Tipps für den Auslandsjob
Business-Knigge für Großbritannien
Die Bankenkrise traf den internationalen Finanzstandort London zwar besonders hart – mit entsprechenden Folgen für den Arbeitsmarkt. Mittlerweile hat sich die Situation aber wieder deutlich verbessert. Laut britischem Statistikamt ONS wuchs das Bruttoinlandsprodukt 2013 um 1,9 Prozent. Dies ist der stärkste Anstieg seit sechs Jahren. Gut aufgestellt ist die Wirtschaft in den Branchen Finanzdienstleistungen, Biotech, Pharma, ChemieChemie und Elektrotechnik. Auch der Maschinen- und Fahrzeugbau, die Energiewirtschaft, Umwelttechnik und die ITK-Branche bieten qualifizierten Fachkräften gute Jobchancen. Top-Firmen der Branche Chemie
Wer als Deutscher einen Arbeitsaufenthalt in Großbritannien plant, muss meist keine besonderen Hürden überwinden: Englisch lernt man in der Schule, in ein bis zwei Flugstunden ist man auf der Insel und benötigt werden weder eine Aufenthaltsgenehmigung noch eine Arbeitserlaubnis. Doch auch wenn die beiden Länder nur durch den Ärmelkanal voneinander getrennt sind – die Inselbewohner „ticken“ in mancher Hinsicht etwas anders als wir. Nicht nur der Linksverkehr ist gewöhnungsbedürftig – auch im Arbeitsleben ist es wesentlich einfacher, wenn man sich vorher mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut gemacht hat.
Worauf sich Deutsche in Großbritannien besonders einstellen sollten, verrät Bernd Leven, Leiter Energiemanagement bei der BT Group in London und seit sechs Jahren in Großbritannien.
- Anrede
Die Anrede mit Vornamen ist im angelsächsischen Raum Usus – im privaten Bereich wie im Geschäftsleben. Für Deutsche ist das zuweilen ungewohnt, vor allem, wenn es sich um Vorgesetzte handelt. „Auch wenn man den Gesprächspartner zum ersten Mal im Leben sieht beziehungsweise per Mail kontaktiert, fällt einem das ‚Du‘ anfangs nicht so leicht“, so LevensErfahrung. Mittlerweile weiß er die informelle Anrede zu schätzen: „Das macht es einfach leichter, persönliche Beziehungen aufzubauen.“ Weil es für die internationale Zusammenarbeit einfacher ist, hat man bei BT auch in Deutschland die Regel eingeführt, dass die Mitarbeiter sich mit Vornamen ansprechen – unabhängig von Hierarchiestufe und Funktion. - Begrüßung
Die Beziehungsebene ist für die Briten grundsätzlich sehr wichtig. Sie eröffnen das Gespräch daher gern mit einer positiven, persönlichen Aussage – etwa zur Kleidung: „I like your scarf“ (Dein Halstuch gefällt mir). Deutsche dagegen verzichten im Berufsleben meist auf solche Nettigkeiten. „Oder sie nehmen den Schal des Gegenübers zum Anlass, über die Kälte zu klagen“, beschreibt Leven den Unterschied. Bei der Begrüßung wird im angelsächsischen Raum häufig die Frage „How are you?“ gestellt. Darauf antwortet man, wenn überhaupt, nur mit einer positiven Antwort („Very well, thank you“) oder mit der Gegenfrage „How are you?“. Nicht angebracht ist es jedenfalls, ausführlich Auskunft über das eigene Befinden zu geben. - Small Talk
Small Talk spielt generell eine wesentlich wichtigere Rolle als hierzulande. „Die Deutschen kommen ja recht schnell zum Punkt. Die Briten dagegen reden erst einmal übers Wetter oder stellen Fragen nach der Familie, bevor sie sich dem Beruflichen widmen“, so Leven. Die deutsche Art wirke daher auf die Briten zuweilen etwas schroff. Man dürfe die persönliche Art der Briten aber auch nicht überbewerten, räumt Leven ein. Die sei zwar angenehm, aber in der Regel unverbindlich: „Echte Freundschaften brauchen wie in Deutschland auch ihre Zeit.“ - Sprache
Selbst wer ein gutes Schulenglisch spricht, ist nicht vor Verständigungsproblemen gefeit. Neben Schottisch und Irisch begegnen einem im Berufsleben auch diverse Akzente – etwa aus den USA oder Indien. „Damit habe ich mich am Anfang ganz schön schwer getan“, erinnert sich Leven. Gewöhnungsbedürftig seien zudem die mentalitätsbedingten Unterschiede in der Kommunikation: „Schwierig wird es vor allem bei Themen, bei denen es auf die diplomatischen Feinheiten ankommt – etwa bei Verhandlungen oder in Mitarbeitergesprächen. Auch nach sechs Jahren in London ist es für mich noch eine Herausforderung, immer den richtigen Ton zu treffen.“ - Höflichkeit
