Strategien


Heathrow London

Der Heathrow Airport-CIO stellt die IT neu auf

Tom schreibt als freier Autor für unsere UK-Schwesterpublikation Computerworld.
CIO Stuart Birrell des Heathrow Airport in London hat das IT-Betriebsmodell neu strukturiert und einen digitalen Workplace entwickelt. Außerdem arbeitet er an Blockchain-Szenarien und biometrischen Verfahren.
  • Durch Insourcing und Auflösen alter Outsourcing-Verträge hat der CIO neue Freiheiten gewonnen.
  • Die IT hat sämtliche Workflows der Mitarbeiter in die Cloud gelegt.
  • CIO Birrell hält sehr viel vom Einsatz biometrischer Verfahren. In 90 Prozent der Fälle arbeite die Technik einwandfrei.

Stuart Birrell, CIO des Flughafens Heathrow, ist von der Innovationskraft des neuen IT-Betriebsmodells überzeugt. Wichtigster Aspekt: Der IT-Chef hat IT-Services wieder von Dienstleistern zurückgeholt und sich von monolithischen Outsourcing-Verträgen getrennt.

Der Heathrow Airport gilt als verkehrsreichster Flughafen Großbritanniens.
Der Heathrow Airport gilt als verkehrsreichster Flughafen Großbritanniens.
Foto: Heathrow Airports Limited

Birrell arbeitete 2008 bis 2011 als CIO beim Gatwick Airport. Dort unterstützte er den Aufbau einer eigenständigen IT-Funktion. Als der Flughafen verkauft und von seinem Betreiber BAA getrennt wurde, wechselte er - ebenfalls als CIO - für vier Jahre zu McLaren. 2015 kam er zum Heathrow Airport.

Täglich 200.000 Passagiere und 1.300 Flüge

Auf dem verkehrsreichsten Flughafen Großbritanniens, der 78 Millionen Passagiere pro Jahr befördert, unterstützen die Systeme den Informationsfluss zwischen 76.500 Mitarbeitern in 400 verschiedenen Unternehmen. Im Schnitt sind pro Tag mehr als 200.000 Passagiere auf 1.300 Flügen unterwegs.

"Das sind viele Informationen", sagt Birrell gegenüber unserer Schwesterpublikation CIO UK. "Wir müssen viele Daten orchestrieren, etwa, wo die Passagiere hingehen, woran sie vorbeigehen, wohin ihr Gepäck hin befördert wird. Wie leiten wir sie durch die Terminals, wie bringen wir sie und ihr Gepäck durch die Sicherheitskontrollen? Die ganze Technologie dahinter hängt von mir ab."

Insourcing

Diese Anforderungen veranlassten Birrell, das IT-Betriebsmodell von Heathrow umzugestalten. Durch das Auflösen der vorherigen Outsourcing-Verträge und das Wiedergewinnen der Service-Expertise hat Heathrow seine Investitionen verdoppelt. Der Flughafen schafft ein neues Innovations-Ecosystem, um seine Herausforderungen zu bewältigen.

Zusätzliche Unterstützung verspricht sich Birrell von der Einführung des digitalen Arbeitsplatzes. Dieser besteht aus Office 365Office 365, Windows 10 und der Migration aller Workflows sämtlicher Heathrow-Kollegen in die Cloud. Ziel ist ein flexibles Arbeitsumfeld, in dem alle Mitarbeiter neue Dienstleistungen für die Passagiere entwickeln. Alles zu Office 365 auf CIO.de

"Man braucht keine IT, um Apps zu erstellen"

So hat ein Sicherheitsbeauftragter im Team, der kürzlich in die IT-Abteilung geschickt wurde, die PowerApps-Funktion von Office 365 genutzt, um eine Reihe von Anwendungen zu erstellen - einschließlich eines Übersetzungsdienstes für Sicherheitsregeln. Dieser hat sich als so effektiv erwiesen, dass Microsoft den Mann zu einer öffentlichen Diskussion mit CEO Satya Nadella eingeladen hat.

"Er sieht jetzt im gesamten Unternehmen, wie sich das Tagesgeschäft für seine Sicherheitskollegen verändert", sagt Birrell. "Es ist fantastisch. Und das ist die Stärke dieser neuen digitalen Tools. Man braucht keine IT, um Apps zu erstellen."

