Exklusiv-Studie für 2005
Die Pläne der Top-CIOs
Gemeinsam Standards nutzen
Auch Carsten Stockmann vom Finanzdienstleister MLP gefällt der Ausdruck "Industrialisierung", ja sogar das Wort Paradigmenwechsel fällt, als der CIO auf die "große Frage" zu sprechen kommt, ob sich Unternehmen künftig nicht das Standardsystem für die Buchhaltung teilen könnten, wie das heute für Kernbanksysteme bereits möglich ist. Das IT-Serviceunternehmen Fiducia etwa betreibt ein IT-System für mehrere hundert Banken: Für Stockmann ist das ein wegweisendes Beispiel. Standardisierungen helfen ihm, Mobilität und Integration leichter zu ermöglichen. "Sie brauchen keine technischen Standorte mehr", sagt Stockmann und berichtet von einer MLP-internen Vertriebsveranstaltung in Berlin: "Wir brauchten nur einen Internetzugang mit Firewall um unser VPN aufzubauen und einige PCs hinzustellen - und schon hatten wir Zugang zu unseren Servern." In Bezug auf die Integration von Systemen könne man "unterschiedliche Systeme integrieren, ohne dass der Nutzer merkt, welche es sind - und er benötigt dafür nur ein Passwort". Da werde der Portal-Gedanke aus der Hype-Zeit Realität.
Die IT-Industrialisierung in der Finanzbranche - ein Sonderfall? "Würde die Automobilbranche noch wirtschaften wie die Banken heute, wäre das Auto um ein Vielfaches teurer", bemerkt Postbank-CIO Berensmann, der damit einen besonderen Aufholbedarf in Sachen Industrialisierung seiner Branche sieht. Schwere Versäumnisse erkennt er jedoch nicht. "Das Denken in Kooperationen und Komponenten wird immer wichtiger", generalisiert Martin Bettels, Autor der Capgemini-Studie, der den Begriff "Industrialisierung der IT" nur unter einer Voraussetzung stehen lassen möchte: "Wo Wettbewerbsvorteile für Unternehmen entstehen, bleiben Individuallösungen bestehen."
Wert der IT - nur in der IT diskutiert?
Bettels musste in seiner Studie allerdings feststellen, dass IT-Chefs enorme Schwierigkeiten haben, solche Wettbewerbsvorteile klar zu machen: "CIOs haben Probleme damit, den Wert der IT im Unternehmen transparent darzustellen."
Dafür gibt es nach Ansicht des Ex-CIO von Siemens ICN Gerhard Otterbach einen simplen Grund: "Der Geschäftswert der IT wird leider meist nur von der IT und nicht im Business diskutiert", stellt der gelernte Betriebswirt fest. "Dabei ist die Betrachtung der IT-Leistung aus Geschäftssicht elementar wichtig, denn dort wird der Wert messbar - und zwar nicht nur in der IT", so Otterbach. "Nur wenn man die Geschäftseinheiten mit einbezieht, treten die Probleme gar nicht erst auf. Richtig sei, dass das Eigenbild der IT zunehmend wertschöpfungsorientiert ist, das Fremdbild aber nach wie vor serviceorientiert, wirft Bettels ein. Siemens-Mann Otterbach ist bei den Umstrukturierungen beim Münchener Elektronikkonzern im Oktober 2004 ins Business gewechselt und leitet nun den Bereich Enterprise Services bei Siemens Communications, hat also seine Verantwortung für die interne IT abgegeben.
Themen, die zusammen mit dem Business in die Spur gesetzt wurden, können erst gar nicht für Unmut in den Führungsetagen sorgen. Komfortabel hat es Thomas Holzgreve vom Spezialisten für Sicherheitstechnik Dräger Safety. Er ist CIO und CFO im Vorstand des Unternehmens. So ließ sich dann auch die vergleichsweise gewagte Entscheidung treffen, nicht alle ERP-Lösungen weltweit zu vereinheitlichen: "Wir haben die ERP-Systeme nicht standardisiert, sondern betreiben eine Business-Integration. Wir automatisieren die Prozesse zwischen den Tochtergesellschaften, die wir über ein SCM-Portal und geeignete Middleware allen Beteiligten verfügbar machen."