Intensivstationen lösen Ängste aus
Corona-Angst raubt Menschen den Schlaf
Die Angst vor einer Corona-Ansteckung raubt vor allem Menschen mit gesundheitlichen Risiko-Faktoren vielfach den Schlaf. "Ich sehe das auch aus der eigenen Sprechstunde. Es gibt Vorerkrankte, die sich große Sorgen machen", sagte der Direktor der Klinik für Pneumologie der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte, Georg Nilius. "Da gibt's ein deutlich höheres Angstniveau. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Schlaf." Nilius ist einer der Kongresspräsidenten bei der digitalen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) vom 29. bis 31. Oktober.
Der Lungen- und Schlafmediziner verwies auf eine fortlaufende bundesweite Online-Studie unter Leitung der Psychologin Madeleine Hetkamp (Universität Duisburg-Essen) mit gut 16.000 Teilnehmern. Laut der im Fachmagazin "Sleep Medicine" veröffentlichten Studie hatten kurz nach dem Corona-Shutdown Mitte März dieses Jahres rund 13,5 Prozent der Teilnehmer von einer "deutlich verschlechterten Schlafqualität" und 7,2 Prozent von generellen Ängsten ("anxiety") berichtet. Als die Infektionszahlen nachließen, seien diese Werte wieder zurückgegangen. Mit dem aktuell neuen Hochschießen der Infektionszahlen sei es wahrscheinlich, dass auch die Ängste wieder zunähmen, sagte Nilius. "Der Schlaf hat sich in der Pandemie verschlechtert."
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Schlaf- und Wachzustand und das Nervensystem werden auch in einer internationalen Studie untersucht, deren deutschen Teil Thomas Penzel vom schlafmedizinischen Zentrum der Charité Universitätsmedizin Berlin leitet. Die DGSM wirbt für die Teilnahme an einer bundesweiten Umfrage für die Studie.
"Schlafmangel erhöht die Anfälligkeit für Infektionen. Das wissen wir von anderen Viruserkrankungen. Möglicherweise ist er auch ein Risikofaktor für schwerere Erkrankungsverläufe", sagte Nilius. Deshalb sei ausreichender Schlaf zur Stärkung des Immunsystems auch Teil der Präventionsmaßnahmen gegen Corona. Wissenschaftler empfehlen in der Regel mindestens sieben Stunden Schlaf für die meisten Menschen.
Wo Arbeitsabläufe Schlafmangel begünstigten - etwa bei der Schichtarbeit - müssten Arbeitgeber ihre Mitarbeiter vor Überforderung schützen und ausreichend freie Tage am Stück einräumen, sagte er. Dies gelte auch im medizinischen Bereich für Klinikleitungen. Freie Intensivbetten nützten nämlich im Kampf gegen die Pandemie nichts, wenn das Personal für die Betreuung der Patienten fehle.
Ein Thema bei der Jahrestagung ist auch Schlafmangel durch Atmungsstörungen etwa beim Schnarchen (Schlafapnoe). Nach ersten Studien seien Patienten mit Schlafapnoe einem deutlich höheren Corona-Risiko ausgesetzt, weil ihr Schlaf durch die Atmungsaussetzer immer wieder unterbrochen wird, sagte Nilius. Allerdings litten Patienten dieser Gruppe häufig unter weiteren Erkrankungen wie Bluthochdruck, Übergewicht oder Diabetes. Weitere Untersuchungen müssten klären, ob die Corona-Erkrankungen in dieser Gruppe vor allem auf diese zusätzliche Erkrankungen und das vielfach höhere Alter der Patienten oder auf den Schlafmangel zurückzuführen seien. (dpa/rs)