CIO des Jahres 2022 – Public Sector - Finalist
CIO Andreas Gerhäuser stellt Autobahn-IT auf neue Füße
Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.
Bereits im Jahr 2018 wurde mit der Neuordnung der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern der Grundstein für eines der größten deutschen infrastrukturpolitischen Projekte der vergangenen Dekaden gelegt: Die Reform der Bundesfernstraßenverwaltung. Seit dem 1. Januar 2021 liegt es in der Hand des Bundes, die deutschen Autobahnen zu finanzieren, zu bauen, zu betreiben, zu warten und zu verwalten.
Um dieses Aufgabenbündel zielführend organisieren zu können, wurde die Autobahn GmbH gegründet, bei der auch IT-seitig spätestens zum 1. Januar 2024 alle Fäden zusammenlaufen sollen. Damit das funktioniert, müssen die hochkomplexen und heterogenen IT-Landschaften aller 16 Bundesländer mit mehr als 2.000 verschiedenen Applikationen konsolidiert, die IT-Infrastruktur und -Peripherie entsprechend ausgebaut und Prozesse vereinheitlicht werden. Nebenbei soll auch die IT selbst zukunftsfähig aufgestellt werden, um künftige digitale Verkehrstrends optimal stützen zu können.
Für den CIO der Autobahn GmbH, Andreas Gerhäuser, und sein IT-Team eine Mammutaufgabe, die außerordentlich gut angelaufen ist. Sie begann damit, die Aufbau- und Ablauforganisation der IT parallel zum Aufbau der Autobahn GmbH auf der grünen Wiese zu errichten - innerhalb von nur neun Monaten.
Vielschichtige Transformationsphase
"Trotz der Überzahl an Skeptikern in Politik, Presse und in der eigenen Organisation wurde der Go Live der Autobahn GmbH zum 1. Januar 2021 erfolgreich vollzogen. Darauf sind wir besonders stolz, da es uns nicht wie der Toll-Collect oder gar dem Flughafen BER ergangen ist", schmunzelt CIO Gerhäuser.
Derzeit befinden sich der Manager und sein Team in der heißen Phase der IT-Transformation: Bis Ende 2023 müssen nach und nach alle Einzellösungen der Bundesländer abgelöst werden und deren Netze in das der Autobahn GmbH integriert werden. Zudem müssen in diesem Zuge auch:
rund 10.000 IT-Arbeitsplätze migriert,
ein zentraler Netzwerk-Backbone aufgebaut,
370 Liegenschaften angebunden sowie
die Anwendungslandschaft schrittweise auf circa 300 Applikationen konsolidiert werden.
In der Aufbauphase der Autobahn GmbH stellte sich die IT nach dem klassischen und projektorientierten Demand-Supply-Ansatz auf. Dafür wurden verschiedene, cross-funktionale Experten-Teams in einer Abteilung gebündelt, die als Übersetzer zwischen Fachbereichen und IT fungieren. Gleichzeitig wurde eine Cloud-First-Strategie erarbeitet und alle Vorhaben, die zielführend in der Cloud umgesetzt werden konnten auch entsprechend realisiert. Die geordnete, sichere und effiziente Nutzung von Cloud-Diensten soll schnellen Zugang zu den neuesten Technologien gewährleisten und wirtschaftliche sowie innovative Lösungen ermöglichen - Stichwort "New Mobility".
Darüber hinaus befindet sich auch eine Stabsstelle Informationssicherheit im Aufbau - hierfür wurde aus der IT heraus ein übergreifendes Security-Programm auf die Beine gestellt. Folgende strategische Eckpfeiler werden in diesem Rahmen priorisiert:
Design der übergreifenden IT-Sicherheitsarchitektur
Aufbau eines SOC, um IT-Sicherheitsvorfälle, -risken und -Schwachstellen zu managen
Härtung von ADs, Office 365Office 365, Enterprise Clients und Cloud-Plattformen Alles zu Office 365 auf CIO.de
Cloud-First-Strategie macht Enabler-Rolle
"Im Zuge der Cloud-First-Strategie haben wir eine Roadmap entwickelt, die das Ziel verfolgt, Fachbereiche und IT im Sinne einer produktorientierten Organisation näher zusammenzubringen und die IT in eine Enabler-Rolle zu versetzen", erklärt CIO Gerhäuser. Dabei setzt die Autobahn GmbH unter anderem auf agile Methoden, Automatisierung und Weiterbildungsinitiativen, um die Belegschaft auf die neuen technologischen Anforderungen vorzubereiten. Begleitet wird das durch ein in die Cloud Journey eingebettetes Change Management.
Befragt zu seinen "Lessons Learned" muss der CIO nicht lange überlegen und nennt drei wesentliche Punkte:
Realistische Pläne: "Es ist anstrengend einem ambitionierten, politischen Plan hinterherzurennen. Deshalb ist es empfehlenswert - wenn machbar - auf realistische Zielsetzungen hinzuwirken."
Doppelspitze: "Projekte mit IT-Beteiligung funktionieren am besten mit einer Doppelspitze aus Fachabteilung und IT. Das erhöht die Chancen auf eine angemessene und frühzeitige Einbindung aller relevanten Experten."
Change Management: "Das Veränderungsmanagement muss bei Transformationsprojekten einen hohen Stellenwert einnehmen. Eine Lösung kann noch so oft und auf sämtlichen Ebenen abgestimmt werden - wenn ein Mindestmaß an unterstützenden Change-Initiativen fehlt, wird sie keine Akzeptanz bei den Endanwendern finden."
Gerhäuser und seine Mitarbeiter versuchen stets gelassen mit neuen Herausforderungen umzugehen. Dabei sei es auch enorm wichtig, die notwendige Geduld für die stark belasteten Teams aufzubringen. Gelinge das nicht, spiegele sich das schnell in einer hohen Fluktuation wider, so der CIO: "deswegen steckt das gesamte Leadership Team viel Energie in die Motivation der Mitarbeiter. Wir wollen unsere vielen Überzeugungstäterfür eines der bekanntesten Produkte Deutschlands - die Autobahn - halten."
Mit diesem Projekt erreichte Gerhäuser die Finalrunde beim CIO des Jahres 2022 in der Kategorie Public Sector. Juror Martin Peuker, CIO an der Berliner Charité, bemerkt: "Solch heterogene IT-Umgebungen in einem so kurzen Zeitraum zusammenzubringen, verdient Anerkennung. Man kann nur erahnen, welche Herausforderungen bis zur Zielerreichung 2024 noch kommen werden." (kf)
Zusätzliche Informationen zum Projekt:
Projektbudget (gesamt): über 150 Millionen Euro
Projektzeitraum: 01.10.2019 bis 31.12.2023