Die SAP-Baustellen
Der Druck bei SAP steigt
Vorstandschef Christian KleinChristian Klein muss bei dem Dax-Schwergewicht die Wende zu schnellerem Wachstum schaffen und die Profitabilität wahren - der Abgang des Topmanagers Luka Mucic liegt den Anlegern dabei schwer im Magen. Was in Walldorf los ist, was Analysten sagen und wie die Aktie läuft. Profil von Christian Klein im CIO-Netzwerk
Zu den ohnehin schon drängenden Baustellen bei SAPSAP kommt eine weitere heikle hinzu: Kürzlich kündigte der langjährige Finanzchef Mucic seinen Abschied für kommendes Jahr Ende März an. Damit wird aus Investorensicht eine Konstante wegfallen, denn Mucic führt das Ressort seit Mitte 2014. Zwar war die Phase auch aus Anlegersicht durch Höhen und Tiefen gekennzeichnet, Mucic gilt in Finanzkreisen aber als ausgewiesener Zahlenexperte. Außerdem kennt er sich auch mit der nicht gerade übersichtlichen Produktpalette des Konzerns gut aus. Alles zu SAP auf CIO.de
Zudem hat Mucic die Verantwortung für die Software zur Geschäftsprozessanalyse in seiner Hand. Diese Softwarekategorie, die Unternehmen die Analyse und das Vereinfachen der täglichen Abläufe ermöglichen soll, gilt als wachstumsstarker Bereich bei Unternehmenssoftware. Auch Klein will dort deutlich stärker punkten. SAP gönnte sich 2021 mit den Berlinern von Signavio einen Zukauf in dem Segment für rund eine Milliarde Euro, auch um mit dem deutschen Vorreiter Celonis mithalten zu können.
SAP vor Umbau der Konzernführung
Klein steht nun vor der Aufgabe, das Führungsteam des Konzerns erneut umzubauen. Im April 2020 setzte Aufsichtsratschef und Mitgründer Hasso Plattner Kleins zwischenzeitliche Co-Chefin Jennifer Morgan kurzerhand nach sechs Monaten wieder vor die Tür. Auch seitdem gab es personelle Führungswechsel. Klein ist seit 2018 im Vorstand.
Der Manager hat aber auch im Tagesgeschäft noch einiges zu tun. Klein hat sich zum Ziel gesetzt, den Flickenteppich an Programmen zu verzahnen und den Kunden auch eine einheitliche Datenbasis für die Produkte anzubieten. Nach seinem Bekunden ist das inzwischen weitgehend erledigt. Sein zweites Großprojekt: Die zaudernden Kunden schneller zum Umstieg auf die Nutzung der Software über das Netz im Abonnement zu bewegen. Das lastet zwar zunächst auf der Profitabilität, soll aber mit der Laufzeit der Verträge die Gewinne nach oben treiben. Dafür kassierte Klein im Herbst 2020 sogar das Versprechen an die Investoren, die operative Marge in den kommenden Jahren deutlich zu steigern.
Klein ersann vergangenes Jahr unter dem Namen "Rise" ein neu zusammengeschnürtes Cloud-Programmpaket, das den Kunden den Einstieg schmackhafter und einfacher machen soll. Dadurch rechnet er sich einen Umsatzsprung bei Cloudsoftware auf 22 Milliarden Euro bis 2025 aus nach erst 9,4 Milliarden im vergangenen Jahr.
Kunden verschmähen "Rise"
Doch mit dem Angebotsbündel hat das Unternehmen so seine liebe Mühe, die Kunden werden nicht so recht warm mit dem Paket. Zeigte sich die mächtige Kundenorganisation DSAG (Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe) schon 2021 skeptisch, so sei aktuell noch immer deutliche Zurückhaltung zu spüren, teilte die Organisation vergangene Woche mit. In seinem Investitionsreport berichtete der Verein, das Wissen über "Rise" sei ausbaufähig. Insgesamt 60 Prozent der Befragten hätten zwar schon von dem Angebot gehört, seien damit aber noch nicht vertraut.
Für SAP ist es wichtig, dass die Kundschaft das Kernstück des SAP-Angebots, die Betriebssteuerungssoftware S/4 Hana, auch in der Cloud-Version akzeptiert und anwendet. Denn ohne den großen Wachstumshebel bei der Stammkundschaft dürfte SAP das Erlösziel kaum schaffen. Viel Arbeit also für das Vertriebsteam, weswegen das Management die Verkäuferinnen und Verkäufer von SAP-Software auch mit entsprechend höheren Erfolgsanreizen locken will.
Salesforce steht schon dicht hinter SAP
Die Konkurrenz sitzt SAP im Nacken. Das Unternehmen rühmt sich oft als Weltmarktführer für Unternehmenssoftware. Doch wenn es nach Analystenschätzungen geht, dann ist der US-Erzrivale Salesforce den Walldorfern bereits gefährlich nah auf den Fersen. Demnach würde SAP dieses Jahr auf 29,5 Milliarden Euro Erlös kommen, Salesforce auf umgerechnet 29,1 Milliarden Euro (32,1 Mrd Dollar). So oder so: Die Wachablösung kommt eher früher denn später, denn Salesforce peilt deutlich stärkeres Wachstum an über die nächsten Jahre, insbesondere nach dem Zukauf des Büro-Messengerdienstes Slack.
