Rückblick 2016
Die IT-Branche hat einige Visionäre und Pioniere verloren
Kuba trauert zum Jahresende um seinen Revolutionsführer Fidel Castro, Millionen Thailänder weinten 2016 um ihren geliebten König Bhumibol, und in der Musikszene traten etliche Ikonen von der großen Bühne ab, darunter unvergessliche Stars wie David Bowie, Prince und Leonard Cohen. Und auch die IT-Szene verlor im zu Ende gehenden Jahr einige Persönlichkeiten, die maßgeblichen Einfluss auf die IT-Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte genommen hatten.
Andrew Grove
Im März verstarb mit Andrew Grove einer der großen Visionäre des Silicon Valley. Der langjährige Chef des Halbleiter-Riesen Intel starb im Alter von 79 Jahren. Mit der Arbeit an Mikroprozessoren stand Grove an der Wiege der Halbleiter-Revolution, die in den vergangenen Jahrzehnten immer neue Geräte möglich machte.
Geboren wurde der Chip-Pionier als András Gróf 1936 in einer jüdischen Familie in Budapest. Nach der blutigen Niederschlagung des ungarischen Aufstandes von 1956 durch die sowjetischen Truppen floh er nach Österreich und vor dort aus in die USA. In New York änderte er seinen Namen in Andrew Grove, ließ sich zunächst an der Ostküste zum Chemie-Ingenieur ausbilden und zog danach an die University of California in Berkeley. Anfang der 60er Jahre ging er zur jungen Halbleiter-Firma Fairchild Semiconductors und leitete dort ein Forschungsteam, das Transistoren auf Silizium-Platten unterzubringen versuchte. Die Silizium-Chips gaben dem Silicon Valley seinen Namen.
1968 kam Grove als erster Angestellter zu Intel, das von den ehemaligen Fairchild-Kollegen Gordon Moore und Robert Noyce gegründet wurde. Zunächst leitete er die Produktion, 1987 übernahm er die Konzernführung und galt dabei als "härtester Manager Amerikas". Er akzeptierte keinen Fehler und keine Entschuldigung, hieß es damals. Ein Fehler sorgte allerdings unter Grooves Führung für die größte Krise des Chipkonzerns. 1994 produzierte Intel mit dem ersten Pentium einen fehlerhaften Chip und Grove entschied sich, ein Austauschprogramm für 475 Millionen Dollar zu starten. Nachdem die Krise durchstanden war, schrieb Grove ein Management-Handbuch mit dem Titel "Only the Paranoid Survive", bis heute ein Bestseller unter den Manager-Ratgebern.
Im gleichen Jahr wurde bei Grove Prostata-Krebs diagnostiziert. Der Manager therapierte sich selbst und besiegte den Krebs. Gleichzeitig zog er sich mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft zurück. 1998 hängte er den CEO-Job an den Nagel, blieb aber bis 2004 noch Vorsitzender des Aufsichtsrats von Intel.
Peter Naur
Gleich Anfang des Jahres verstarb im Alter von 87 Jahren der Informatiker Peter Naur im dänischen Herlev nach kurzer, schwerer Krankheit. Der im Oktober 1928 in Frederiksberg bei Kopenhagen in eine Künstlerfamilie hineingeborene Naur entwickelte bereits in der Schulzeit ein ausgeprägtes Interesse an der Astronomie. Nach seinem Studium an der Universität Kopenhagen ging der frisch gebackene Magister nach Großbritannien, wo er 1950/51 den EDSAC-Computer programmierte, um Planetenbahnen berechnen zu können - der erste Einsatz eines Computers für astronomische Zwecke.
In den folgenden Jahren rutschte Naur immer tiefer in die Computerwissenschaften. So wirkte er bei der Konstruktion des ersten dänischen Computers mit, dem Dansk Aritmetisk Sekvens Kalkulator (DASK). Darüber hinaus war er maßgeblich an der Entwicklung der Programmiersprache Algol (Kurzform für Algorithmic Language) beteiligt. 1969 wurde Naur als Professor für Computerwissenschaften an die Universität Kopenhagen berufen. Da er mit der Bezeichnung Computer Science nichts anfangen konnte, nannte das neue Fach Datalogie beziehungsweise Datalogy. In Kopenhagen lehrte Naur bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1998.
In dieser Zeit beschäftigte sich Naur früh mit dem Themengebiet rund um Künstliche Intelligenz. Er bemühte sich immer, Menschen die Angst vor intelligenten Maschinen zu nehmen, und kämpfte gegen Vorurteile an. Sein Credo: Er sei vielmehr besorgt, dass Menschen nicht mehr denken können, als dass es Maschinen gibt, die vielleicht denken.
Marvin Minsky
Kurz darauf verstarb Ende Januar im Alter von 88 Jahren Marvin Minsky, ein wichtiger Pionier für Künstliche Intelligenz (KI). Der in New York City geborene Minsky studierte in Harvard und Princeton Mathematik und wechselte 1958 an das Massachusetts Institute of Technology (MIT). Dort begründete er das Labor für Computerwissenschaften und Künstliche Intelligenz. Mit seinen beiden Werken "Society of Mind" (1986) und "The Emotion Machine" (2006) prägte Minsky entscheidend die Diskussion, was menschliche und maschinelle Intelligenz eigentlich ausmacht.
Aus seiner Sicht funktioniert das menschliche Gehirn letztlich wie ein Netz neuronaler Agenten. Prinzipielle Unterschiede in der Funktionsweise eines Computers und des menschlichen Gehirns gab es für den Forscher nicht. Minsky galt Zeit seines Lebens als Verfechter der "Harten KI" mit dem Ziel, aus dem Computer einen besseren Menschen zu machen. Der jüngeren Generation von KI-Forscher warf er vor, das große Bild aus den Augen zu verlieren und sich stattdessen in Spezialanwendungen zu verlieren.
Die Gefahr, das Supercomputer die Kontrolle übernehmen und den Menschen das Heft aus der Hand nehmen, sah Minsky nicht. Anders als in Stanley Kubricks Meisterwerk "2001: A Space Odyssey", für das Minsky als Berater tätig war. Um seinen Tod ranken sich einige Mythen. Minsky war Mitglied des Alcor's Scientific Advisory Boards, einer Gesellschaft, die sich der Konservierung Verstorbener verschreiben hat, um sie in der Zukunft wieder zum Leben zu erwecken. Ray Kurzweil, ein Schüler Minskys berichtete, Alcor habe ihn wegen des Körpers von Minsky kontaktiert. Kurzweil zufolge sei Minsky tiefgefroren worden und soll im Jahr 2045 wiederbelebt werden.