Eingefahrene Strukturen aufbrechen
Digitalisierung braucht einen Wandel der Organisation
Der Einsatz digitaler Lösungen führt nicht per se zu digitaler Exzellenz. Banken beispielsweise setzen Technologien wie Cloud Computing oder In-Memory-Datenbanken in verschiedenen Anwendungsbereichen erfolgreich ein, ohne jedoch die inneren Organisationsstrukturen zu transformieren. Die DigitalisierungDigitalisierung trägt daher kaum zu einer höheren Agilität im Wettbewerb bei. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Axel Springer beispielsweise ist hingegen ein erfolgreiches Beispiel für eine erfolgreiche Transformation. Dem Unternehmen gelang es, sich durch die Umgestaltung der Organisation mit neuen digitalen Geschäftsmodellen am Markt zu positionieren. Trotz einbrechender Anzeigenerlöse in der Printbranche ist der Umsatz so im letzten Jahr um acht Prozent gestiegen. Der Studie "Digitale Exzellenz" von Sopra Steria Consulting und der Universität Hamburg zufolge spielen dabei das systematische Messen und Vorantreiben des Digitalisierungsgrades eine zentrale Rolle. Die Zielerreichung wird durch klar definierte Ziele erleichtert. Hierzu ist es erforderlich, bestehende, aber auch neue KPIs und Metriken zu identifizieren, die sowohl in der Innen- als auch in der Außenwahrnehmung für die digitale Exzellenz des Unternehmens stehen.
- Sopra Steria über Digitalisierung
Dass deutsche Unternehmen in puncto Digitalisierung zu langsam sind, bestätigen der Berater Sopra Steria und die Universität Hamburg in der gemeinsamen Studie "Digitale Exzellenz – eine Bestandsaufnahme zur Digitalisierung deutscher Unternehmen und Behörden". Deren Grundlage sind Gespräche mit 17 Experten (meist CIOs und Digitalisierungsverantwortliche) sowie eine zusätzliche quantitative Befragung von 90 Entscheidern. - Zehn Disziplinen
Die Berater identifizieren zehn Punkte einer digitalen Exzellenz. Diese ordnen sie in vier Kategorien ein. - Selbsteinschätzung
Die Befragten schätzen den Grad der Digitalisierung ihres Unternehmens sehr unterschiedlich ein. - Leadership
Selbst Unternehmen, die sich einen hohen Grad an digitaler Exzellenz zuschreiben, stellen ihrer Führung kein gutes Zeugnis aus. - Digitale Kanäle
Nicht alle Unternehmen messen die Nutzung digitaler Kanäle. - IT-Architektur
Wenig Zweifel bestehen am Änderungsbedarf bei der IT-Architektur. - Stand der Belegschaft
Erst wenige Unternehmen sehen ihre Belegschaft gut auf die Digitalisierung vorbereitet.
Digital Natives - kritische Masse
In der Finanzwirtschaft zeigt sich, dass die Digitalisierung ihre kritische Masse erreicht hat. Denn hier lässt der mobile Always-On-Lebensstil der Digital Natives alte Branchengrenzen erodieren und macht sie durchlässiger für Newcomer. Sichtbar wird dies zum Beispiel im Zahlungsverkehr: Als Paypal vor 15 Jahren in den Markt einstieg, ging es zunächst nur um Zahlungen im Onlinehandel. Heute hat das Geschäftsmodell den klassischen Interneteinkauf hinter sich gelassen und erstreckt sich auf jede Alltagszahlung.
Auch andere digitale Player haben das Potenzial mobiler Zahlungen inzwischen als Geschäftsmodell entdeckt. Zudem sollen Smartphone und Smartwatch Bargeld und Plastikkarten in Zukunft überflüssig machen. Neben Google Wallet und Apple Pay versuchen unzählige kleinere Start-ups, Banken diese traditionelle Einnahmequelle streitig zu machen.
Beobachtung von Start-ups
Geldhäuser müssen daher einen partiellen Umsatzverlust fürchten. Zudem verschwinden sie zunehmend aus dem Blickfeld der Kunden. So werden Banken in vielen Lebenssituationen weniger wahrgenommen und verlieren Stück für Stück den Kundenkontakt. Sie müssen handeln und können von der neuen Konkurrenz einiges lernen: Unternehmen wie Apple, Facebook & Co. hüllen ihre Kunden in ein digitales Universum, das viele Start-ups mit neuen Geschäftsmodellen kontinuierlich erweitern.
