Strategien


BESCHWERDE-MANAGEMENT

Die Kunden binden

03.12.2001
Von Herta Paulus
Programme zum Abarbeiten von Beschwerden gibt es fast so viele wie notorische Nörgler. Trotzdem schlagen nur wenige Unternehmen Kapital aus den Rückmeldungen der Kunden. Die Advance Bank könnte mit den geplanten "Care Calls" eine positive Ausnahme bilden.

EIN KLASSIKER unter den Anrufen im Customer Care Center der Advance Bank ist die Frage: "Was hat die Werbung auf meinen Kontoauszügen verloren?" Wenn schon Informationen zu hauseigenen Fonds, dann bitte in knapper Form, beschwerte sich eine ganze Reihe von Kunden der Direktbank-Tochter der Dresdner Bank über die Papierflut, die mit den Konto- und Depot-Auszügen in die Briefkästen schwappte.

"Wir haben überlegt, wie man auf diese Kritik reagieren kann", sagt Heike Andrä, Managerin Customer Care. Ergebnis: Ab Anfang nächsten Jahres will sie in so genannten "Care Calls" nachfragen, ob die Beschwerdeführer mit der für sie gewählten Lösung zufrieden sind. Jede zweite Reklamation effektlos Deutsche Kunden sind kritische Kunden. Je nach Branche beschweren sich bis zu 14 Prozent aller Käufer über das von ihnen erworbene Produkt, so die Langzeitstudie "Kundenmonitor Deutschland 2001". Das Gefühl, die Kritik werde ernst genommen, vermitteln ihren Kunden allerdings nur wenige Unternehmen. Der Großteil hinterlässt mehr als fünfzig Prozent enttäuschte Beschwerdeführer - der niedrigste Wert seit Jahren. Dabei ist die Mehrzahl der Firmen eigentlich für solche Fälle gerüstet.

Eine kürzlich veröffentliche Studie der Unternehmensberatung Droege & Comp. ergab, dass fast zwei Drittel von 1800 befragten Unternehmen über ein Beschwerde-Management-System verfügt. An unterstützenden Softwaretools herrscht kein Mangel, und auch deren Leistungsumfang und Qualität lässt laut einer aktuellen Untersuchung von Mummert & Partner kaum Wünsche offen. "Wir waren positiv überrascht", bestätigt Studienbetreuer Florian Langer. Die Palette reicht von integrierten Lösungen, wie sie Clarify (seit kurzem Teil des Software-Herstellers Amdocs), Peoplesoft (Vantive), SAPSAP, Siebel oder die auf den Mittelstand spezialisierte Software-Firma Pivotal anbieten, bis hin zu Speziallösungen. Das bekannteste Standardangebot ist die Software "Sorry" von Rödl & Partner, die etwa bei Audi, Daimler-Chrysler oder der Deutschen Post zum Einsatz kommt. Meist individuelle Software im Einsatz Die meisten Unternehmen setzen aber auf individuelle Software. So auch die Advance Bank, die nach einer Auswertung von über 100000 beim Münchner Beschwerdeportal Vocatus eingegangenen Kundenstimmen die niedrigste Beschwerdequote innerhalb der Branche aufweist. Alles zu SAP auf CIO.de

Dabei gewährleistet eine 1996 zum Unternehmensstart eigens entwickelte Datenbanklösung, dass sich sämtliche Kundenkontakte über ein einheitliches Frontend bearbeitet lassen. In einem Modul zur Beschwerdebearbeitung werden die Reklamationen angenommen, kategorisiert und aktuell dokumentiert. Zusätzlich ist eine Lotus-Notes-Applikation angeschlossen, die den kompletten Beschwerde-Bearbeitungsprozess unterstützt, dokumentiert und auswertet.

