Deutsche Social Collaboration Studie 2023
"Hybrid Work ist nötig, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden"
Sind inzwischen nicht längst alle Arbeitsplätze, die es sein können, digital eingerichtet?
Ovcak: Natürlich hat die Pandemie bei vielen Organisationen in den letzten drei Jahren für einen großen Schub gesorgt. Sie mussten zwangsläufig eine grundsätzliche Remote-Fähigkeit erreichen und dazu den Arbeitsplatz digitalisieren. Dennoch sehen wir heute noch große Unterschiede beim Reifegrad. Branchen wie IT und Kommunikation sind schon sehr weit fortgeschritten, das Gesundheitswesen und der öffentliche Dienst stehen eher noch am Anfang.
Dabei ist es wichtig, den digitalen Arbeitsplatz etwas differenzierter zu betrachten als "die einen haben noch Fax, die anderen schon E-Mail". Einerseits sollte man sich die wichtigen Dimensionen ansehen, also die verfügbaren Technologien sowie die digitale Fitness der Organisation. Andererseits ist der digitale Arbeitsplatz weniger als diskreter Zustand, sondern vielmehr als Kontinuum zu verstehen, denn er muss ständig weiterentwickelt werden.
So wird Unternehmenskultur digitaler
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Technologieverfügbarkeit und digitaler Fitness?
Ovcak: Organisationen starten häufig mit der reinen Bereitstellung von Technologien - und stellen dann fest, dass Mitarbeiter diese gar nicht nutzen. Anschließend investieren sie in Change-Management-Maßnahmen, um die Technologienutzung zu steigern. Erst dann entsteht ein sich verstärkender Effekt, da durch die Technologienutzung neue Fragen - fernab der IT - auftreten.
Zum Beispiel?
Ovcak: Stelle ich Collaboration Tools wie Teams oder ein Corporate Social Network wie Viva Engage -vormals Yammer - bereit, dann eröffne ich dialogische Kommunikationswege, wo früher häufig nur Top-Down-Management-Kommunikation via Newsletter oder Intranet anzutreffen war. Wie dialogisch möchte ich als Unternehmen mit meinen Mitarbeitern agieren? Wie nahbar sollen meine FührungskräfteFührungskräfte sein? Was muss sich in der Leadership-Ausbildung verändern? So kommt häufig ein Prozess in Gang, der die Unternehmenskultur digitaler werden lässt und zu moderneren Arbeitsmethoden führt. Alles zu Personalführung auf CIO.de
Digitale Fitness ist unerlässlich
Was bringt das den Unternehmen?
Ovcak: Letztlich ist es diese neue digitale Fitness, die Organisationen für Mitarbeiter attraktiv macht und ein entscheidender Wettbewerbsfaktor im War for Talents ist. Unsere Studie zeigt deutlich, dass digital arbeitende Fachkräfte, die also eine Organisation mit hoher digitaler Fitness vorfinden, grundsätzlich zufriedener sind.
Anders formuliert: Organisationen können Mitarbeiter gewinnen und binden, indem sie den Reifegrad ihres digitalen Arbeitsplatzes erhöhen. Moderne Technologien, modernes Leadership, aktuelle Methoden und eine digitale Unternehmenskultur sind dafür zentrale Punkte. Dafür sollten IT, HR und die Unternehmenskommunikation zusammenarbeiten.
Und was sollten Unternehmen beachten, wenn es um den Umgang mit der viel diskutierten Generation Z geht?
Ovcak: Die GenZ bereitet vielen Organisationen und Personalabteilungen aktuell Kopfzerbrechen: Was will sie, wie kann ich sie gewinnen, wie kann ich produktiv mit ihr zusammenarbeiten? Die gute Nachricht aus der Studie: Sie tickt hinsichtlich des digitalen Arbeitsplatzes nicht anders als andere Generationen.
