Top-Down-Ansatz für SOA zu teuer und zu langsam
Die ungewöhnliche Bottom-Up-Strategie von Premiere
Im Rahmen der SOA-Umsetzung soll der Rollout eines IT-Pakets nie länger als zehn Wochen dauern, und die Kosten "je Arbeitspaket" dürfen 200.000 Euro nicht überschreiten. Das sind die Vorgaben von Günter Weinrauch beim Pay-TV-Sender Premiere in Unterföhring bei München. Die Einführung der Service orientierten Architektur (SOA) bedeutet für den IT-Manager Weinrauch: weg von der IT - hin zum Business. Der CIO möchte die IT-Unterstützung des Business durch SOA langfristig "standardisieren, modernisieren und modularer und flexibler gestalten". Dabei soll ein Teilprojekt jeweils gleich seinen Nachfolger definieren.
Weinrauch selbst hat den Anstoß gegeben für die Modernisierung der technischen Möglichkeiten. Das ist eher ungewöhnlich - oft bestimmen Vorstände oder Fachbereiche die Marschroute für die Ausrichtung der IT. Dafür wurde der 46-Jährige unlängst auf einem Kongress noch belächelt: Eine SOA angeregt von unten, in der Management-Sprache als "bottom-up" verklausuliert, kann das funktionieren? Seit dem Beginn des SOA-Projekts vor zwei Jahren setzt der IT-Leiter auf Funktionalität und Kostenminimierung. "Eine Top-Down-Analyse der Geschäftsprozesse hätte zu viel Geld gekostet und zu lange gedauert", erklärt Weinrauch. So lange wollte er nicht warten und hat daher noch 2006 mit der Umsetzung begonnen.
Das erste Pilotprojekt ging im letzten Jahr produktiv. Bis Ende 2008 soll SOA - oder der ‚Premiere Service Bus', wie das Projekt intern heißt - in die Regelprozesse überführt werden. Ziel ist es auch, "die operative Steuerung für die SOA-Umsetzung an die IT-Mitarbeiter abzugeben", sagt Weinrauch. "Das Projekt wurde von Beginn an von mir gesteuert - jetzt ziehe ich mich sukzessive daraus zurück."
SOA ist auch Vertrauenssache
Die Schwierigkeit lag bisher darin, die Umwandlung während des Alltagsgeschäfts mit hundert verschiedenen Projekten einzuleiten und gleichzeitig so einzuführen, dass keiner der Fachbereiche in seiner Arbeit beeinträchtigt wird. Für die Umsetzung hat er das Vertrauen des Vorstandes allerdings gebraucht. Geholfen hat dem IT-Manager dabei ein Assessment durch ein externes Beratungshaus, das die Validität seiner Projektvorgehensweise und die Ergebnisse aus den bisherigen Projektschritten bestätigt hat. Denn die Einsparungen durch SOA sind faktisch nicht zu berechnen. "Mit jedem erfolgreich umgesetzten Fachbereichsprojekt wird die Latte höher gelegt", erklärt Weinrauch. "Wenn ich mein IT-System nicht - wie mit dem aktuellen SOA-Projekt - modernisiere, falle ich irgendwann hinten über."
Worum sich heute alles dreht, ist die "Tapete" im Büro des IT-Chefs Weinrauchs. Die ist ziemlich bunt
und kariert und wird in jedem Quartal erneuert. Allerdings geht es nicht um das Design eines internationalen Tapeten-Gurus. Abgebildet ist auf der nur "Tapete"genannten Tafel vielmehr die gesamte aktuelle Applikationslandschaft von Premiere, aufgeteilt in funktionale Domänen. Nach dem Willen Weinrauchs wird der Wandbehang ausgemustert, wenn SOA irgendwann einmal erfolgreich umgesetzt sein wird. Dann nämlich sollen die sechs funktionalen Domänen Programmproduktion, ERP, Business Intelligence, CRM, Webportale und Enterprise Content Management in die Prozess- und Servicelandschaft für die SOA überführt werden.