger Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Als Kanzleramtschef und dann zusätzlich als Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung sollte er zwischen 2015 bis zu seinem Wechsel ins Wirtschaftsressort den umstrittenen Kurs Merkels in der Migrationspolitik managen.

Sündenbock Altmaier

Schon damals war er vielen sehr Konservativen in der Union ein Dorn im Auge. Mangelnde Organisation der Flüchtlingspolitik wurde ihm vor allem vorgeworfen - viele der Kritiker droschen verbal auf Altmaier ein und meinten eigentlich Merkel.

Auch diesmal, so wird in der Union vermutet, diene der Minister vor allem jenen als Sündenbock der Vergangenheit, die immer noch nicht verwunden haben, dass im Kampf um die Nachfolge Merkels als CDU-Chefin haarscharf die Favoritin der Kanzlerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, und nicht der Liebling der Konservativen und Wirtschaftsliberalen, Friedrich Merz gewonnen hat. Altmaier hatte sich für AKK eingesetzt, wie die CDU-Chefin gerne genannt wird.

Von einem immer noch schwelenden Machtkampf zwischen den besonders Konservativen und eher progressiven oder liberalen Kreisen in der Union ist da auch die Rede. So verlangen die Erzkonservativen von der Werte-Union um deren Vorsitzenden Alexander Mitsch immer wieder eine radikale Politikwende im Kanzleramt. Dahinter steht die dringende Forderung nach einer Ablösung von Merkel und natürlich auch von ihren Vertrauten wie eben Altmaier.

Altmaier bleibt gelassen

Natürlich wäre es jenen Kreisen am Liebsten, wenn der wirtschaftsliberale Merz lieber heute oder morgen als erst nach einer Neuwahl mit einer möglichen Kanzlerkandidatin Kramp-Karrenbauer etwa als Wirtschaftsminister in die Regierung einziehen würde. Sogar als Superminister für Finanzen und Wirtschaft wird Merz in diesen Zirkeln gerne gehandelt.

Dagegen positionieren sich liberale Kramp-Karrenbauer-Unterstützer wie die "Union der Mitte" um die stellvertretende schleswig-holsteinische CDU-Vorsitzende und Landesbildungsministerin Karin Prien. Diese Gruppierung hat eher die Sorge, dass der Mitte-Kurs der Kanzlerin von AKK ausgehöhlt wird - zugunsten der Rücksichtnahme auf enttäuschte Merz-Fans.

Noch aber scheint Altmaier fest im Sattel zu sitzen. Wobei seit langem spekuliert wird, dass der frühere EU-Beamte nichts dagegen hätte, nach der Europawahl als EU-Kommissar nach Brüssel zu wechseln. Das aber hängt davon ab, ob der deutsche EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber Kommissionspräsident wird.

Der geprügelte Minister jedenfalls nahm die Vorwürfe der Wirtschaft gelassen hin - zumindest nach außen. Am Montag sagte er auf einer Messe in München: "Dass Politiker hin und wieder mal kritisiert werden, ist eine ganz normale Erscheinung." Und: "Wer glaubt, dass das nicht dazu gehört, der hat in der Politik nichts verloren." Er habe viel Zuspruch erlebt in den vergangenen Monaten. "Das motiviert mich und deshalb kann ich auch Kritik ertragen." (dpa/rs)

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