Strategien


Kritik am Ansatz der Messe

CeBIT auf dem Digitalisierungstrip

Werner Kurzlechner lebt als freier Journalist in Berlin und beschäftigt sich mit Rechtsurteilen, die Einfluss auf die tägliche Arbeit von Finanzentscheidern nehmen. Als Wirtschaftshistoriker ist er auch für Fachmagazine und Tageszeitungen jenseits der IT-Welt tätig.
Analysten kritisieren Einfallslosigkeit der Veranstalter, Anwender dürfen immerhin auf konkrete Use Cases hoffen. Das Leitthema Digitalisierung signalisiert, dass die alten auch die neuen Trends sind.

Die Mischung aus Jungmännerzorn im Blick und Weichheit in Melodie und Stimme wirkte frisch und garantierte sofortigen Erfolg - damals vor genau 45 Jahren, als Peter Maffay seine erste Single "Du" veröffentlichte. Lange her. In diesem Jahr kommt der Überlebenskünstler der Schlagerrockbranche als Stargast zur CeBIT, gewissermaßen ein Dinosaurier aus dem Tabaluga-Paralleluniversum. Und das erscheint durchaus programmatisch für die Messe, die von 16. bis 20. März in Hannover stattfinden wird.

Als Topthema wählten die Veranstalter in diesem Jahr "d!conomy". Unter diesem Dach stehen sechs Markttrends im Fokus: Big DataBig Data & CloudCloud, Digitale Transformation, Internet der Dinge, Mobile, SecuritySecurity und Social Business. Alles zu Big Data auf CIO.de Alles zu Cloud Computing auf CIO.de Alles zu Security auf CIO.de

Themenwahl mit Rocker-Mähne

"Die digitale Economy - kurz d!conomy - wird sich als Thema auf nahezu allen Ständen der Unternehmen, in den CeBIT Global Conferences und den vielen Fachforen in den Messehallen wiederfinden", kündigt Oliver Frese, Vorstand der Deutschen Messe AG, an. "Die Digitalisierung ist der Megatrend." Und unter diesem Label kreist die Messe wie es scheint um die Trendthemen, die die IT-Welt seit Jahren beschäftigen und denen mindestens schon eine Maffay-Mähne gewachsen sein dürfte.

Analysten bewerten die Themenwahl der CeBIT in jedem Fall kritisch. "Das Schlagwort Digitalisierung dient sozusagen als Klammer für die großen wichtigen, aber nicht unbedingt neuen technologischen Trends", sagt Lynn-Kristin Thorenz, Analystin bei IDC. "Leider wird der Begriff mittlerweile so extrem benutzt, dass beinahe alles unter diesem Etikett läuft."

Pascal Matzke formuliert es noch härter. "Ich finde das Topthema nicht glücklich gewählt", sagt der Analyst von Forrester Research. "Überhaupt ist es der falsche Ansatz, immer noch alles von der Technologie her zu denken." Derzeit vollziehe sich ein Paradigmenwechsel dahin, mit Hilfe von innovativer Software und Hardware wirklich neue Wertschöpfungsmodelle zu entwickeln.

"Es geht in erster Linie um vernetzte Produkte", so Matzke. So stelle zum Beispiel die Timken Company aus Ohio inzwischen Kugellager mit eingebauten Sensoren her, die direkt Performance-Daten in verbundene Systeme einspeisen. Vergleichbares produziere in Deutschland auch die Freudenberg-Gruppe. Der Weg zu derlei neuartigen Vernetzungen müsste nach Matzkes Ansicht noch von deutlich mehr deutschen Firmen als bislang beschritten werden - und die CeBIT müsste demnach, stärker als momentan von ihr zu erwarten ist, ihre Besucher gezielt auf diesen Pfad führen.

Hannover Messe spannender als CeBIT

"Im Grunde ist die Hannover Messe, aus der die CeBIT einst hervorging, mittlerweile die spannendere Veranstaltung", sagt Matzke. Auf der Industriemesse stehe nämlich das gesamte Wertschöpfungspotenzial neuer Technologien im Mittelpunkt, während das CeBIT-Blickfeld doch stark auf die klassische IT-Abteilungsperspektive verengt sei.

In ihrer Diagnose klingen die Analysten durchaus ähnlich, unterschiedlich bewerten sie indes die sinnvollen Therapieansätze. Matzke geht davon aus, dass die auf der Messe präsenten IT-Entscheider ohnehin eine ausgeprägte Offenheit in digitalen Angelegenheiten mitbringen und deshalb auf einem fortgeschrittenen Stand abgeholt werden müssten.

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