Zukunft ungewiss
Internationale Raumstation ISS wird 25 Jahre alt
Totgesagt wurde die ISS schon vielfach, aber noch umkreist der Außenposten der Menschheit weiter in rund 400 Kilometern Entfernung 16 Mal pro Tag die Erde. Sieben Männer und Frauen aus den USA, Dänemark, Japan und Russland sind derzeit an Bord der Internationalen Raumstation und werden dort am Montag (20. November) ein Jubiläum begehen können: 25 Jahre alt wird die ISS, genau ein Vierteljahrhundert ist es her, dass das erste russische Modul "Sarja" (auf Deutsch: Morgenröte) ins All geschossen wurde.
"Wir feiern das 25-Jährige der ISS", sagte der Chef der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, Juri Borissow, zum Jubiläum erleichtert. Zugleich betonte er: "Zweifellos ist nichts für die Ewigkeit. Die Station wird alt." Rund 80 Prozent der russischen Ausrüstung hätten heute ihre "garantierte Höchstlebensdauer" erreicht. Im Januar 1998 war in Washington das Abkommen über den Bau der Anlage unterzeichnet worden - als Nachfolger der sowjetischen Raumstation "Mir".
ISS als Völkerverständigungsprojekt
Zuvor hatte am 25. Januar 1984 der damalige US-Präsident Ronald Reagan die US-Raumfahrtagentur Nasa mit der Entwicklung einer bemannten Raumstation beauftragt. Die Nasa holte über die Jahre unter anderem die Raumfahrtagenturen Kanadas, Japans und Europas mit an Bord - und mit dem Ende der Sowjetunion dann auch die russische, ein Völkerverständigungsprojekt nach dem Ende des Kalten Krieges.
Seither ist die ISS immer weiter gewachsen. Inzwischen ist sie etwa so groß wie ein Fußballfeld, eine Art 450 Tonnen schweres Haus mit sechs Schlafzimmern, zwei Badezimmern, einem Fitnessstudio und einem Panorama-Fenster - und dazu technisch vielfältig ausgerüstet. Die meisten Bauteile stammen aus den USA und Russland.
Über 100 Milliarden Euro Kosten
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst, der bereits zweimal zu Gast war, nannte die ISS die "komplexeste, wertvollste & unwahrscheinlichste Maschine, die die Menschheit jemals gebaut hat". Die Gesamtkosten liegen längst weit über 100 Milliarden Dollar. Seit dem Jahr 2000 forschen ohne Unterbrechung Raumfahrer und Raumfahrerinnen in diesem Weltraumlabor, nach Gerst als zweiter Deutscher 2021 bis 2022 auch noch Matthias Maurer. Er sieht die ISS auch 25 Jahre nach ihrem Baustart als Friedensprojekt. "Definitiv. Wenn man von dort auf die Erde schaut, fragt man sich: Was könnten wir wohl erreichen, wenn wir dort unten so gut zusammenarbeiten könnten wie hier oben?", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Immer wieder schauten auch einzelne Touristen vorbei, einmal sogar ein russisches Filmteam. Am längsten am Stück waren mit 371 Tagen bislang der US-Astronaut Frank Rubio und die beiden russischen Kosmonauten Sergej Prokopjew und Dmitri Petelin an Bord der ISS, im September kamen sie zurück.
Begrenzter Wohlfühlfaktor
Der Blick in den Weltraum und auf die Erde ist spektakulär, wie die unzähligen an Bord gemachten Fotos zeigen - aber wirklich gemütlich ist es auf der ISS nicht. Bei voller Besetzung gibt es kaum Privatsphäre, die Mahlzeiten kommen aus der Tüte, das Waschen ist mühselig. Bisweilen ist auch mal ein Klo defekt.
Ex-Bewohner berichteten zudem von Gerüchen und Geräuschen, die das Leben an Bord der ISS nicht immer angenehm machen. Viel Arbeitszeit müssen die Raumfahrer für die Wartung von Geräten und zum Putzen aufwenden. Mindestens zwei Stunden am Tag trainieren die Bewohner im Fitnessstudio, um Muskeln und Knochen in der Schwerelosigkeit intakt zu halten.
Die Feierlaune hält sich zum 25. Jubiläum der ISS in Grenzen - auch, weil es keine einfachen Zeiten für die Wohngemeinschaft im All sind. Trotz Wartung, Renovierung und Nachrüstung ist die Technik der ISS - entworfen hauptsächlich in den 80er Jahren - längst nicht mehr auf dem allerneuesten Stand. Immer wieder gibt es Berichte über Schäden, Fehler, Lecks und andere Probleme.
Zudem macht die derzeitige weltpolitische Lage den Betrieb der ISS nicht gerade einfacher. Die ISS ist eines der wenigen Objekte, bei denen US-Amerikaner und Russen nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar 2022 noch zusammenarbeiten. Russland beklagt sich vor allem über die Sanktionen der USA und der EU im Zuge des Überfalls auf die Ukraine. Die Europäische Weltraumorganisation Esa stieg aus gemeinsamen Projekten mit Roskosmos aus.
Gute Zusammenarbeit zwischen Russland und den USA
Die Raumfahrtbehörden der USA und Russlands sowie auch die Raumfahrer und Raumfahrerinnen betonen immer wieder, die Zusammenarbeit laufe nach wie vor gut. Weiter gibt es zudem gemeinsame Flüge zur ISS, mit russischen "Sojus"-Kapseln und dem US-amerikanischen "Dragon" der Firma SpaceX von Elon Musk. Der von Boeing entworfene "Starliner" verzögert sich hingegen wegen technischer Probleme weiter.
Etwa bis 2028 könnte die ISS noch gemeinsam betrieben werden, darüber gibt es weitgehendes Einvernehmen, danach könnte sie kontrolliert in den Pazifik stürzen. Bestrebungen nach einer Privatisierung und Kommerzialisierung der Station waren bisher nicht so fruchtbar wie erhofft. Unterdessen haben zahlreiche Länder, darunter auch die USA und Russland selbst, neue eigene Raumstationen angekündigt - und China hat seine schon in Betrieb.
Russland spricht immer wieder über den Bau einer eigenen neuen Station. Dafür sollen bis 2032 laut Roskomos-Chef Borissow rund 609 Milliarden Rubel (6,28 Milliarden Euro) ausgegeben werden. Dabei arbeitet Russland unter anderem eng mit China und Indien zusammen. Beginnen soll der Bau der Russischen Orbitalstation (ROS) mit dem Start des ersten Moduls frühestens 2027. Als Clou geplant ist etwa ein 3D-Drucker, wie der Hauptkonstrukteur Wladimir Koschewnikow sagt. Damit sollen Ausrüstungsgegenstände und Interieur direkt im All "gedruckt" werden. (dpa/rs)