Erklären statt Vorschreiben ist der neue Stil
Auch hier ein Beispiel: Auch der GenZ ist das Büro wichtig. Dass sie nur aus hippen Cafés oder dem Home-Office arbeiten möchte, stimmt so einfach nicht. Sie wünscht sich Eigenverantwortung und Flexibilität in der Arbeitsplatzwahl, verbunden mit dem Zugehörigkeitsgefühl einer Gemeinschaft sowie dem persönlichen Austausch im Büro. Das Gesamtpaket aus Leadership, Kultur und Technologie muss einfach stimmig sein.
Das ist leicht gesagt, was müssen Unternehmen in der Praxis berücksichtigen?
Ovcak: Die flexible Wahl des Arbeitsortes ist nicht nur eine technische, sondern auch eine organisatorische Herausforderung. Führungskräfte - gerade im mittleren Management - müssen sich fast schon neu erfinden: Neue eigene Arbeitsweisen und "Erklären statt Vorschreiben", das sind für viele echte Veränderungen.
Der Change ist zudem für die IT erheblich. Denn mit einem modernen digitalen Arbeitsplatz erhält häufig die Cloud Einzug in Unternehmen. Wo früher in mehrjährigen Release-Zyklen und getrennten Applikationsbereichen gedacht wurde, sind heute Evergreen und Plattformen angesagt. Ein neues Target Operating Model (TOM) und ein neues Selbstverständnis für die IT sind häufig notwendige Veränderungen.
Es geht um die richtige Art der Zusammenarbeit
Hybrid Work ist praktisch, doch wie wirkt sich das auf die Mitarbeiterbindung aus?
Ovcak: Hier liefert unsere Studie ebenfalls interessante Ergebnisse. Sie zeigt deutlich, dass remote oder hybrid Arbeitende nicht weniger loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber sind als vollständig im Büro Anwesende.
Weiterhin belegt sie, dass das Well-being von remote Tätigen nicht grundsätzlich schlechter ist. In der Pandemie sind viele Bedenken hinsichtlich eines verdichteten Arbeitsalltags durch Remote Work aufgekommen. Organisationen müssen dieses Problem ernst nehmen. Es zeigt sich jedoch, dass mit der richtigen Art der Kultur und Zusammenarbeit, etwa durch das Respektieren von Blockern im Kalender, Pausen und Arbeitszeiten, das Well-being von Beschäftigten mit flexibler Wahl des Arbeitsortes steigt.
Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie bei Hybrid Work?
Ovcak: In der Praxis gibt es tatsächlich diverse Herausforderungen, zum Beispiel hybride Meetings: Sind einige Personen vor Ort in einem Besprechungsraum und andere remote zugeschaltet, fängt dies mit dem physischen Layout des Raumes an. Denn er muss sowohl den vor Ort Anwesenden als auch den remote Teilnehmenden eine gute Sichtbarkeit bieten. Gleichzeitig ist eine geeignete Technologie nötig, um alle gut mit Bild und Ton zu versorgen.
Keine starren Vorgaben mehr
Zudem geht es um die persönliche digitale Fitness der Teilnehmenden, damit sie die Funktionen effizient nutzen. Dies beginnt mit der schnellen Einwahl, reicht über das Einschalten der Kamera, um Gestik und Mimik zu transportieren, über das Teilen von Folien bis zum sequenziellen Sprechen, damit insbesondere auch die remote Teilnehmenden zu Wort kommen. In der Praxis scheitern viele Organisationen häufig schon an solchen Basics.
Mit interaktiven Meeting-Elementen, wie dem gemeinsamen Arbeiten an Flipcharts, oder bei Gruppengrößen von mehr als 20 Personen steigen die Anforderungen dann rapide. Spätestens dafür ist es notwendig, in Schulungen das Warum und Wie zu erläutern.
Wie können Unternehmen ihre Belegschaft wieder zurück ins Büro holen?
Ovcak: Die einfachste Möglichkeit wären natürlich starre Vorgaben wie "Dienstag und Mittwoch sind Bürotage". Doch weder für die Organisation noch für ihre Mitarbeiter sind solche Vorgaben ideal. Stattdessen sollte jede Organisation und jedes Team klären, in welchen Situationen das Büro einen echten Mehrwert liefert. Dann können auch die Mitarbeiter nachvollziehen, wann welche Kollegen und Kolleginnen im Büro sind und wann sie selbst vor Ort sein sollten.
