Best-in-Cloud-Referent Wolfgang Henseler
"Ein gutes User Interface ist möglichst wenig User Interface"
Die Politik bemüht sich derzeit, dem Tempo der digitalen Entwicklungen standzuhalten. Vor einigen Wochen kam die "digitale Agenda" heraus, die gleich überall verrissen wurde. Soeben hat nun die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, die neue "Hightech-Strategie" der Bundesregierung vorgestellt. Haben Sie den Eindruck, dass die Politik wirklich verstanden hat, was die digitale Revolution für die deutsche Volkswirtschaft bedeutet?
Wolfgang Henseler: Nein, ich denke nicht. Das Problem besteht im Denken und zwar im Denken in den Dimensionen des Digitalen. Albert Einstein hat dies sehr schön auf den Punkt gebracht, indem er sagte: "The problems we are facing can´t be solved by the same thinking that created them." Und das drückt meines Erachtens genau dieses Dilemma, das wir hier haben, aus. Da wird einfach noch falsch bzw. tradiert gedacht.
"Ein reiner, intuitiv zu benutzender Dienst"
Was macht aus Ihrer Sicht ein gelungenes User-Interface aus? Welches ist das beste User-Interface, das Sie bisher gesehen und benutzt haben?
Wolfgang Henseler: Ein gutes User Interface ist möglichst wenig User Interface. Es ist ein reiner, intuitiv zu benutzender Dienst, der situativ relevante Informationen bereitstellt, sich kooperativ verhält und einem Nutzer bei der Erfüllung seiner Aufgabe kontext-sensitiv unterstützt. Google Material stellt hierfür ganz gute Ansätze bereit, ist aber leider auch nicht konsequent genug durchdacht. Ich denke hier ist noch viel Aufklärungsarbeit vonnöten. Besonders der Paradigmenwechsel von grafischen zu natürlichen Benutzungsoberflächen (von GUI zu NUI) stellt die Designer und Entwickler vor die Aufgabe anders denken zu müssen. Man gestaltet nicht mehr Aussehen, sondern Verhalten.
Apples Design-Chef Sir Jonathan Ive gibt bei der Frage nach seinen Vorbildern gerne Dieter Rams an. Haben Sie ebenfalls ein Vorbild oder bestimmte Leitlinien, an denen Sie sich bei Ihren Arbeiten orientieren?
Wolfgang Henseler: Vorbilder, nein. Ich sehe mich da eher in der Tradition von Dieter Rams, allerdings im digitalen Denken. Das heißt ich orientiere mich an Kriterien für gutes Design und was dieses für die Nutzer, Gesellschaft und Wirtschaft leisten sollte. Ich orientiere mich an den Menschen und an deren Bedürfnissen, physiologischen Fähigkeiten, mentalen Modellen etc. und leite daraus meine Gestaltungsgrundsätze, wie beispielsweise die 10 Designprinzipien für Natural User Interface Design, ab.
Eine Frage, die sich nicht an den Design-Experten Henseler richtet, sondern an den Hochschullehrer: Unser Best-in-Cloud-Juror Professor Stefan Tai beklagt im Computerwoche-Interview die mangelhafte Forschungsförderung in Deutschland. Junge, kreative Köpfe zieht es eher ins Silicon Valley als zu deutschen High-Tech-Konzernen wie Telekom oder Siemens. Wie nehmen Sie die Situation wahr?
Wolfgang Henseler: Das stimmt. Dies liegt meines Erachtens allerdings nicht an den vorhandenen Fördertöpfen, sondern primär daran, dass der Weg zu den Fördertöpfen so steinig und verbaut ist, dass es aus Deutschland heraus einfacher ist eine Förderung in den USA zu bekommen, als eine in Deutschland. Zudem gibt es natürlich das Problem, dass die genannten Unternehmen nicht den Nimbus des Kreativen repräsentieren, während AppleApple, Google oder Facebook wirklich cool sind. Alles zu Apple auf CIO.de