Bekannt sind die Briten für ihre ausgeprägte Höflichkeit. Das gilt nicht nur für die viel zitierte Warteschlange am Bus. Auch mit Skepsis hält man sich zurück, Negatives wird weniger direkt formuliert oder eben nett verpackt. Daher wirkt die unverblümte deutsche Art, Kritik zu äußern, auf die Briten etwas rüde. Wer auf Risiken hinweist und eine neue Idee erst einmal skeptisch von allen Seiten beleuchtet, gilt bei den begeisterungsfähigen Briten schnell als Bedenkenträger. Für sie ist es vor allem wichtig, Lob und Anerkennung zu äußern. „Wer Personalverantwortung trägt, muss das unbedingt berücksichtigen, um die Mitarbeiter nicht zu demotivieren“, weiß Leven aus Erfahrung. - Arbeitsweise
Ebenfalls unterschiedlich ist die Herangehensweise an Aufgaben und Projekte: Die typisch deutsche strukturierte und strategische Arbeitsweise ist auf der Insel weniger üblich. „Die Briten sind sehr spontan, hier kommt es mehr darauf an, zum Beispiel kurzfristig das Ergebnis zu verbessern“, erläutert Bernd Leven. Das hat ein Für und Wider: „Beim Launch neuer Produkte ist dieses Vorgehen durchaus vorteilhaft, weil man Marktnischen schneller besetzen kann“, erklärt er. Für andere Bereiche würde er sich manchmal eine langfristigere Planung wünschen. Auch was Perfektionsansprüche angeht, sind die Briten nach seiner Beobachtung pragmatischer: „Man wägt eher ab, ob sich ein bestimmter Aufwand lohnt, oder ob nicht 80 Prozent auch mal genug sind.“ - Humor
Trocken, ironisch, doppeldeutig, manchmal auch makaber bis geschmacklos: Der „schwarze“ Humor der Briten ist legendär. Bei bestimmten Themen verstehen sie allerdings keinen Spaß. So sollte man sich hüten, sich über britische Traditionen oder das Königshaus lustig zu machen. „Auch das Zitieren bestimmter Klischees – etwa das angeblich schlechte Essen – kommt gar nicht gut an“, warnt Leven. - Dresscode
Krawatten und Jacketts sind in vielen britischen Büros nur bei Präsentationen vor Kunden oder offiziellen Anlässen zu sehen. Bei BT trägt sogar der Vorstand oft nur ein Hemd – allerdings mit Manschettenknöpfen. „Der lockere Kleidungsstil sorgt nicht nur für mehr Bequemlichkeit am Arbeitsplatz. Er trägt auch dazu bei, Barrieren zwischen Führungskräften und Angestellten abzubauen“, erläutert Leven. Bei festlichen Abendveranstaltungen herrscht dagegen ein für deutsche Verhältnisse recht strenger Dresscode, zumindest, wenn „Black Tie“ oder „Dinner Jacket“ in der Einladung steht: „Ein Abendkleid beziehungsweise einen Smoking sollte man schon im Schrank haben.“ - Lunch
Ein gemeinsames Mittagessen mit den Kollegen hat in Großbritannien keinen hohen Stellenwert. Man kauft sich ein Sandwich, lässt sich etwas liefern oder bringt sich ein Lunchpaket von zuhause mit. Verspeist wird der Imbiss bei gutem Wetter draußen auf einer Bank – oder im Büro, oft sogar am Arbeitsplatz. So richtig gewöhnt hat sich Bernd Leven daran bis heute nicht: „Bei meinem früheren Job in Stuttgart sind wir mittags immer alle zusammen Essen gegangen. Diesen täglichen Austausch mit den Kollegen vermisse ich hier schon manchmal.“ - Gemeinsame Aktivitäten
Die Kollegen gehen dafür nach der Arbeit gerne gemeinsam in den Pub. Wichtig zu wissen: Nicht jeder einzelne zahlt sein Getränk, sondern jeder gibt nacheinander eine Runde aus, die an der Theke geholt wird. Das typisch deutsche Getrenntzahlen ist in England generell nicht üblich: Auch beim gemeinsamen Abendessen wird die Rechnung oft durch die Zahl der Anwesenden geteilt – egal was der Einzelne konsumiert hat. - Dr. Bernd Leven
...ist als Leiter Energiemanagement bei der BT Group im Bereich Technology Services & Operations für die weltweite Verwaltung des Energiebudgets, Energieeffizienz sowie für die entsprechenden IT-Systeme und die Gebäude-Leittechnik zuständig.