Ein tägliches Ad-hoc-Reporting registriert alle Auffälligkeiten und teilt sie dem Prozessverantwortlichen mit. "Dieser hat dann je nach Problem nur wenige Stunden oder bis zu vier Tage Zeit, um das Ausmaß des Problems sowie die Ursachen zu recherchieren. Passiert dies nicht, kommt ein Eskalationsprozess in Gang", erklärt Andrä. Denn im Unterschied zu vielen anderen Unternehmen sind die Zuständigkeiten klar geregelt: Jeder Kunde wird ausschließlich von einem Berater betreut - von der Annahme der Beschwerde bis zur Lösung des Problems. Allein diese Regelung trägt viel zur Zufriedenheit aufseiten der Kunden bei, meint Vocatus-Vorstand Gaby Wiegran. "Das Thema Zuständigkeit ist eines der größten Probleme. Man telefoniert sich einen Wolf, wird ständig weiterverbunden und kommt doch nicht zum Ziel." Ihre Kritik am Umgang mit Kundenbeschwerden greift jedoch noch weiter.

Die entscheidende Frage laute nicht, wann auf eine Beschwerde reagiert, sondern ob das Übel an der Wurzel gepackt wurde. "Was lerne ich aus dem Vorwurf? Was kann ich tun, um die Ursachen zu beheben? Die systematische Auswertung fehlt einfach. Das steht bei keiner CRM-Anwendung im Fokus", beklagt Wiegran. "Der Professionalisierungsgrad ist noch nicht besonders hoch", bestätigt Bernd Stauss, Inhaber des Lehrstuhls für Dienstleistungs-Management an der Katholischen Universität Eichstätt. "Die Unternehmen haben noch nicht begriffen, dass Beschwerden ein zentraler Punkt im Qualitäts-Management sind." Sparpotenzial in der Automobilbranche Dabei zeigen Untersuchungen, dass sich professioneller Umgang mit Beschwerden rechnen kann.

Eine speziell für die Automobilbranche durchgeführte Untersuchung ergab: Jeder nach einer Beschwerde zufrieden gestellte Kunde erbringt durchschnittlich einen jährlichen Mehrumsatz von 1100 Mark, der sich im Einzelfall sogar auf 8000 Mark steigern kann. Allerdings sind solche Zahlen mit Vorsicht zu genießen. "Man kann immer nur fallspezifisch vorgehen", warnt Stauss. "Hier spielen eine Reihe von Faktoren wie die Höhe der Beschwerdequote, die Dauer der Kundenbeziehung und der Deckungsbeitrag des einzelnen Kunden eine Rolle. Erst wenn ein Unternehmen diese Daten kennt, weiß es, wie viel es investieren kann, um den einzelnen Kunden wieder zufrieden zu stellen." Der Advance Bank hat ihre Form des Beschwerde-Managements bereits eine Menge Geld gespart. Durch die Straffung der Informationen an die Masterplan-Interessenten sanken sowohl der Zeit- und Arbeitsaufwand als auch die Papier- und Druckkosten. "Kein dicker Brief mehr - das stärkt die Kundenzufriedenheit", ist Bernhard Weinlich, Manager Kundenbindung, überzeugt.

Ob die auf eine Beschwerde gegebene Antwort oder Lösung jedoch tatsächlich überzeugt, soll künftig der Kunde selbst beantworten. Ab dem nächsten Jahr sind so genannte "Care Calls" geplant, in denen der zuständige Service-Mitarbeiter den Kunden einige Tage nach Abschluss des Vorgangs noch einmal kontaktiert. "Erst wenn der Kunde bestätigt, dass auch aus seiner Sicht alles geklärt ist, wird bei uns die Sache ad acta gelegt", erklärt Weinlich. Verhalten und Zufriedenheit der Kunden Beispiel VW Nur einer von 26 Kunden, die eine Beschwerde haben, trägt diese auch vor. Unzufriedene Kunden vermitteln diese Erfahrung im Schnitt neun bis zehn weiteren Personen. 13 Prozent kommunizieren sie an mehr als zwanzig Personen. Auf der anderen Seite gilt: Jede gelöste Beschwerde wird fünf weiteren Personen mitgeteilt. 54 bis 70 Prozent der zufrieden gestellten Beschwerdeführer werden zu Dauerkunden. Bei schneller Reaktion steigt dieser Anteil sogar auf 95 Prozent.

Quelle: Bunk,B.: Das geschäft mit dem Ärger, in: Absatzwirtschaft, 36. Jg., Nr. 9, S.65-69

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