Analystin im Interview
IT-Automatisierung bietet Chancen, aber ...
Wo stehen deutsche CIOs, wenn es um die IT-Automatisierung geht?
Eveline Oehrlich: Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn die Rollen und Aufgaben der CIOs werden unterschiedlich interpretiert. Die einen verstehen sich eher als Businesspartner, die anderen als Serviceprovider und die Dritten als Verantwortliche für einen reibungslosen IT-Betrieb. Dazu kommt, dass alle CIOs in diesem Jahr unter einem hohen Kostendruck stehen. Ihre Budgets sind nicht gestiegen und werden wahrscheinlich auch nicht steigen.
Was ja ein Anreiz für mehr Automatisierung sein sollte …
Oehrlich: Schon, aber Automatisierung bedeutet immer erstmal eine Investition. Bevor es losgehen kann, müssen Prozesse, Funktionen und das Toolangebot durchdrungen und verstanden werden. Das kostet Geld - weshalb viele Automatisierungen zwar initiert werden, aber sich dann auf bestimmte Funktionen oder Prozesse beschränken. Zum Beispiel sehen wir, dass durch die Anwendung von IT Service Management (ITSM) viele Prozesse automatisiert werden, aber da gibt es noch viel Luft nach oben.
Gehen die CIOs in ihren diversen Rollen auch unterschiedlich an Automatisierungsaufgaben heran?
Oehrlich: Ja. Der CIO als Partner des Business wird eher investieren, um die Kundenerfahrung zu verbessern und Geschäftsprozesse, die DigitalisierungDigitalisierung oder Industrie-4.0-Projekte anzugehen. Da werden zum Beispiel Codeless-Plattformen interessant, auch Workflow Automation und Anwendungen wie Robotic Process Automation (RPA). Hier wird mit ITSM-Erfahrungen auch das Enterprise Service Management (ESM) vorangetrieben. DevOpsDevOps, DevSecOps und agile Methoden werden benutzt, und das Denken ist ganz auf die Value Streams und Produkte fokussiert. Alles zu DevOps auf CIO.de Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Der CIO als Service-Provider wird sich darauf konzentrieren, wie die Prozesse innerhalb der verschiedenen Funktionen automatisiert werden können. Er wird Service-Portale und Methoden einführen, die für einen effektiven Ablauf der IT Serviceerstellung wichtig sind. Hier werden auch Prozesse wie Service Integration and Management (SIAM) wichtig. Dagegen wird der CIO mit dem Fokus auf "Running the technology" tendenziell rationieren statt zu automatisieren. Er sieht seine Aufgabe nicht darin Neues zu gestalten, sondern Bewährtes zu reduzierten Kosten zu liefern.
CIOs müssen mit der Automatisierung vorangehen
Was müssen IT-Verantwortliche tun, um Fortschritte in der IT-Automatisierung zu erreichen?
Oehrlich: Das Thema ist für die IT ja nichts Neues. Viele Scripts und Batchjobs sind längst vorhanden, und CIOs verstehen ganz gut, was Automatisierung bedeutet. Egal, wie sie ihre Rolle interpretieren und wie modern die Organisation und die IT sind, der CIO muss einschätzen können, was realistisch machbar ist und welche Szenarien die besten Ergebnisse für den Erfolg des Unternehmens bringen werden.
Was heißt das konkret? CIOs, die in ihrem Unternehmen automatisieren wollen, müssen in ihrem eigenen Geschäftsbereich vorangehen und ihren Erfolg dann auf andere Funktionen wie Marketing, Personalwesen, Verkauf etc.übertragen. Zum Beispiel kann ein Serviceportal eingerichtet werden, das in der IT und - mit anderen Funktionen - in der gesamten Organisation genutzt wird. Ein anderer Ansatz wäre, Prozesse die den Kundenkontakt angehen, mit Value Stream Maps darzustellen, zu verstehen und zu verbessern.
Wenn man sich die ITSM-Landschaft mit ihren vielen Aspekten vor Augen hält: Wo greift dort das Thema Automatisierung am ehesten beziehungsweise wo sind die niedrig hängenden Früchte zu ernten?
Oehrlich: Die einfachsten Schritte führen oft zu den besten Resultaten, so lässt sich ein Wow-Effekt herbeiführen. Da gibt es ein gutes Buch vom CEO der Scandinavia Airlines (SAS), "The Moments of Truth". Darin geht es unter anderem um diesen Wow-Effekt. Übertragen auf die IT heißt das: Wann immer ein Mitarbeiter etwas von der IT will, sollte diese Interaktion eine positive Emotion bei ihm auslösen.
