Work Life Balance

Der tägliche Balance-Akt

Achim Molbach, Coach Kienbaum Management Consultants: "Die Versklavung an den Blackberry schafft vor allem Mehraufwand, obwohl eine Zeit etwa im Zug gut zur Erholung genutzt werden kann."
Achim Molbach, Coach Kienbaum Management Consultants: "Die Versklavung an den Blackberry schafft vor allem Mehraufwand, obwohl eine Zeit etwa im Zug gut zur Erholung genutzt werden kann."

Da passt Thomas Engel gut ins Bild. Auch der Ex-CIO von Kühne + Nagel hat seinen Job, den er "24 Stunden am Tag" erledigt hat, immer gerne gemacht und als "Herausforderung" angesehen. Auch an einem 25. Dezember, als er sein Handy versehentlich nicht ausstellte und "ein Kunde aus dem arabischen Raum" bei ihm anrief. "Weihnachten", fragte der, "was ist das?" Die Hälfte seiner Arbeitszeit war Engel unterwegs. "Ich habe aus dieser Zeit viel mitgenommen, viel erreicht", resümiert er heute. Und doch nagt das enorme Pensum an Körper und Geist.

Halbes Jahr mit fixen Terminen voll

Michael Kastner, Organisationspsychologe Universität Dortmund: "Bei einer Halbwertszeit in der IT von 17 Monaten ist es für ein CIO auch mal angesagt, die alte stabile Lösung beizubehalten."
Michael Kastner, Organisationspsychologe Universität Dortmund: "Bei einer Halbwertszeit in der IT von 17 Monaten ist es für ein CIO auch mal angesagt, die alte stabile Lösung beizubehalten."

Der Wechsel vom emsigen und umtriebigen IT-Manager zum Aussteiger hat ihm entsprechend zu schaffen gemacht: "Ich musst mich bremsen, nicht zu viel zu tun." Erst acht Monate nach dem selbst gewählten Wechsel habe er sich nicht mehr gejagt gefühlt, nicht mehr jenes "drivedrivedrive" in sich gehabt, so Privatier Engel. Er kramte also Unterlagen von Management-Seminaren hervor, die er beim Handelskonzern Metro vor vielen Jahren mal besucht hatte - über Stressbewältigung, Selbstmotivation und positives Denken. Ab sofort machte er sich morgens einen sehr spontanen Tagesplan, von Basteln über Aufräumen bis hin zu Fitness. "Vorher hatte ich extrem geplante Jahre", sagt Engel, "das halbe Jahr war ja im Voraus mit Group-Meetings, IT-Meeting und anderen festen regelmäßigen Treffen schon ‚rum." Komplett fremdbestimmt. Heute hält sich Engel einen Tag in der Woche völlig frei. "Da bin ich zum ersten Mal einfach aufs Motorrad gestiegen - ziellos!", überrascht sich Engel selbst.

Work Life Balance ist offenbar bei allen großen Konzernen heute ein Thema. Arbeiten von zu Hause aus, flexible Arbeitszeiten, Job-Sharing bis hin zum Sabbatical stehen bei Konzernen wie Siemens, Novartis und Porsche im Work-Life-Portfolio. Porsche bietet seinen Führungskräften zudem den "Boxenstopp", einen dreitägigen Klinikaufenthalt zusammen mit Partnern oder Partnerinnen an. Hier können sich die Top-Leute der Firma Tipps zu Ernährung, zum Umgang mit Stress und zur Fitness abholen. "Das haben schon viel wahrgenommen - ich auch", sagt Sven Lorenz, CIO von Porsche. Konzerne müssen in ihr Humankapital investieren. Sonst versiegt es.

Im Arbeitsalltag steht der Manager mit seinen Problemen dennoch allein da. Achim Mollbach von Kienbaum kennt die Nöte der Top-Klientel. Der Bereichsleiter und Coach bei Kienbaum Management Consultants rät zu Erholungspausen im Alltag: "Es gibt Manager, die viel reisen und immer Wanderstiefel oder Sportsachen dabeihaben", sagt Mollbach, der dafür plädiert, flexible Feierabende einzuführen und während des Tages immer mal wieder eine halbe Stunde Pause einzulegen. Dazu seien "Leerlaufzeiten" im Tagesablauf sehr gut geeignet. Reisezeiten ließen sich besser so nutzen, statt jederzeit und überall mit dem BlackberryBlackberry erreichbar zu sein und so einem übertriebenen Kontrollbedürfnis nachzugeben. "Die Versklavung an den Blackberry schafft vor allem Mehraufwand, obwohl eine Zeit etwa im Zug gut zur Erholung genutzt werden kann", so Mollbach. Alles zu Blackberry auf CIO.de

Nach Rüdiger Buchkremer, ehemaliger CIO beim Pharmakonzern Altana Pharma in Konstanz, hat gutes Management nichts mit viel Arbeit zu tun. Buchkremer wechselte 2004 als Professor zur Hochschule für Technik und Wirtschaft nach Chur in die Schweiz. "Ich hatte keine 80-Stunden-Wochen", sagt Buchkremer, "es geht vor allem darum, schnell Entscheidungen zu treffen und zu delegieren." Dazu sei es wichtig, die Leute gut zu kennen, denen man die Aufgaben anvertraut. "Es gab Kollegen, deren Abteilung nur das verlassen hat, was sie vorher auf seinem Tisch hatten", beobachtet Buchkremer, der sich selbst in der Anfangszeit bei Altana dabei erwischt hat, "für vier Stunden nach Kanada zu fliegen und bei vielen Besprechungen dabei zu sein. "Sie müssen Vertrauen zu ihren Mitarbeitern aufbauen und sich Zeit nehmen für eine gute Strategie", rät Buchkremer als Stressprävention.

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