Retail IT


Künstliche Intelligenz

In welche Technologien der Handel investiert

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Der Handel forciert Künstliche Intelligenz und Analytics, stellt aber den Hype um Internet of Things (IoT) und Virtual Reality hintenan. Der US-Marktforscher Forrester rät, den gesamten Einkaufsprozess aus Sicht des Endkunden und seiner Pain Points noch genauer zu zerlegen.
  • Der Handel ist bereits gut aufgestellt in den Punkten Liefervorgang aus Kundensicht, Personalisierung und digitale Ansprache, aber noch nicht in der Analyse der "Pain Points" beim Bezahlvorgang
  • Bisher erwarten Kunden nicht, im Geschäft ohne die klassische Kasse bezahlen zu können
  • Viele Handelsunternehmen stellen dieser Tage neue Führungskräfte ein, deren einzige Aufgabe im Vorantreiben der Digitalisierung besteht
Forrester teilt Lösungen rund um Retail-IT in drei Dringlichkeitsstufen ein.
Forrester teilt Lösungen rund um Retail-IT in drei Dringlichkeitsstufen ein.
Foto: Forrester

In welche Technologien investieren Handelsunternehmen - das untersucht der US-Marktforscher Forrester in der Studie "The top retail technology investments in 2018". Nach dem Vorbild einer Ampel teilt Forrester die geplanten Investitionen in drei Dringlichkeitsstufen ein.

1. Grüner Bereich: Akuten Bedarf sehen die befragten 30 Einkaufsexperten in den Feldern Künstliche Intelligenz/Machine LearningMachine Learning, Analytics-Lösungen, Omni-Channel, Digitale Stores und Personalisierung. Alles zu Machine Learning auf CIO.de

Das Unternehmen Wayfair beispielsweise vertreibt Möbel und Einrichtungsgegenstände über das Internet. Kunden können sich mittels einer App ansehen, wie ein bestimmtes Möbelstück in ihrem Wohnzimmer aussehen würde. Die App informiert über die Abmessungen des Gegenstands, so dass der Verbraucher das Gewünschte in der realen Größe dreidimensional sehen kann. Er betrachtet quasi ein Foto seines Wohnzimmers mit der neuen Einrichtung. Eine echte Entscheidungshilfe, so das Feedback der Kunden.

Forrester hat in früheren Studien erhoben, dass gut 80 Prozent der Endverbraucher bereit sind, ihre Daten preiszugeben, wenn sie einen subjektiven Mehrwert davon haben. Hier können Einzelhändler ansetzen.

2. Gelber Bereich: Mäßiges Interesse äußern die Befragten an Technologien rund um Sameday-Delivery, automatisierte Kassen, Chatbots, Abo-Services und Experience-Zentren.

Forrester hält die Zurückhaltung in diesen Bereichen für vernünftig. Zwar zeigten Umfragen, dass Kunden die Möglichkeit, eine Lieferung am Bestelltag zu erhalten, grundsätzlich schätzen. Wird ihnen dieser Service konkret angeboten, nutzen sie ihn aber gar nicht besonders häufig, jedenfalls bisher nicht. Händler sollten daher Aufwand und Ertrag abwägen. Auch die Möglichkeit, über Geräte zu bezahlen und Geschäfte ohne Kontakt zu Angestellten zu verlassen, steht bei Verbrauchern bisher nicht besonders hoch im Kurs. Sie erwarten so etwas derzeit nicht.

3. Roter Bereich: Unten auf der Liste geplanter Investitionen stehen das Internet of Things (IoT), Marktplätze, Virtuelle Realität beziehungsweise Augmented Reality, progressive Web-Apps und Conversational Commerce (der Einsatz von Kommunikationsmedien wie Messaging-Diensten und Chats).

Stichwort Internet of Things: Forrester kommentiert, Lösungen rund um das Internet der Dinge seien ausgereift genug für Hersteller und Händler - nicht aber für die Endverbraucher. Zwar hätten Modemarken wie Levi's und Nike begonnen, Kleidungsstücke mit smarten oder vernetzbaren Technologien auszustatten, aber die Endverbraucher sprängen bisher nicht auf diesen Zug auf.

Drei Ratschläge an Handelsunternehmen

Forrester rät Entscheidern im HandelHandel zu drei Schritten: Top-Firmen der Branche Handel

1. Die Pain Points des Verbrauchers aufspüren und beseitigen: Wie erlebt der Kunde die Lieferung seiner Ware - in der Analyse dessen sieht Forrester den Handel bereits gut aufgestellt. Auch in Fragen der personalisierten Kundenansprache und digitaler Ansprache, die aus Verbrauchersicht echten Mehrwert bietet, ist der Handel aktiv. Was fehlt, ist eine genaue Analyse des Bezahlvorgangs und der "Pain Points", die den Verbraucher frustrieren könnten.

2. Use Cases erstellen, bevor in eine publikumswirksame Innovation investiert wird: Händler können die Aufmerksamkeit der Presse generieren, in dem sie schnell in die aktuellsten Buzzwords investieren. Doch mediale Präsenz führt nicht automatisch zu mehr Absatz. Forrester rät, jede neue Technologie auf ihre Tauglichkeit abzuklopfen und nicht ohne Use Case zu starten.

Eben hierin liegt für die Analysten auch der Grund, dass Hype-Themen wie Virtual Reality und Internet der Dinge soweit unten auf der aktuellen Prioritätenliste stehen. Die Entscheider sehen noch nicht, wie sie konkreten Nutzen daraus ziehen sollen.

3. Digitalisierung Top Down umsetzen: Forrester unterstützt die These, wonach digitale Transformation von der Unternehmensspitze her umgesetzt werden muss. Viele Handelsunternehmen stellten dieser Tage neue Führungskräfte ein, deren einzige Aufgabe im Vorantreiben der Digitalisierung besteht. Die Unternehmen erwarten von diesen Managern, dass sie die Organisation umstrukturieren.

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