Weniger Macht für Google und Co.

So sieht das neue Digital-Gesetz aus

27.03.2022
Internet-Schwergewichte wie Amazon oder der Facebook-Konzern dominieren das Netz - die Konkurrenz hat es oft schwer. Die EU hat nun ein weitreichendes Gesetz beschlossen, das den Wettbewerb fairer machen soll.
Vor alle die US-Tech-Riesen Alphabet (Google), Apple, Meta (Facebook, Instagram, Whatsapp) und Amazon (AWS, Alexa) dürften von dem Digital Markets Act (DMA) der EU betroffen sein.
Vor alle die US-Tech-Riesen Alphabet (Google), Apple, Meta (Facebook, Instagram, Whatsapp) und Amazon (AWS, Alexa) dürften von dem Digital Markets Act (DMA) der EU betroffen sein.
Foto: Koshiro K - shutterstock.com

Als die EU sich zuletzt umfassende Regeln fürs Internet gab, war die Welt eine andere. GoogleGoogle war gerade gegründet, AmazonAmazon verkaufte hauptsächlich Bücher, FacebookFacebook entstand erst Jahre später. Probleme wie Hassrede im Netz existierten nicht, und die grenzübergreifende Macht einiger Tech-Riesen war nicht absehbar. Heute, gut 20 Jahre später, geht es im Internet teils turbulent und oft unfair zu. Alles zu Amazon auf CIO.de Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de

Die EU will das ändern - und hat am späten Abend des 24. März 2022 einen großen Schritt in diese Richtung gemacht. Unterhändler der EU-Institutionen einigten sich auf das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA).

Darum geht es bei dem Gesetzespaket

Die Gesetze und Regeln in Europa sind den Realitäten der digitalen Welt nicht mehr gewachsen - das war der Eindruck, unter dem die EU-Kommission im Dezember 2020 ein großes Digital-Paket vorgeschlagen hatte. Dazu gehört neben dem Gesetz über digitale Märkte auch das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA). Der DSA geht gesellschaftliche Fragen wie den Umgang mit illegalen Inhalten im Netz an und wird noch zwischen den EU-Institutionen verhandelt. Der DMA soll die Marktmacht von Digital-Riesen wie Google, Facebook und Amazon beschränken.

Denn Tech-Riesen wie Meta (Facebook) oder Alphabet (Google) sind oft in der Position, ihre Macht auszuweiten und die Konkurrenz auszubremsen. Das Wettbewerbsrecht aus der analogen Welt hilft mit seinen jahrelangen Verfahren nur begrenzt. Der DMA zielt nun auf bestimmte Unternehmen, die für gewerbliche Nutzer ein wichtiges Zugangstor zum Endverbraucher sind. Diese "Gatekeeper" müssen künftig bestimmte Verbote und Vorgaben beachten.

Diese DMA-Regeln gelten in Zukunft

Dazu gehört, dass sie eigene Produkte und Angebote nicht mehr bevorzugt gegenüber denen der Konkurrenz behandeln dürfen. Nutzer sollen vorinstallierte Apps auf Geräten öfter löschen und Standardeinstellungen einfacher ändern können. Und die großen Unternehmen dürfen die Daten aus verschiedenen Quellen künftig nur noch mit ausdrücklicher Nutzereinwilligung zusammenführen. Gibt es diese Zustimmung nicht, müssen Nutzer die Programme weiter nutzen können. "Das schafft echte Alternativen zwischen "mit allen Daten bezahlen" oder keine Dienste nutzen zu können", sagte der CDU-Europa-Abgeordnete Andreas Schwab (CDU), der den DMA für das Parlament verhandelt hat.

Ein pauschales Verbot personalisierter Werbung oder ein komplettes Verbot personalisierter Werbung für Kinder und Jugendliche gebe es zwar nicht im DMA, doch werde auf den DSA verwiesen, in dem dies geplant sei.

Neu ist auch, dass Messenger wie WhatsApp und der iMessenger künftig dazu verpflichtet werden, sich für die Kommunikation mit kleineren Diensten zu öffnen. Dies heißt jedoch nicht automatisch, dass Signal- oder Threema-Nutzer Nachrichten oder Fotos an Freunde bei WhatsApp schicken können. Denn den kleineren Firmen bleibt die Entscheidung, ob sie sich öffnen wollen, selbst überlassen. Wohl könnten jedoch neue Anbieter auf den Markt kommen, die ihren Dienst mit Whatsapp verknüpfen. Für Gruppenchats wird diese Funktion nicht unmittelbar zur Verfügung stehen. Um angemessene Sicherheitsstandards zu gewährleisten, sei dies in den kommenden Jahren geplant, teilte Schwab mit. Eine vom Parlament geforderte Verpflichtung zur Interoperabilität für soziale Netzwerke werde es nicht geben.

