Klage gegen Krishna und Rometty

Hat IBM seine Bilanzen geschönt?



Charlotte Trueman schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld. Sie beschäftigt sich unter anderem mit den Themenbereichen Collaboration und Nachhaltigkeit.
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
US-Anleger werfen IBM vor, Umsätze zwischen einzelnen Sparten verschoben zu haben, um Zukunftsbereiche besser dastehen zu lassen. Das habe den Aktienkurs künstlich aufgebläht und am Ende Investoren geschädigt.
Wo ist der Umsatz? Bei den Mainframes, in der Cloud, oder bei Watson ...?
Wo ist der Umsatz? Bei den Mainframes, in der Cloud, oder bei Watson ...?
Foto: JuliusKielaitis - shutterstock.com

Der Skandal um angeblich unsaubere Bilanzierungspraktiken bei IBMIBM geht in die nächste Runde. Vor einem Bezirksgericht im Süden von New York hat Anwalt Jacob A. Goldberg von The Rosen Law Firm am 13. Januar dieses Jahres im Namen des June E. Adams Irrevocable Trust Klage gegen den IT-Konzern (PDF) erhoben und will erreichen, dass eine Sammelklage zugelassen wird. Alles zu IBM auf CIO.de

Die Kläger beschuldigen 13 ehemalige und derzeitige IBM-Führungskräfte des Wertpapierbetrugs, weil sie Verkaufszahlen aus dem Mainframe-Geschäft mit denen weniger profitabler, aber zukunftsträchtigerer Produktbereiche vermischt haben sollen, um letztere erfolgreicher in den Bilanzen erscheinen zu lassen. Zu den Beklagten zählen auch der aktuelle amtierende IBM-CEO und -Chairman Arvind Krishna und die ehemalige IBM-Chefin Virginia "Ginni" Rometty.

Der aktuelle IBM-CEO Arvind Krishna soll für angebliche Bilanzmanipulationen der Vergangenheit zur Rechenschaft gezogen werden.
Der aktuelle IBM-CEO Arvind Krishna soll für angebliche Bilanzmanipulationen der Vergangenheit zur Rechenschaft gezogen werden.
Foto: drserg - shutterstock.com

Die IBM-Manager hätten sich an Handlungen, Praktiken und Geschäftsabläufen beteiligt, die darauf abzielten, die Anleger zu täuschen, lautet der zentrale Vorwurf der Anklage. Für den IT-Konzern sei es in erster Linie darum gegangen, seine Zukunftsprodukte aus den Bereichen Cloud, Analytics, Mobile, Social und Security (CAMSS) möglichst gut dastehen zu lassen. Dazu seien entsprechende Lösungen mit langfristigen Mainframe-Verträgen gebündelt worden. Die Einnahmen seien dann auf dem CAMSS-Konto verbucht wurden. IBM soll außerdem Erlöse aus dem Bereich Global Business Services (GBS) in die KI-Sparte unter der Marke Watson umgeschichtet haben.

Aktienkurs künstlich hochgetrieben

Diese Praktiken hätten letzten Endes zu verzerrten Informationen über die einzelnen Geschäftsbereiche geführt. Anlegern sei vorgegaukelt worden, dass IBM alte Geschäftsfelder hinter sich gelassen und neue, lukrative Märkte mit seinen CAMSS-Lösungen erfolgreich erschlossen habe. Infolgedessen seien IBM-Aktien zu künstlich hochgetriebenen Preisen gehandelt worden, was zu einem finanziellen Schaden für die damaligen Käufer der IBM-Wertpapiere geführt habe, heißt es in der Klage.

Wie IT-Konzerne ihre Cloud-Umsätze frisieren

Im Wesentlichen geht es um einen Zeitraum von 2015 bis Ende 2018. IBM hatte den Bereich CAMSS 2014 in der Ära Rometty (2012 bis 2020) als strategisch definiert. Ein Jahr später wurde die neue Ausrichtung mit dem Begriff Strategic Imperative (SI) umschrieben. Seit Anfang 2019 ist von beiden Begriffen bei IBM keine Rede mehr.

In der Ära von Ex-IBM-Chefin Virginia Rometty soll es mit den kreativen Umsatzbuchungen angefangen haben.
In der Ära von Ex-IBM-Chefin Virginia Rometty soll es mit den kreativen Umsatzbuchungen angefangen haben.
Foto: IBM

Auf eine Anfrage des US-amerikanischen CIO Magazins, einer Schwesterpublikation der COMPUTERWOCHE, gab IBM folgende Stellungnahme ab: "IBMs langjähriges Engagement für Vertrauen, Integrität und Verantwortung erstreckt sich auf alle Aspekte unseres Geschäftsbetriebs. Eine ähnliche Klage wurde bereits freiwillig wieder verworfen."

Höhere Boni für die IBM-Chefs

Tatsächlich hatte der June E. Adams Irrevocable Trust bereits Anfang April 2022 eine vergleichbare Klage beim selben Gericht in New York auf den Weg gebracht. Auch darin wurde IBM-Managern vorgeworfen, Umsätze zwischen Geschäftsbereichen verschoben zu haben, um den Aktienkurs des IT-Konzerns gut aussehen zu lassen. Als Motiv wurde IBM damals vorgeworfen, Führungskräfte hätten höhere Boni einstreichen wollen, da diese an die Aktie gekoppelt gewesen seien. Davon ist in der aktuellen Klageschrift nicht mehr die Rede.

Ende September 2022 wurde diese Klage denn auch zurückgezogen (PDF), allerdings mit der Option, den Fall in Zukunft möglicherweise noch einmal aufzunehmen. Warum der erste Anlauf der Kläger scheiterte, ist unklar. Insider mutmaßen, dass es hinter den Kulissen Streit zwischen den beteiligten Rechtsvertretern darüber gab, wie mit dem Fall umzugehen sei. Diese Streitigkeiten scheinen nun beigelegt, wie die neuerliche Aufnahme mit veränderter Stoßrichtung zeigt.

Wie US-Richter Vincent L. Briccetti nun verfährt und ob er eine Sammelklage zulässt, ist noch nicht abzusehen. Auch über die Höhe möglicher Schadensersatzforderungen liegen noch keine Informationen vor. Die IBM-Verantwortlichen haben sich bis dato nicht darüber geäußert, wie sie auf die neuerliche Klage reagieren wollen.

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