IBM und Forrester über Digitalisierung
Der CIO wird Unruhestifter
Ein bisschen stellen CIOs ihr Licht momentan unter den Scheffel. Und das womöglich deshalb, weil sie ihre Lektion für die Ära der digitalen Transformation besonders schnell und gut gelernt haben. Welche externen Kräfte die Zukunft des Unternehmens prägen werden, fragte das IBM Institute for Business Value in einer aktuellen Studie.
Die teilnehmenden CIOs setzten gelehrig Marktfaktoren auf Platz Eins und nannten technologische Faktoren lediglich als zweitwichtigstes Kräftebündel. Die CIOsCIOs schätzen die Lage damit exakt so ein wie die CMOs. CFOs wiederum gewichten - notorisch - die Makroökonomie am stärksten. Und die Chefs, also die CEO? Genau, für die liegt die Technologie auf dem ersten Rang, noch vor der Power des Marktes. Alles zu Rolle des CIO auf CIO.de
Marktdynamik und Technologie wichtig
Diese Details alleine müssen nicht viel heißen. Wichtiger dürfte die weitgehende Einigkeit darüber sein, dass ein digitales Zeitalter heranbricht, in dem die Kunden - nicht nur als Gruppen, sondern auch als Individuen - wichtiger denn je werden. Und dass deshalb sowohl die Dynamik des Marktes als auch die technologische Entwicklung von prioritärer Relevanz sind.
Bedeutender offenbar, als die volkswirtschaftlichen Konjunkturen, die die Perspektive der CFOs so sehr prägen, oder auch als die Verfügbarkeit von Fachkräften, so knapp diese auch sein mögen. Das IBM-Institut arbeitet das auf breiter Datenbasis heraus. Befragt wurden mehr als 4000 C-Level-Manager weltweit, darunter mehr als 1600 CIOs.
Social Media spielt noch keine wichtige Rolle
Nun dürfte das Phänomen Digitalisierung im Allgemeinen inzwischen hinreichend erörtert sein. Die IBM-Studie bereichert die Debatte darüber aber um eine sehr klare Quintessenz - und sie beleuchtet vorhandene Sollbruchstellen. Jene etwa, dass die Firmen immer noch nicht so recht zu wissen scheinen, was sie mit Social MediaSocial Media anfangen sollen. Alles zu Social Media auf CIO.de
Nur 38 Prozent versuchen derzeit, Kunden fürs Social Business zu gewinnen. Das ist ein schlechter Wert im Vergleich zu den rund 80 Prozent, die schneller auf neue Trends reagieren und unerfüllte Kundenwünsche identifizieren wollen. In Ergänzung zur IBM-Studie arbeitet Forrester Research Digitalisierungsfragen anhand eines Praxisbeispiels auf. Ken Grady, CIO von New England Biolabs, gewährte die Einblicke.
Für IBMIBM tat das, wenngleich weniger detailliert, Enrico Lardelli, ehemaliger CIO von PostFinance aus der Schweiz. "Eine große Chance liegt aus unserer Sicht in der Etablierung neuer Geschäftsmodelle und neuer digitaler Dienste", so Lardelli. "Wir investieren in digitale Geldbeutel, digitale Güter und mobiles Banking." Alles zu IBM auf CIO.de
CMOs wollen jedes Customer Interface prüfen
Wie aus der Studie hervorgeht, fordern insbesondere CMOs digitale InnovationInnovation ein. "Sie wollen jeden Aspekt des Customer Interface überprüfen", so IBM. Die digitalen Ambitionen der Marketingchefs umfassen zuvorderst die Integration von Touchpoints über sämtliche Kanäle hinweg, Analytics als Erkenntnisquelle über die Kunden und soziale NetzwerkeNetzwerke als Collaboration-Instrument. In drei bis fünf Jahren soll das weitgehend vorhanden sein. Zurzeit ist dies nur in jedem fünften Unternehmen der Fall, wenn überhaupt. Alles zu Innovation auf CIO.de Alles zu Netzwerke auf CIO.de
Risikomanagement verliert an Gewicht
Aus CIO-Sicht wird die Marketing-Abteilung nicht nur zum Partner, sondern auch prägend für den eigenen Arbeitsalltag. 15 Prozent der IT-Chefs erwarten, in Zukunft stärker ins Customer Experience Management eingebunden zu sein. 6 beziehungsweise 2 Prozent sagen das für Aufgaben wie Sales & New Business Development und Marketing & Communication.
