"Digitale Transformation anfassbar machen"
Digitalisierung muss vermittelbar sein
Entwicklungsgeschwindigkeit und Veränderungsgeschwindigkeit folgen in der DigitalisierungDigitalisierung nicht immer demselben Takt. Das bekam der US-Versandhändler Sears schmerzlich zu spüren, wie sich in einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Bain & Company nachlesen lässt. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Als Pionier des digitalen Handels trat Sears bereits im Jahr 1984 an, um sein Kataloggeschäft online-fähig machen. Doch auch eine Partnerschaft mit dem Provider der ersten Stunde AOL brachte nicht die erhofften Ergebnisse. Als einige Jahre später das World Wide Web Verbreitung fand, liefen reine Online-Seller wie Amazon dem traditionellen Versandhändler den Rang ab.
Ein entscheidender Fehler von Sears lag nach nach Auffassung der Bain-Analysten in der Vernachlässigung der Ladengeschäfte. Eine Unterlassung, die Sears-Konkurrent Macy beim Start seiner Online-Aktivitäten einige Jahre später tunlichst vermied. Macy fand nämlich heraus, dass Kunden, die sowohl online als auch in einer Filiale einkauften, fünf mal so viel Umsatz brachten wie Käufer, die Produkte nur im Internet erwarben. Macy tätigte daraufhin erhebliche Investitionen in seine Stores und beschloss Maßnahmen zur Integration von Online- und Offline-Shopping, um Kunden ein optimiertes Einkaufserlebnis zu bieten. Der Versandhändler kann sich bis heute über eine positive Entwicklung der Ertragslage freuen: Allein im Jahr 2013 stieg der Wert seiner Aktien um 43 Prozent.
"Wir müssen Geschichten erzählen"
"Die Unternehmen wollen natürlich rasche Fortschritte erzielen", meint Bain-Deutschlandchef Sinn zur Geschwindigkeit, in der sich Veränderungen durch die Digitalisierung vollziehen . "Doch am Ende entscheidet der Kunde über den richtigen Zeitpunkt für den Einsatz neuer Technologien."
Damit digitale Projekte erfolgreich sind, müssen Firmen deshalb neben der technischen Umsetzung immer wieder auch für die Akzeptanz ihrer Pläne zur digitalen Transformation sorgen. Das bestätigen auch CIOs im Gespräch mit CIO.de wie etwa Sebastian SaxeSebastian Saxe, CIO bei der Hamburg Port Authority: "Wir müssen die digitale Transformation anfassbar machen. Anfassbar machen heißt, wir müssen Protoytpen zeigen, Geschichten erzählen, die es vorstellbar machen, was digitale Transformation eigentlich bedeutet. (…) Die größte Herausforderung ist dabei, die Schere im Kopf der Menschen zu überwinden." Profil von Sebastian Saxe im CIO-Netzwerk
Dabei kommt der IT künftig eine besondere Rolle zu. Sie ist in Unternehmen im Digitalisierungsprozess nicht mehr nur Betreiber, sondern auch Kommunikator, erläutert Bernd Christoph Meisheit, Geschäftsführer der Sana KlinikenSana Kliniken, gegenüber CIO.de. "Die IT muss die Menschen abholen und nicht nur Funktionen zur Verfügung stellen. Sie muss die Menschen bewegen und dazu motivieren, dann auch die Tools, die zur Verfügung gestellt werden, zu nutzen." Top-500-Firmenprofil für Sana Kliniken
So richten Sie Ihre IT kundenfreundlich aus
Dabei müssen Kunden nicht zwangsläufig Käufer von Produkten oder Dienstleistungen sein - letztlich zählen zum Kreis der Kunden im weiteren Sinne alle Beteiligten des Eco-Systems eines Unternehmens: vom Mitarbeiter über den klassischen Kunden bis zum Dienstleister.
Wie der IT eine im weitesten Sinne kundenfreundliche Orientierung mit dem Ziel einer größeren Akzeptanz gelingen kann, beschreibt Marktforscher Forrester in dem Analysepapier "Acquire new skills for technology management". Die Forrester-Experten beschäftigen sich in dem Papier mit den Folgen der zunehmenden Kundenorientierung für den CIO und sein Team. Sie gehen davon aus, dass die IT künftig acht Funktionen erfüllen muss, um ihrer Rolle im Zeitalter des Kunden gerecht zu werden.
