Healthcare IT


Lauterbach macht Druck

Elektronische Patientenakte soll für alle verbindlich werden

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Ärzte wollen mitmachen, Datenschützer erst mal prüfen

Zuspruch erhält der Minister aus den Reihen der Ärzteschaft. Der Deutsche Ärztetag hatte sich schon Ende Mai vergangenen Jahres nachdrücklich für das Opt-out-Verfahren ausgesprochen. Ziel müsse es sein, den Verbreitungsgrad der digitalen Akte zu erhöhen, hieß es.

Digitale Anwendungen müssten Ärztinnen und Ärzte unterstützen und von überflüssiger Bürokratie entlasten, forderte die Bundesärztekammer (BÄK). "Wir brauchen eine elektronische Patientenakte, die tatsächlich zu einer Verbesserung der Patientenversorgung beiträgt und nicht nur zu dem Zweck eingeführt wird, dem Gesundheitswesen einen modernen, digitalen Anschein zu verleihen", sagte Erik Bodendieck, Co-Vorsitzender des BÄK-Ausschusses "Digitalisierung in der Gesundheitsversorgung".

Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, hat bereits durchblicken lassen, die neuen Regeln für die ePA genau prüfen zu wollen.
Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, hat bereits durchblicken lassen, die neuen Regeln für die ePA genau prüfen zu wollen.
Foto: Bundesregierung/Kugler

Bedenken äußern naturgemäß die Datenschützer. Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den DatenschutzDatenschutz, hat bereits angekündigt, die Opt-out-Lösung datenschutzrechtlich genau unter die Lupe nehmen zu wollen. Persönlich halte er ein solches Vorgehen für den falschen Weg, sagte er Ende vergangenen Jahres in einem Gespräch mit der Apotheken-Umschau. Kelber monierte fehlende Sicherheits- und Datenschutzfunktionen, die seit Jahren fest vereinbart seien. Zudem würden in der ePA PDFs und keine strukturierten Daten gespeichert. Statt an den Defiziten zu arbeiten und das Gesamtsystem zu verbessern, wolle man die EPA automatisch für alle einführen und erst später einschränken, wer welche Daten sehen soll, kritisiert Kelber. "So schafft man kein Vertrauen." Alles zu Datenschutz auf CIO.de

Gematik soll neues Konzept für ePA entwickeln

Lauterbach dürften also noch etliche Diskussionen ins Haus stehen. Zudem steht der Gesundheitsminister erst am Anfang seines Weges, für mehr Akzeptanz der ePA zu sorgen. Mehr als eine Absichtserklärung ist sein Vorstoß nicht. Der Auftrag, ein detailliertes Konzept unter Einbeziehung aller Interessensvertreter aus dem Gesundheitswesen zu erarbeiten, liegt bei der Gematik. Immerhin hat dort mittlerweile die Politik das Sagen. Das Bundesgesundheitsministerium hält 51 Prozent an der Gesellschaft, die 2005 mit dem Auftrag geründet worden war, eine funktionierende Telematikinfrastruktur für das deutsche Gesundheitswesen aufzubauen.

Das hat in der Vergangenheit allerdings weniger gut funktioniert. In Zeiten der Selbstverwaltung aller Beteiligten im Gesundheitswesen - also Krankenkassen, Ärztevereinigungen, Krankenhäuser und Apotheken - hatten sich die unterschiedlichen Interessengruppen oft gegenseitig blockiert. Entscheidungen müssen mit Zwei-Drittel-Mehrheit gefällt werden.

Neue Gematik-Struktur - schnellere Forttschritte?

2019 hat der Bundesrechnungshof schonungslos die Defizite rund um die Gematik aufgedeckt. Entscheidende Projekte seien nicht einmal ansatzweise verwirklicht worden, hieß es in dem Bericht. Vor allem die Arbeit in den Gremien der Gematik sei nicht vorangekommen, kritisierten die Prüfer. "Häufig waren Schlichtungsverfahren notwendig, weil sich die Gesellschafter nicht einigen konnten." Doch selbst die Schlichtungsentscheidungen seien nicht immer bei allen Gesellschaftern akzeptiert worden.

Der Bundesrechnungshof empfahl daher dringend eine andere Organisationsstruktur zu schaffen. Diese sollte so beschaffen sein, dass Entscheidungsprozesse unterstützt und nicht durch unterschiedliche Interessen verzögert würden. Die Prüfer rieten, "die Allzuständigkeit der Gematik zu durchbrechen". Richtungsweisende Entscheidungen sollten vom Bundesgesundheitsministerium selbst oder einer von ihm beeinflussbaren Organisation im Sinne eines Top-Down-Ansatzes getroffen werden können.

Schon Jans Spahn, Lauterbachs Vorgänger als Gesundheitsminister, hatte erkannt, dass sich die Strukturen der Gematik ändern müssen, um endlich Schwung in die Digitalisierung zu bekommen.
Schon Jans Spahn, Lauterbachs Vorgänger als Gesundheitsminister, hatte erkannt, dass sich die Strukturen der Gematik ändern müssen, um endlich Schwung in die Digitalisierung zu bekommen.
Foto: photocosmos1 - shutterstock.com

Diese Umstrukturierung hat bereits Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn von der CDU eingeleitet. Die Anteile der Krankenkassen, Ärztevertreter und Apotheken wurden um mehr als die Hälfte zusammengestrichen. Heute hat das Bundesgesundheitsministerium das Sagen. Für eine Entscheidung reicht eine einfache Mehrheit - und die hat Lauterbach mit seinen 51 Prozent.

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