Dafür denken die CIOs, mit angestammten Zuständigkeiten wie Risk & SecuritySecurity, dem Management von Zulieferern und Geschäftspartner sowie insbesondere mit den IT-Systemen und ihrem Betrieb bald weniger als bisher zu schaffen zu haben. Alles zu Security auf CIO.de
Business Analytics und Front End
Vier Fünftel der IT-Chefs wollen sich laut Studie vor allem auf zwei Initiativen fokussieren: Analytics als Werkzeug, um aus strukturierten und unstrukturierten Daten bessere Informationen zu ziehen, und Implementierungen von ToolsTools, Prozessen und Technologie im Front Office zur besseren Verzahnung mit den Kunden. Investitionen in mobile Lösungen und Business Analytics sind dabei für das Gros der Befragten eingeschlossen. Alles zu Tools auf CIO.de
Das IBM Institute for Business Value macht auch hier eine Sollbruchstelle aus. "Aber die CIOs erkennen auch, dass es sehr schwierig sein wird, aus den gesammelten Daten aussagekräftige und verwertbare Erkenntnisse zu extrahieren", heißt es in der Studie. "Außer sie bauen eine robustere Informationsarchitektur auf, um aus den von Big DataBig Data eröffneten Möglichkeiten Honig zu saugen." Alles zu Big Data auf CIO.de
Zerstören und Unruhe stiften
Tja, es ist bekanntermaßen nicht leicht, inmitten des digitalen Umbruchs CIO zu sein. Einen Weg zum Erfolg weist Forrester Research in einer aktuellen Studie auf der analytischen Ebene und unterfüttert das Ganze sogleich mit einem Praxisbeispiel. Gesucht ist nach Meinung der Analysten der "Disruptive CIO". Übersetzen müsste man das mit zerstörend und Unruhe stiftend. Gemeint ist ein IT-Chef, der sich nicht an überholte Strukturen klammert und die digitalen Herausforderungen annimmt.
Forrester: 3 Prioritäten
Forrester formuliert drei Kernelemente dieses Anforderungsprofils: Erstens gilt es, die Betriebsabläufe und das Personal in Richtung Agilität zu manövrieren. Zweitens sei eine kompetitive Haltung zu etablieren, um Innovationen auf der Produkt- und auf der Prozessebene voranzutreiben. Dazu sei ein aggressiver Innovator gefragt, der zu Veränderungen lieber ja statt nein sagt. Drittens benötige man einen Ansatz, der den Kunden in den Mittelpunkt rückt.
Das Anwenderbeispiel New England Biolabs
Was da heißt, veranschaulicht das Beispiel von New England Biolabs (NEB), ein Anbieter von Reagenzien für die genetische Forschung und für Testlabore. Das Geschäftsmodell sah früher im Wesentlichen so aus, dass an Standorten mit entsprechenden Instituten ein lokaler Kühlraum eingerichtet wurde. Schloss das NEB-Personal vor Ort abends ab, hatten die Wissenschaftler keinen Zugang mehr zu den manchmal eben dann benötigten Materialien.
Einen Überblick, welche Forscher gehäuft welche Reagenzien benutzten, hatte NEB nicht. Es fehlte auch an Kontrolle über ausverkaufte Chemikalien, so dass es immer wieder zu Engpässen und Lieferschwierigkeiten kam.
Schulterschluss mit dem CMO
CIO Ken Grady machte sich laut Forrester im Schulterschluss mit seinem CMO an die Lösung dieser Probleme. In einem digitalen Freezer-Projekt folgte man den von den Analysten hochgehaltenen Grundprinzipien der Priorisierung des Kundenerlebnisses und der digitalen Exzellenz im Betrieb.
Konkret wurde der Vertriebsprozess digitalisiert und personalisiert. Mit Hilfe von mit dem Internet verbundenen Gefrierkammern kann NEB jetzt nachvollziehen, welcher Forscher welche Reagenzien in welchem Umfang benötigt. Lieferengpässe können auf dieser Grundlage umschifft werden; Angebot und Nachfrage sind mittlerweile gut aufeinander abgestimmt.
Das Front End verbessert
Um das Front End aufzurüsten, implementierte NEB Salesforce CRMCRM; Vertrags-, Produkt- und Preisinformationen wurde in die Salesforce.com-Cloud migriert; Dienstleister Ionia übernahm die Datenintegration von der Salesforce Sales Cloud und der Salesforce Service Cloud. Eingebaut ins Front End wurde eine mobile App, mit deren Hilfe sich die Kunden jetzt selbst an den smarten Gefrierkammern bedienen können. Alles zu CRM auf CIO.de
Zentral für das Gelingen des Projektes war bei NEB, dass sich die IT klare Ziele setzte. Binnen 100 Tagen sollte die erste digitale Kühlkammer im Einsatz sein; Schnelligkeit war also Trumpf. Die Kollegen aus der Marketingabteilung sorgten im Back End dafür, dass das Feedback der Kunden zügig aufgenommen werden konnten und Support-Bedarf erkannt wurde.
"Das Marketing- und das IT-Team waren so in der Lage zur Zusammenarbeit", so Forrester. "Sie teilten ihre Erfahrung, um ein ganzheitliches Bild davon zu gewinnen, wie die Kunden das Projekt annahmen, wo Schwierigkeiten lauerten und wie man sich am besten verbessern konnte."
Rückschläge mit einkalkulieren
Die Analysten betonen, dass die digitalen Gefrierkammern für Grady und NEB nur ein erster Schritt einer umfassenden digitalen Strategie sind, die sich in den kommenden Jahren entfalten soll. Den Anwendern empfiehlt Forrester ohnehin, auch mit kleinen Lösungen in den digitalen Weg zu starten und Schritt für Schritt zu agieren.
Dass man gerade anfangs auch mal ins Stolpern geraten kann, müsse man einkalkulieren. So musste auch NEB ein komplettes Redesign der mobilen App in Kauf nehmen, nachdem sich zu viele Unzulänglichkeiten in der ersten Version offenbar hatten.