Das kann durch das Vereinfachen von Prozessen geschehen, durch das Einsetzen von qualifizierten Hilfsmitteln wie Knowledge Management oder auch durch Self-Service-Möglichkeiten. Die Prozesse sollten effizient und einfach sein, und die Mitarbeiter sollten diese Prozesse bewerten und Kritik üben können, um sie weiter zu verbessern. Damit würde also eine Feedback-Schleife eingeführt, so dass IT und Business gemeinsam an der Fortsetzung des Wow-Effekts arbeiten könnten.
Im Zusammenhang mit der IT-Automatisierung ist häufig die Rede von AIOps. Meinen alle dasselbe, wenn sie das Kürzel in den Mund nehmen? Was bedeutet es wirklich?
Oehrlich: AIOps hat wirklich einen Sprung gemacht, die Technologie hat das Teststadium verlassen und ist in der operativen Praxis angelangt. Die meisten IT-Organisationen haben verstanden, dass es sich um eine Verbesserung ihres operativen Geschäfts mittels künstlicher Intelligenz handelt. Aber der Einsatz von AIOps verläuft in den verschiedenen Organisationen unterschiedlich. Das hängt vor allem damit zusammen, dass nicht jede Umgebung gleich ist.
Manchmal sind die eingesetzten Anwendungen auf dem neuesten Stand, Daten sind leicht zu erfassen. In anderen Unternehmen ist die Applikationslandschaft komplex, die Daten sind nur schwer zu erfassen. Wichtig ist allerdings dass sich die grundsätzliche Haltung in allen IT-Shops verändert hat: Die für den IT-Betrieb verantwortlichen Mitarbeiter wissen, dass reaktive Arbeitsmodelle keine Zukunft mehr haben und neu gedacht werden müssen. Ansätze wie Site Reliability Engineering (SRE) und DevOps schreiten weiter voran, das Einsetzen von AIOps unterstützt diese operativen Modelle und wird zum wichtigen Bestandteil einer agilen IT-Operation.
Wir stehen in den Unternehmen vor exponentiellem Datenwachstum bei einer hohen Datendiversität. Bringt das Komplikationen für die Automatisierung? Welche neuen Anforderungen entstehen?
Oehrlich: Dieses Problem in den Griff zu bekommen, wird mit DataOps versucht. Dabei geht es - verkürzt gesagt - darum, nutzbare und vertrauenswürdige Daten für Anwender, Operations oder Applikationen ständig automatisiert bereitstellen zu können. Mitarbeiter aus verschiedenen Funktionen sind damit beschäftigt, eine hohe Datenzuverlässigkeit und -sicherheit, kurze Bereitstellungszyklen und ein kosteneffektives Datenmanagement voranzutreiben. Diese Methodik steht noch am Anfang, aber sie ist eine wichtige Weiterentwicklung in der Zusammenarbeit von IT- und Businessteams, um gemeinsam besser und effektiver entscheiden zu können.
Wird es neue Rollen in der IT-Organisation geben durch den Trend zur Automatisierung? Welche Skills werden gebraucht?
Oehrlich: Es gibt schon lange Rollen in der IT, die für die Automatisierung zuständig sind. Diese Leute haben bisher eher in kleinen Gruppen gearbeitet und keine übergreifende Funktion gehabt. Heute verbinden sich Teams aus verschiedenen Bereichen und haben den Auftrag zu automatisieren. Zum Beispiel gehört es zur Jobbeschreibung des SRE-Teams, den Anteil operativer Arbeit, auch "Toil" genannt, zu senken und gleichzeitig mit den Developern an neuen Methoden der Bereitstellung von Applikationen zu arbeiten. Beide Themen, Toil wie Development, brauchen einen hohen Automatisierungsgrad.
Andere Funktionen, etwa DevSecOps, sind damit beschäftigt zu verstehen, wie bessere Automatisierung und das frühzeitige Einbinden von Tests in den Entwicklungsprozess zu sichereren Prozessen und Produkte führen kann. Wieder andere werden RPA einführen, um verschiedene manuelle Tätigkeiten loszuwerden. Für all diese Automatisierungsaufgaben ist es unerlässlich, die Prozesse zu verstehen und dann zu verbessern. Die Mitarbeiter in solchen Rollen brauchen ein feines Händchen und Empathie, denn hier verändern sich Arbeitsweisen und -umgebungen.