"Hört auf, euch ständig zu hinterfragen!"

Erfahrene IT-Frauen reden Klartext

18.01.2016
Von Anja Dilk

Dass Mädchen oft auch damit hadern, ob sie ein IT-Studium überhaupt packen, merkt Ihsen im Alltag immer wieder. Gerne empfiehlt sie ihnen das Online-Tool zum Selbstcheck, das die Initiative komm-nach-mint entwickelt hat. Studienanwärter können damit ihr Können in punkto logisches Denken, Mathe und Co überprüfen: Reichen meine Fähigkeiten? "Mädchen hilft das enorm", so Ihsen. Um Studentinnen der IT auch in höheren Semestern zu unterstützten, hat die TUM zudem ein Mentorinnenprogramm eingerichtet, in dem der Nachwuchs von erfahrenen Tutorinnen unterstützt wird und sich vernetzt.

In Sachen Frauenförderung ist noch Luft nach oben

Gute Ansätze. Trotzdem sieht die Professorin in Sachen Frauenförderung "noch Luft nach oben". In einer Studie hat Ihsen Studentinnen zu ihren Erfahrungen in IT-Studiengängen befragt. Zwar erzählen nur 0,5 Prozent von Diskriminierungen wie Pfeiffen im Hörsaal. "Doch immer noch müssen sich Frauen permanent erklären", so Ihsen. Wieso haben sie die Computer AG an der Schule gewählt, wieso studieren sie Informatik? Ständig müssen sie sich beweisen. Als erste Frau im Seminar, im Praktikum, auf einer Projektstelle. Spätestens in der Familienphase steigen viele aus. Die Schlussfolgerung liegt für Ihsen auf der Hand: "Frauen in der IT brauchen eine selbstverständliche professionelle Akzeptanz."

Nicht nur an der Hochschule, auch in den Unternehmen. "Firmen sollten dringend das Image der IT-Berufe verbessern", rät der Executive-Personalprofi Christian Menczik aus Lünen. "Sie müsse zeigen, dass IT-Jobs keineswegs von einer pickeligen Nerdkultur geprägt und Frauen höchst willkommen sind." Denn Frauen, beobachtet Menczik, wählen einem Job vor allem danach, wo sie sich wohl fühlen.

Executive-Personalprofi Christian Menczik aus Lünen.
Executive-Personalprofi Christian Menczik aus Lünen.
Foto: Christian Menczik

Frank Geßner weiß, wie sehr das Nerd-Image der Branche viele Frauen abschreckt. Der Serienunternehmer hat sein ganzes Berufsleben lang Techteams aufgebaut, egal ob beim Online-Shopping-Pionier Intershop in den USA oder heute als Chef des Job-Marktplatzes für IT-Experten 4Scotty in Berlin. 2500 Bewerbungsgespräche hat er mittlerweile geführt, gerade mal 50 Frauen waren dabei. Immer wieder ermutigt er sie: Traut euch auf neue Berufsfelder. Unsere Softwareabteilungen sind nicht nerdy, sondern teamorientiert und offen.

Wenn irgend möglich besetzt Geßner Projektmanagementpositionen in Softwareabteilungen mit weiblichen Mitarbeitern, oft als Quereinsteiger. "Frauen können gut zwischen unterschiedlichen fachlichen Positionen vermitteln und halten alle Fäden zusammen", so Geßner. Trotzdem hätten viele Bedenken: Kann ich das? "Doch wenn ich sie überzeugen kann, es zu wagen, haben sie sich bisher nach kurzer Zeit immer für den Job begeistert." Geßners Rat für IT-Unternehmen: "Erzählt Frauen, was für geile Jobs ihr zu bieten habt. Und wie phänomenal sie bezahlt werden." Seine Botschaft an Frauen: "Loslaufen und ausprobieren."

IT-Branche eröffnet viele unterschiedliche Welten

Entwicklerin Berger hat ihre Berufswahl nie bereut. Web-Entwicklung eröffnet so viele unterschiedliche Welten. Mal für die Stiftung Warentest die Oberfläche für einen neuen Test programmieren oder einen Filialfinder mit aktuellen Geodaten bauen, mal einen Code für die Deutsche Börse oder einen Autohersteller erdenken.

Und wenn sie, wie neulich, sechs Wochen beruflich auf Second Life verbringen muss, "kann ich es nicht fassen, dass ich dafür auch noch bezahlt werde." Mit unkommunikativen Programmierjunkies hatte Berger noch nie etwas zu tun. "Die Atmosphäre in den IT-Abteilungen ist extrem entspannt, freundlich und respektvoll." Davon will die 38-Jährige jetzt auch anderen erzählen: Auf dem Girlsday und beim Coder-Dojo für Kids mit Programmierlust, die mittlerweile in vielen Städten Deutschlands stattfinden. "Erst fand ich doof, dass dort vor allem Jungs sitzen", sagt Berger. "Jetzt denke ich: umso besser. Hier kann ich die nächste IT-Generation prägen und ihnen als Dozentin zeigen - Frauen sind top ITlerinnen."

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