Die Organisation ist gefordert, diese Mehrwerte auch tatsächlich entstehen zu lassen. Das ist erstmal eine konzeptionelle Aufgabe, die im zweiten Schritt häufig mit Technologien unterstützt werden kann, und schließlich eine kommunikative Aufgabe, das alles auch der Belegschaft zu vermitteln.
Hybrid Work ist kein Luxus mehr
Angesichts des Fachkräftemangels müssen Unternehmen neue Mitarbeitende gewinnen und vorhandene Experten halten. Ist Hybrid Work dann noch ein Unterscheidungsmerkmal?
Ovcak: Mitarbeiter vertreten ihre Bedürfnisse heute viel selbstbewusster, auch weil der FachkräftemangelFachkräftemangel die Kräfteverhältnisse im Markt in ihre Richtung verschoben hat. Hybrid Work wird damit immer weniger zum Unterscheidungsmerkmal, sondern zur notwendigen Voraussetzung, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de
Die Qualität von Hybrid Work und etwas weiter gefasst die Employee Experience, die eine Organisation bietet, ist das eigentlich wichtige Unterscheidungsmerkmal. Wie gelingt es, den Purpose von einer schönen Powerpoint-Folie in die einzelnen Ziele und Aufgaben der Belegschaft zu transportieren? Wie kann ich transparent und wertschätzend kommunizieren? Wie schaffe ich eine positive Kultur und Leadership? Das sind einige zentrale Fragen, die jede Organisation für eine gute Employee Experience beantworten muss. Der digitale Arbeitsplatz bildet dann letztlich den virtuellen Raum, um sie zu erleben.
Modern-Workplace-Untersuchung Je digitaler der Arbeitsplatz, desto zufriedener die Mitarbeiter. Das ist ein zentrales Ergebnis der Deutschen Social Collaboration Studie 2023 von Campana & Schott und der TU Darmstadt. Unternehmen profitieren auf vielfältige Weise vom digitalen Arbeitsplatz. Nach Ansicht der Befragten fördert er insbesondere die Zusammenarbeit und Kommunikation über die Grenzen verschiedener Teams und Abteilungen hinweg (5,04 auf einer Skala von 1 bis 7). Er stellt einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und bisherige zu halten (4,99). Der digitale Arbeitsplatz hilft aber auch dabei, bessere Entscheidungen zu treffen (4,84), den Austausch zu innovativen Ideen voranzutreiben (4,81) und die Agilität im Unternehmen zu fördern (4,80). Die Studie ergab aber auch, dass erst ein Drittel der Unternehmen den digitalen Arbeitsplatz vollständig eingeführt hat. Dieser sei aber laut Umfrage eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung von Hybrid und Remote Work. Die Studie zeigt darüber hinaus eine deutliche Korrelation zwischen dem zunehmenden Fortschritt des digitalen Arbeitsplatzes und der positiven Bewertung der Employee Experience mit all ihren Faktoren. So sind Loyalität, Zusammenarbeit, persönliches Wachstum, Vertrauen und Wohlbefinden besser, wenn der digitale Arbeitsplatz reifer ist und reibungslose Hybrid Work ermöglicht. Zufrieden sind die Mitarbeiter mit der Zusammenarbeit mit ihren Kollegen und fühlen sich ihrem Unternehmen zugehörig, doch mit ihrer Work-Life-Balance und ihrem persönlichen Wachstum sind sie weniger zufrieden. Schlusslichter sind Motivation und Vision sowie Vertrauen in die Entscheidungskompetenz der Führungskräfte und des Unternehmens (4,5). Auch beim Thema Unternehmenskultur klafft eine deutlich Lücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Besonders groß ist die Differenz bei der transparenten Kommunikation, der Weiterbildung und der Unternehmensvision. In allen Bereichen verbessert jedoch ein digitaler Arbeitsplatz die Werte für die Zufriedenheit mit dem Status quo. Die vollständige Studie ist hier erhältlich. |
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