Danach muss die IT die Partnerschaft und den Austausch zwischen Informationstechnologie und Business sicher stellen und damit als Beziehungs-Manager zwischen beiden Parteien fungieren. Sie muss in der Rolle des Architekten festlegen, wie und von wem Technologien im Unternehmen genutzt werden, und als Projekt- und Programm-Manager ein politisches Gespür für abteilungsübergreifende Projekte entwickeln, wie sie im Zeitalter des Kunden immer häufiger werden. Viertens empfiehlt die IT als Vendor Manager externe Partner und hilft bei der Festlegung von Kriterien für die Auswahl von Dienstleistern.
IT als Daten- und Sicherheitsexpertin
Eine zentrale Funktion kommt der IT als Experte für das Nutzererlebnis zu, das sie in Zusammenarbeit mit den LoB und in direktem Kundenontakt gestaltne muss. Natürlich ist die IT auch künftig die Daten-Expertin im Unternehmen und wahrt in dieser Funktion die Kontrolle über alle Unternehmensdaten. Desweiteren soll sie Designer für Geschäftsprozesse sein und für die Balance zwischen der Anpasssung der Systeme und der Prozesse sorgen. Und schließlich kommt ihr auch die Rolle der Sicherheits-Expertin zu, der der Belegschaft vermittelt, warum die IT in alle Digitalisierungsvorhaben eingebunden sein muss.
Als Pionier in 1980-er Jahren war für Sears der Umgang mit digitalen Technologien noch Neuland. Doch trotz Big Data, Social Media und CRM: Der disruptive Charakter der Digitalisierung stellt Unternehmen auch heute in Sachen Erfüllung von Kundenanforderungen und Vermittelbarkeit des Technologienutzens immer wieder an den Anfang. Ein neues Digitalisierungs-Projekt bedeutet dann wieder ein großes Stück Pioniersarbeit.
Kommentar: Nie den menschlichen Faktor unterschätzen! von Gudrun HappichGudrun Happich, Galileo . Institut für Human Excellence Profil von Gudrun Happich im CIO-Netzwerk |
Bei aller Liebe zu Technik und Innovation: Der Artikel zeigt richtig und deutlich, dass Innovation um ihrer selbst willen immer die große Gefahr in sich birgt, Unternehmen ihre Zielgruppe und deren Bedürfnisse aus den Augen verlieren zu lassen. Und dabei weiterhin zu vergessen, dass es das Wichtigste ist, dass Produkte und Strategien immer bei den Kunden andocken. Auf so eine Weise die eigenen Kunden abzuhängen, kann womöglich „tödlich“ sein, ist aber auf jeden Fall eine Umsatzbremse. Technologien sind aus meiner Sicht also vor allem als strategische Hilfsmittel oder als strategische Treiber zu sehen, die Impulse setzen. Und nicht als Selbstzweck, der die Anforderungen in immer höhere, unmöglichere und kompliziertere Sphären schraubt. Die Nase vorn zu haben, „voraus“ zu sein im besten Sinne, der Entwicklung oder dem Wettbewerb, ist gut und erstrebenswert – aber nur, wenn der Mensch dabei weiter auf Tuchfühlung bleiben kann. Dafür sehe ich als Voraussetzung eine gründliche Analyse der Bedürfnisse der Zielgruppe und deren direkte Anbindung an Innovation. Dabei sind sicher die größten Herausforderungen, wie Unternehmen a) im Dialog mit der Zielgruppe bleiben und b) dabei auch schon einen Blick für zukünftige Bedürfnisse ihrer Kunden entwickeln können. Als Basis aller Überlegungen muss aus meiner Sicht hier die Frage dienen: Wer führt, bewegt oder steuert wen? Die Technik den Menschen oder der Mensch die Technik? Denn die technische Entwicklung wird immer mehr Fahrt aufnehmen – so viel scheint sicher. Und dann muss intern die Frage kommen: Wollen wir als Unternehmen immer alles machen, was technisch möglich ist? Meines Erachtens muss die Antwort „nein“ lauten – und das sollte sich vor allem die IT vor Augen halten, und einen wichtigen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf den „human factor“ legen. Ganz, wie im Artikel beschrieben, denn die dort geschilderten acht Rollen der IT haben, richtig interpretiert, alle einen direkten Bezug zu Menschen und zu menschlichen Beziehungen. |
Sebastian Saxe, CIO Hamburg Port Authority, im Interview
"Wir müssen auch extern bei unseren Kunden die digitale Transformation anfassbar machen"
Bernd Christoph Meisheit, Geschäftsführer Sana IT Services GmbH, im Interview
"Die IT kommt in eine ganz andere Rolle"