Einen "Insights Hub" aufgebaut

Das Team um den CIO hat auch auf Microsofts Azure Cloud einen "Insights Hub" aufgebaut, der Power BI nutzt, um Echtzeit-Insights zu liefern. Damit will das Team den Ressourcen-Einsatz optimieren und mit Predictive Analytics vorhersagen können, wann ein Flug verspätet sein wird.

Solche Informationen helfen dabei, den Transfer von Passagieren, die Personalausstattung, die Verpflegung und Reinigung mit Fluggesellschaften sowie Abfertigungsagenten und Grenzbehörden zu koordinieren.

Stuart Birrell, CIO Heathrow Airport, bekommt täglich etwa zehn Millionen Nachrichten in seinen ESB (Enterprise Service Bus).
Stuart Birrell, CIO Heathrow Airport, bekommt täglich etwa zehn Millionen Nachrichten in seinen ESB (Enterprise Service Bus).
Foto: Heathrow Airports Limited

"Wir haben eine Menge Integrations- und Koordinationsaufwand", sagt Birrell. "Ich bekomme täglich etwa zehn Millionen Nachrichten in meinen ESB (Enterprise Service Bus). Jeder Passagier, jeder Koffer und jede Bewegung durchläuft den ESB, und ein großer Teil dieser Informationen wird mit den Fluggesellschaften geteilt."

Birrell weiter: "Die Flugpläne kennen wir. Aber wir wissen nicht, wie voll jeder Flug ist, daher bekommen wir von den Fluggesellschaften eine Vorplanung und Prognose. Wir wenden unsere eigene Intelligence Analytics an, um herauszukriegen, wann Passagiere wahrscheinlich auftauchen werden. Hier kommt Machine LearningMachine Learning ins Spiel. Wir wollen unsere Qualitätsvorgaben einhalten." Alles zu Machine Learning auf CIO.de

Kommunikation innerhalb des großen Unternehmens

Birrell musste ein komplexes IT-Betriebsmodell neu gestalten und gleichzeitig sicherstellen, dass die bestehenden Dienste wie gewohnt funktionieren. "Das ist keine Aufgabe von sechs Wochen - es ist eine Aufgabe von zwei Jahren", sagt Birrell offen. "Sie müssen das Vertrauen der Menschen gewinnen, sowohl im eigenen Team, als auch über die gesamte Organisation hinweg. Sie hoffen, dass Sie das Richtige tun und die Kontrolle behalten."

Störungen unter Kontrolle behalten

Manchmal müssen die Systeme auch Vorfälle managen, die außerhalb der Kontrolle von Heathrow liegen. Im Sommer 2017 zwang ein IT-Störfall bei British Airways die Fluggesellschaft, 726 Flüge zu stornieren. 75.000 Passagiere strandeten. Der Flughafen musste die Auswirkungen auf seine eigenen Dienste bewältigen und seine integrierten Daten neu synchronisieren.

"Wenn Sie es mit einer Viertelmillion Passagieren an einem Tag zu tun haben, und wenn dann plötzlich ein Problem auftritt, kann das sehr, sehr schnell außer Kontrolle geraten. Das haben wir bei einigen der großen Vorfälle in der Vergangenheit gesehen. Also stellen wir sicher, dass wir Notfallpläne haben, die sowohl auf die Technologie als auch auf das Business ausgerichtet sind", sagt Birrell. "Damit verhindern wir nicht unbedingt, dass etwas schief geht. Es geht darum, Störungen so in den Griff zu kriegen, dass sich die Auswirkungen auf den Fluggast minimieren."

Die Entscheider kennen die Flugpläne, wissen aber nicht, wie voll jeder Flug ist. Intelligence Analytics sollen helfen.
Die Entscheider kennen die Flugpläne, wissen aber nicht, wie voll jeder Flug ist. Intelligence Analytics sollen helfen.
Foto: Heathrow Airports Limited

Um sicherzustellen, dass sich die Mitarbeiter über solche Probleme austauschen können, wurde ein neues WiFi-System am gesamten Flughafen eingeführt. Das alte Intranet wurde durch den "HUB+" Online-Collaboration-Raum ersetzt, auf den die Mitarbeiter von jedem Gerät aus zugreifen können.

