Freiberufler mit Wut im Bauch
Der steinige Weg zum nächsten Auftrag
Ich fasse nochmals nach, da mich der Job reizt und verhandle folgendes Angebot: Ich komme am Mittwoch, 23.1., zu einem Präsentationstermin nach Hamburg und am Donnerstag, 24.1., um 13:00 Uhr habe ich ein Telefoninterview mit dem anderen Abteilungsleiter aus München. Insgeheim freue ich mich, da ich mir so beide Optionen offen halten kann. Als ich gerade auf dem Weg nach Heidelberg bin, erhalte ich einen Anruf vom Personalvermittler Nr. 2. Der Kunde hat es sich anders überlegt. Aus Gerechtigkeitsgründen möchte er jetzt doch kein Telefoninterview, sondern will mich noch mal persönlich am Montag in München sehen.
- Was sind die wichtigsten Herausforderungen für IT-Freiberufler?
Dafür befragte die COMPUTERWOCHE 1.096 IT-Selbständige. Diese waren im Schnitt 47 Jahre alt, neun von zehn Befragten sind männlich. Drei Viertel sind in der Beratung tätig, fast jeder Zweite im IT-Projektmanagement. 38 Prozent der Freelancer beschäftigen sich mit Entwicklung, jeder Dritte übernimmt Coaching-Aufgaben. Rund ein Fünftel arbeitet in Administration und Support, mit Datenbanken oder in der Qualitätssicherung. - Die Planbarkeit von Anschlussprojekten ...
... ist für jeden zweiten Freiberufler nach wie vor die größte Herausforderung. - Aber auch die Verhandlungen von Stundensätzen ...
... beanspruchen 44 Prozent der befragten IT-Freiberufler. - Hoher Reiseaufwand ...
... beziehungsweise ein weit entfernter Projekteinsatzort macht 34 Prozent der IT-Freiberufler zu schaffen. Für die meisten Kunden ist es selbstverstänlich, dass Freiberufler immer vor Ort arbeiten. - Für regelmäßige Weiterbildung ...
... fehlt jedem dritten Freiberufler die Zeit, so eine weitere Herausforderung. - Hohe Arbeitsbelastung ...
... nennen 32 Prozent der befragten IT-Freiberufler als Herausforderung. - Hohe Weiterbildungskosten ...
... belasten 27 Prozent der befragten IT-Freiberufler. - Gesetzliche Vorschriften und Regelungen, ...
... etwa zur Scheinselbständigkeit erschweren 23 Prozent der befragten IT-Freiberufler die Arbeit. - Hohe fachliche Anforderungen ... durch Projekte
... empfindet jeder fünfte IT-Freiberufler als Herausforderung. - Dass Kunden Projektreferenzen freigeben ...
... und damit dem IT-Freiberufler einen Leistungsnachweis für die nächste Akquise geben, passiert anscheinend nicht immer. Für 11 Prozent der IT-Freiberufler ist das ein Problem. - Flaute oder zu wenig Projektaufträge ...
... sind für zehn beziehungsweise 27 Prozent der befragten IT-Freiberufler ein Problem.
Moment mal! Für einen Auftrag, von dem ich nicht mal weiß, ob ich ihn bekomme, werde ich auf eigene Kosten durch die Republik gejagt, während Monsieur Personalvermittler im warmen Büro sitzt? Aber was hilft es? Wenn ich einen neuen Auftrag haben möchte, muss ich wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Nachdem Heidelberg nicht so gut gelaufen ist, surfe ich im Internet. Ein Flug nach München kostet wegen der kurzen Vorausbuchungsfrist 700 Euro. Eine Bahnfahrt kostet nur 239 Euro. Mir graut schon jetzt vor sechs Stunden Bahnfahrt, einfache Strecke.
Ich stehe am Montag extra früh auf und bin gegen 7:00 Uhr auf dem Bahnsteig. Mein Zug soll um 7:21 Uhr fahren, hat aber über eine Stunde Verspätung. Aber ich habe Glück. Da ja alle Züge eine Stunde Verspätung haben, fährt der Zug, der eigentlich um 6:21 Uhr fahren sollte, gerade in den Bahnhof ein. Ich überlege nicht lange und steige ein. Meine Reservierung nützt mir jetzt nichts mehr. Der Zug ist bis auf den letzten Platz voll. Es kommt echt indisches Feeling auf. Mit viel Glück finde ich noch einen Platz und bin auch pünktlich bei meinem Gespräch. Nach einer Stunde Gespräch darf ich auf dem Heimweg noch mal sechs Stunden den ganzen Weg wieder zurück fahren.
29 Stunden Fahrt für zwei Aufträge
Ich fasse zusammen:
Personalvermittler 1: Fahrt mit dem Auto nach Heidelberg und zurück: 7 Stunden und Sprit
Personalvermittler 2: Fahrt mit dem Auto nach Hamburg und zurück: 9 Stunden und Sprit; Fahrt mit der Bahn nach München und zurück: 13 Stunden und 239 Euro
Nur bei einem der drei Termine glänzte der Personalvermittler durch Anwesenheit im Präsentationstermin. Es bleibt daher die Frage: Wie viel Idealismus muss ein Freelancer haben, um das mitzumachen? Wieso werden Freelancer wie selbstverständlich durch die Republik gejagt, während der Personalvermittler im warmen Kämmerlein sitzt?
Dieser Artikel stammt aus dem IT-Freelancer-Magazin.