Kleins Vorgänger Bill McDermott zauberte zur Ankurbelung des Wachstums des Öfteren milliardenschwere Überraschungskäufe aus dem Hut. Aktuell ist die Maßgabe des Managements, nur abrundende Zukäufe zu tätigen. Doch derzeit sind mit der Marktschwäche von Tech-Werten womöglich auch aussichtsreiche Start-Ups günstiger zu haben.
Die Geschäfte in Russland hat SAP derweil wegen des russischen Kriegs gegen die Ukraine weitgehend eingestellt. Nach starker Kritik aus dem angegriffenen Land rangen sich die Walldorfer jüngst nun auch dazu durch, die Softwarenutzung der Cloud-KundenCloud-Kunden in Russland zu stoppen, nachdem das Neugeschäft bereits zuvor ausgesetzt war. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de
Das sagen Analysten
Mit dem überraschenden Abgang von Mucic dürften Investorensorgen um einen erneuten Kurswechsel bei den Mittelfristzielen wieder aufflammen, schrieb UBS-Experte Michael Briest. Mucic selbst hatte jüngst angedeutet, dass sich die für 2021 und 2022 angekündigten Investitionen in die Cloud auch bis ins Jahr 2023 ziehen könnten.
Sollte der Zuspruch der Kunden für die zentralen Softwarepakete aus der Cloud stark sein, könnte das auch zu höheren Wachstumsraten und in der Folge niedrigeren Margen in der Sparte führen, zitiert Briest den Finanzchef auf einer Investorenveranstaltung. Auch die unklare Nachfolge und der Fakt, dass Mucic nahezu die gesamte Kommunikation mit den Investoren abgewickelt habe, könnte zu weiterer Unruhe beitragen, schrieb der Analyst.
Investoren verunsichert
Barclays-Experte James Goodman wertete den Abschied von Mucic als "erheblich negativ". Die Anlage in SAP-Aktien hänge vom Erreichen der Mittelfristziele 2025 ab. Er gehe davon aus, dass der Markt SAP nun weniger Ambitionen in der Richtung beimesse. Er sei sehr enttäuscht. Wegen des großen strategischen und finanziellen Umsteuerns 2020 sei der Abgang des Finanzchefs in besonders schwerwiegend. Neben den Perspektiven für die Cloud würden Investoren auch die aktienbasierte Vergütung der Mitarbeiter und Manager sowie die Entwicklung des Free Cashflow verstärkt hinterfragen.
Goldman-Sachs-Analyst Mohammed Moawalla weist in seiner jüngsten Studie daraufhin, dass für ihn weitere Wechsel im Management ein Risiko für die SAP-Aktie darstellten.
Die seit den Jahreszahlen von dpa-AFX erfassten Analysteneinschätzungen zeichnen ein klares Bild: Elf von 13 Analystinnen und Analysten sind für "Kaufen", lediglich zwei Stimmen raten zum "Halten" des Papiers. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei 137,25 Euro.
Das macht die Aktie
Nach dem starken Rücksetzer um bis zu gut einem Fünftel an einem einzigen Tag im Oktober 2020, als Klein die mittelfristigen Margenversprechen von McDermott kassierte, konnte die Aktie sich peu a peu wieder festigen. Im November 2021 erreichte das Papier sein Zwischenhoch bei knapp unter 130 Euro und lag damit wieder über dem Niveau von vor dem Einbruch.
Insbesondere in diesem Jahr allerdings sieht es nicht gut aus. Die Aktie hat fast 20 Prozent Kursminus eingefahren und gehört damit zu den schwächeren Dax-Werten. Unter anderem sorgte eine enttäuschende Prognose für die Entwicklung des Barmittelzuflusses für Druck auf die Aktie. Generell haben sich Investoren in den vergangenen Wochen mit der Aussicht steigender Zinsen ein wenig von der großen Euphorie um Wachstumswerte verabschiedet. Das bekam auch Konkurrent Salesforce zu spüren, dessen Aktien seit Jahresbeginn um 16 Prozent nachgaben.
US-Wettbewerber weisen größere Marktkapitalisierung vor
Derzeit pendelt das SAP-Papier um die 100 Euro. Damit ist SAP an der Börse 124 Milliarden Euro wert. Den Spitzenplatz im Leitindex mussten die Walldorfer längst an den Gasekonzern Linde abgeben, der es auf 146 Milliarden Euro bringt.
Zum Vergleich: US-Software-Konkurrent Oracle kommt bei der Marktkapitalisierung auf 220 Milliarden Dollar (200 Mrd Euro), Salesforce auf 208 Milliarden Dollar (189 Mrd Euro).
Langfristig ist SAP an der Börse immer noch eine Erfolgsgeschichte. Gegen Ende des vorigen Jahrzehnts 2010 war das Papier um die 35 Euro wert. Im September 2020 erreichte die Aktie ihr Rekordhoch bei über 143 Euro. (dpa/rs)