Social Media wird zum Kommunikationskanal

Diese neue Struktur hat erstmals alle Mitarbeiter im gleichen Kommunikationssystem zusammengeführt. "Wir gehen zu einer stärker auf Social Media basierenden Zusammenarbeit über und weg von dem alten traditionellen Unternehmensumfeld", sagt Birrell. "Das wurde unglaublich schnell akzeptiert, und es tun sich ganz neue Kommunikationskanäle zwischen Managern und ihren Teams auf, ebenso innerhalb und zwischen den Teams. Das hat sehr dazu beigetragen, den Teamgeist zu steigern. Und es steigert die Effizienz, wenn Kollegen auf Unternehmensinformationen zugreifen können."

Der Flughafen Heathrow London in der Zukunft

Birrell hat auch eine Innovationszentrale entwickelt, um das digitale Denken im gesamten Unternehmen zu integrieren. Derzeit untersucht er eine Reihe neuer Technologien. So hat sich sein Team mit Blockchain-basierten digitalen Identitäten beschäftigt und autonome Fahrzeuge auf dem Rollfeld getestet. Bei Letzteren hat sich aber gezeigt, dass in der Fernsteuerung mehr Potenzial steckt. Das Team ist gerade dabei, ein Virtual-Reality-Trainingssystem auf den Markt zu bringen.

Außerdem testen die Mitarbeiter 3D-Röntgenscanner. Diese sollen Gegenstände überprüfen können, ohne dass Flüssigkeiten und Laptops aus dem Gepäck entfernt werden müssen.

Biometrie besser als ihr Ruf

Ein weiteres Thema ist die Arbeit an einer biometrischen Identität, die grenzüberschreitend funktionieren soll. "Es gibt einige Standorte, die sich mit Biometrie beschäftigen, aber all diese Bemühungen bleiben lokal. Was wir versuchen, ist eine Zusammenarbeit mit den Regierungen Großbritanniens und der USA und der IATA (International Air TransportTransport Association) Fluggesellschaft, so dass wir tatsächlich etwas haben, das für die Gemeinschaft funktioniert und nicht nur für Heathrow", sagt Birrell. Top-Firmen der Branche Transport

CIO Birrell will die Abläufe im Flughafen aus Kundensicht verstehen und verbessern.
CIO Birrell will die Abläufe im Flughafen aus Kundensicht verstehen und verbessern.
Foto: Heathrow Airports Limited

Er führt weiter aus: "Denn wenn Sie eine Reise unternehmen, gibt es zwei Flughäfen und zwei Regierungen und eine Fluggesellschaft auf der Reise. Aus Passagiersicht ist nicht zu verstehen, dass eine Identität, die in Großbritannien akzeptiert wird, nicht auch in den USA oder der EU akzeptiert wird. Was wir also tun müssen, ist, sicherstellen, dass eine gemeinsame Lösung mit den richtigen Daten und Standards entsteht."

Heathrow verwendet Biometrie seit einem Jahrzehnt und setzt sie dieses Jahr beim Self-Boarding ein. Laut Birrell werden alle Probleme mit dem System in der Regel durch das Verhalten der Passagiere verursacht, etwa wenn diese zu schnell durch die Gates wollen oder auf ihr Smartphone schauen.

"Es ist eines dieser Dinge, die große Erwartungen wecken und in der Realität wegen der Verarbeitung hoher Passagierzahlen nicht einfach umzusetzen ist", sagt Birrell. "Ausgeklügelte Algorithmen und Management können neunzig Prozent davon problemlos bewältigen, aber zehn Prozent werden zu einer echten Herausforderung. Wir müssen sicherstellen, dass diese zehn Prozent nicht die Erfahrung der anderen neunzig Prozent überrollen. "Sie müssen diesen Prozess aus Passagiersicht gestalten. Die Technologie ist eigentlich relativ einfach. Sie ist ziemlich ausgereift und kann die Effizienz steigern."

Birrell schließt: "Aus unserer Sicht geht es stets um den Nutzen des Passagiers, und das braucht Zeit und Erfahrung und Feedback und Versuche und Tests, genau wie alles andere in diesem Bereich. Wir arbeiten technologiebasiert, müssen uns aber auf den Kunden ausrichten, damit es funktioniert."

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