Diese Unternehmen dürfte es treffen

Schwab zufolge dürften zunächst etwa zehn bis 15 Tech-Unternehmen unter den DMA fallen - unter ihnen die US-Riesen Google, AppleApple, Facebook und Amazon. Alles zu Apple auf CIO.de

Konkret sieht der Kompromiss vom 24. März 2022 vor, dass Digitalunternehmen betroffen sind, die entweder einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Milliarden Euro oder eine Marktkapitalisierung von mindestens 75 Milliarden Euro haben. Zudem müssten sie mindestens einen sogenannten zentralen Plattformdienst mit mindestens 45 Millionen aktiven Nutzern und 10.000 aktiven gewerblichen Nutzern monatlich betreiben.

Zu zentralen Plattformdiensten sollen etwa gehören: Suchmaschinen wie Google, Vermittlungsdienste wie Amazon Marketplace, Soziale Medien wie Facebook, Video-Plattformen wie Youtube, Messengerdienste wie WhatsApp oder der Facebook-Messenger, Betriebssysteme wie das iOS von Apples iPhones sowie AndroidAndroid und Cloud-Dienste wie Amazon AWS. Bei den Verhandlungen am 24. März 2022 einigten sich das Parlament und die EU-Staaten zudem darauf, dass auch Web-Browser und Sprachassistenten wie Amazons Alexa dazu gehören. Die DMA-Regeln beziehen sich ausschließlich auf den jeweiligen Plattformdienst - nicht auf das ganze Unternehmen. Alles zu Android auf CIO.de

Diese Strafen drohen den Tech-Riesen

Bei Verstößen drohen heftige Sanktionen, zunächst von bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes. Bei wiederholten Verstößen könnten es bis zu 20 Prozent sein. In Ausnahmefällen, bei "systematischer Verletzung", könnte die EU-Kommission unter anderem auch Fusionen für einen bestimmten Zeitraum verbieten oder strukturelle Maßnahmen wie eine Zerschlagung anwenden.

Wie es jetzt weiter geht

Der Rat der EU-Staaten und das Europaparlament müssen die Einigung noch einmal bestätigen, dies gilt jedoch als Formalie. Anschließend muss der DMA im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und tritt 20 Tage später in Kraft. Das könnte etwa Anfang 2023 sein. Anschließend gilt noch eine Übergangsfrist von sechs Monaten. Nachdem die EU-Kommission die Gatekeeper designiert hat, haben diese nochmal sechs Monate Zeit, die DMA-Vorgaben umzusetzen. Dann dürfte es bereits 2024 sein.

So reagieren betroffene Unternehmen

Die Tech-Firmen haben mit Blick auf DMA und DSA heftige Lobbyarbeit geleistet. Einer Erhebung von Lobby Control und Corporate Europe Observatory von 2021 zufolge gibt die Digital-Wirtschaft jährlich gut 97 Millionen Euro für Lobbyarbeit in den EU-Institutionen aus. Sie stehe damit noch vor Pharma-, Chemie- oder der Finanzwirtschaft an der Spitze. Der Erhebung zufolge gab es zu DMA und DSA mehr als 270 Treffen mit der EU-Kommission - 75 Prozent davon mit Lobbyisten der Industrie.

Der iPhone-Konzern Apple reagierte am am 24. März 2022 besorgt auf die Einigung. Man habe die Sorge, dass einige DMA-Vorschriften unnötige Datenschutz- und Sicherheitslücken für die Nutzer schaffen würden. "Andere Regelungen des DMA werden es uns unmöglich machen, Gebühren für geistiges Eigentum zu erheben, in das wir sehr viel investieren."

Björn Herbers, Partner und Rechtsanwalt im Brüsseler Büro der internationalen Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland, kommentiert die neue Gesetzesvorlage: "Die EU hat den Digital Markets Act in Rekordtempo verhandelt und hat jetzt die Chance, bei der Regulierung von digitalen Gatekeepern weltweit zum Taktgeber zu werden. Der finale Gesetzesentwurf ist sehr ambitioniert und geht an vielen Stellen noch über den ursprünglichen Kommissionsvorschlag hinaus. Damit schreibt die EU die wettbewerblichen Spielregeln für Plattformmärkte neu."

Aus Sicht des Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) zahlt der Digital Markets Act unmittelbar auf das wichtige Ziel ein, die digitale Transformation unabhängiger, nach eigenen Regeln und mithilfe europäischer Technologien zu gestalten: "Lange konnten große Tech-Konzerne ihre dominante Stellung am Markt durch Lock-In-Effekte zementieren und so die Entwicklung der digitalen Transformation maßgeblich bestimmen. Mit dem DMA müssen sich diese 'Gatekeeper' fortan in Europa einem fairen Wettbewerb um das beste Produkt stellen", erklärt BITMi-Vizepräsident Frank Karlitschek. (dpa/rs/rw)

Zur Startseite