Die Studie "Digitale Exzellenz" zeigt, dass sich manche Unternehmen dies zu Nutze machen möchten und systematisch die Aktivitäten von Start-ups in ihrem Umfeld beobachten. Sie lassen diese ihre Geschäftsmodelle vorstellen oder beobachten sie auf Kongressen und Tagungen. Die Aktivitäten der Start-ups werden analysiert und bewertet. Auf diese Weise kann auch ein großes Unternehmen von den frischen Ideen der Start-ups profitieren. Geeignete Kandidaten können näher untersucht und eventuell übernommen werden.
- Start-Up-Kultur
Ist von Start-Ups die Rede, fallen schnell Assoziationen wie jung, hip, kreativ. Auf den folgenden Seiten finden Sie Zitate aus drei Perspektiven: von einer Gründerin, einem Management-Consultant und einem Professor. - Gründerin Nora Heer
"Start-Ups müssen oft in kurzer Zeit erfolgreich sein, um sich gegenüber Anderen zu beweisen. Dies ist nur möglich, wenn es die jeweiligen Führungskräfte schaffen, ihre Mitarbeiter zu motivieren und alle konsequent am gleichen Strang ziehen", sagt Nora Heer, Gründerin des Start-Ups Loopline Systems. - Berater Frederic Cuny
Für Frederic Cuny aus der Geschäftsleitung vom Management-Berater Kienbaum besteht Führung aus zwei Komponenten, Management und Leadership. "Mit Management wird prozessorientierte Führungsverhalten verbunden, mit Leadership die Fähigkeit, Leute für ein gemeinsames Unterfangen zu motivieren", erklärt Cuny. "Die erste Komponente der Führung ist innerhalb der Start-up Szene eher unerwünscht, in der Tat, die zweite Komponente wird eher überthematisiert. Da liegt der Widerspruch!" - Professor Thomas Schildhauer
IEB-Direktor Schildhauer beobachtet: „Alle wollen die smarten jungen Leute!“ Von daher könnten sich etablierte Unternehmen bei den Start-Ups etwas abgucken.
Kooperationen mit Plattformen
Darüber hinaus bauen Unternehmen Kooperationen mit relevanten Plattformen aus. Denn diese sind die digitalen Marktplätze der aktuellen Zeit. Hier kommen Partner und Kunden zusammen, um digitale Geschäfte anzubahnen und abzuwickeln. Unternehmen müssen sich eine gute Positionierung auf relevanten Plattformen erkämpfen und versuchen, Einfluss auf deren Weiterentwicklung zu nehmen, so eine Beobachtung der Studie.
Eingefahrene Prozesse schrecken Talente ab
Auffällig ist zudem die tiefe Kluft zwischen den privaten Kommunikationsgewohnheiten der Digital Natives und dem, was in vielen konservativ geführten Unternehmen erlaubt beziehungsweise verboten ist. Diese Restriktionen wirken aus der Sicht gut ausgebildeter Fachkräfte nicht attraktiv. Außerdem sollten Unternehmen wissen, dass sich ihre Mitarbeiter in sozialen Netzwerken über eine fehlende Agilität und Geschwindigkeit austauschen. Das ist der Preis, der für das Festhalten an eingefahrenen Kommunikations- und Entscheidungsprozessen zu bezahlen ist. Denn konventionelle Abstimmungszyklen über etliche Hierarchiestufen hinweg dauern zu lange, um neue Marktchancen früher als die Konkurrenz mit passenden Geschäftsmodellen zu beantworten.
Wollen Unternehmen agiler werden, müssen sie digitale Werkzeuge wie Microblogging oder Collaboration-Tools für das Tuning ihrer Organisationsstrukturen nutzen. Das setzt auf der Führungsebene massive Veränderungen voraus. Insbesondere im mittleren Management sind Widerstände zu überwinden. Denn mit der Einführung einer zeitgemäßen Social-Media-Kommunikation geht dort die Kommunikationshoheit verloren.