ALEXANDER RÖDER
„Hier laufen ein paar heiße Sachen“
ALEXANDER RÖDER fühlt sich offensichtlich wohl. Vor seinem Bürofenster erfüllt das Münchener Wetter gerade die Erwartungen: Winterwunderland am Mittleren Ring. Zur guten Laune trägt auch bei, dass Röder – als CIO ihn interviewt – im Januar ganz frisch ist in seinem neuen Job, vor kurzem aus Darmstadt umgezogen.
Mit seinen 52 Jahren ist dem promovierten Nachrichteningenieur klar, dass er künftig nicht immer in Watte gepackt sein wird. Eher schon ist es eine Rutschpartie, auf die sich der passionierte Skifahrer begeben hat. Seit Mitte November ist Röder Mitglied der Geschäftsführung von Viag Interkom, hat er als CIO die IT unter sich.
Viag Interkom gehört seit letztem Jahr zur britischen MMO2-Gruppe, einem Spin-off der British Telecom (BT). Der Konzern besteht aus den Mobilnetzbetreibern BT Cellnet (England), Telfort (Holland), Digifone (Irland) und eben Viag Interkom; dazu kommt das Mobil-Internet-Portal Genie. Mit einer halben Milliarde Pfund Schulden gestartet, muss MMO2, das sich im Frühjahr in O2 umbenennt, nun schnell aus den roten Zahlen heraus.
Agieren an mehreren Fronten
Das wird hart. Die horrenden Ausgaben (13 Milliarden Pfund) für die UMTS-Lizenzen hat zwar zum größten Teil noch BT spendiert. Aber mit dem Aufbau des Netzes und der unterstützenden IT-Systeme stehen O2 und seine Gruppenunternehmen allein da. Viag-Geschäftsführer Rudolf Gröger gilt als harter Sanierer. Dass er Röder geholt hat, kommt sicher nicht nur daher, dass die beiden sich gut aus gemeinsamer Zeit bei der Telekom-Tochter T-Systems kennen. Der Viag-Boss erwartet von Röder, dass er den Sparkurs von der IT-Seite her abstützt, ohne die erforderlichen Innovationen zu gefährden. Der neue CIO: „Die IT muss Viag den Weg in die Mobilfunkzukunft ebnen.“ Röder sagt nicht, über welche Mittel er verfügt. Nur so viel gibt er preis: „Das Budget bleibt stabil, aber die Kosten pro Leistungseinheit müssen runter. Mit den Sparerträgen werden anstehende Dinge erledigt.“
Und die haben es in sich. Das UMTS-Netz baut zwar sein Geschäftsführungskollege, CTO Charly Rohrsen, auf. Doch Röder muss an mehreren Fronten agieren. Einmal wird die Gebührenabrechnung komplizierter, wenn nicht mehr pro Zeiteinheit, sondern nach Datenvolumen abgerechnet wird; die vorhandenen Billing-Systeme leisten das nicht. „Kann sein, dass wir da einen Rucksack dranhängen oder dass es modulare Weiterentwicklungen geben wird“, so Röder. Zum anderen kommen Aufgaben hinzu, die sich aus dem neuen Geschäftsfeld der Unternehmenskunden ergeben. Und es fehlt noch an einer Infrastruktur, um mobile Breitbandendgeräte mit Inhalt zu versorgen. „Das muss via Web möglich sein, weil die kleinen Geräte für eine Konfiguration kaum taugen“, erläutert Röder. „Nur so können unsere Kunden im Funknetz die per Web bestellten Inhalte nutzen.“
Apropos Inhalte. Ob es die „Killerapplikation“ für das UMTS-Netz geben und welche es eventuell sein wird, vermag Röder noch nicht zu sagen. Aber von den ortsabhängigen Diensten, die bereits im GSM-Netz angeboten werden, verspricht er sich auch in Zukunft viel. „Als Zugereister weiß ich, was Restaurant- und Bankomat- Verzeichnisse wert sind“, sagt der Neu-Münchener.
Bald ist Röder jedoch wieder beim Thema Kosten. Niemand soll eine 600-Leute-Abteilung als Groschengrab sehen. „Bei Viag ist die IT Teil des Kerngeschäfts; und damit muss sie als Business-Enabler fungieren“, betont er in bestem Anglo-Schwäbisch. „Damit sie das kann, brauchen wir klar definierte Kunden-Lieferanten- Verhältnisse mit allen Abteilungen.“ Röder macht deutlich, dass das nicht ganz selbstlos gemeint ist. Keine Rede von: Die Fachabteilung ist der Kunde, und der Kunde ist König. Er mahnt vielmehr ein scharfes Controlling der Nachfrager an: „Wenn die Fachbereiche ihre Budgets ausgeschöpft haben, müssen wir überlegen, ob sie neue Requirements stellen können.“ In vielen Fällen gebe es keine IT-Ausgabenlimits für die Fachbereiche, was dem Schwaben im Allgemeinen und dem CIO im Besonderen ein Gräuel ist: „Das ist genauso absurd, als würde ich mir ein neues Auto holen, ohne es zu bezahlen, weil der Händler das Geld schon von irgendwoher kriegt.“
Dezentrales Procurement angestrebt
Neben dem Finanz-Controlling steht nach Röders Auskunft ein technisch orientiertes IT-Controlling weit oben auf der To-do-Liste. „Da geht es etwa um die Auslastung der Assets oder um Wartungsverträge“, erläutert er, um zu ergänzen: „IT-Controlling soll das Controlling der Firma nicht ersetzen, sondern ihm zuarbeiten.“ Das wird im O2-Konzernverbund noch ein großes Thema, ist Röder überzeugt. Er sieht in der Kooperation der Schwestergesellschaften ein „Riesenpotenzial für Synergien“. „Alle haben eigene Billing-Systeme, einen eigenen Customer- Service und so weiter.“ Deshalb stehe auf der Aktionsliste die Einkaufsbündelung ganz oben. O2 strebe ein dezentrales Procurement an, in dem den Einzelgesellschaften Mandate erteilt werden, bestimmte Güter und Services für die anderen mit einzukaufen. „Wie das aufgeteilt wird und was standardisiert werden soll, darüber reden wir gerade“, verrät er.
Röder steht in seinem neuen Job also doppelt in der Verantwortung: bei Viag und im Konzern. Gelegentlich beeindruckt es den IT-Veteranen schon, was da auf ihn zukommt. „Das ist alles nicht trivial“, sagt er. „Hier laufen ein paar heiße Sachen.“ Etwas Schnee kann ihm da nur recht sein.