EU-VORSCHLAG ZU SOFTWARE-PATENTEN
Keine Lösung
DER VORSCHLAG DER EU-KOMMISSION bezeichnet jede computerimplementierte Erfindung als „technisch“. Für die Rechtsprechung ist dies entscheidend, denn erst, wenn sich durch Software der Stand der Technik verändert, ist sie patentfähig. Nach dem Willen der Kommission wären Programme somit einfacher patentierbar. Amerikanische Verhältnisse sollen freilich nicht einziehen: Dort gibt es sogar Patente auf Geschäftsmodelle, zum Beispiel eine Anleitung für das Training von Reinigungskräften (US-Patent 5,851,117).
Nach zweijährigen Verhandlungen spiegelt sich im Kompromissvorschlag immer noch der Konflikt zwischen den EU-Kommissaren Frits Bolkestein und Erkki Liikanen wider. Bolkesteins Generaldirektion Binnenmarkt sieht Software sehr viel eher als patentierbar an als die von Liikanen geleitete Direktion Informationsgesellschaft. „Software als solche“ schließen sowohl das deutsche Recht als auch das Europäische Patent-Übereinkommen (EPÜ) von der Patentierbarkeit aus. Trotzdem lassen sich Software-Lösungen wie die MP3-Kompression schützen. Entscheidend ist, so die Patentrechtler, dass ein Algorithmus nicht an sich, sondern nur im Zusammenhang mit einer technischen Ausprägung wirkt. Ein mechanisches Gerät – etwa zur Verschlüsselung – kann demnach patentiert werden. Sein Abbild in einer Software müsse deshalb ebenfalls patentierbar sein, folgern die Befürworter von Software-Patenten. „Nein“, kontert Hartmut Pilch vom Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII), „was sich in Software übersetzen lässt, ist reine Logik und damit nicht patentierbar.“
Die Charakteristika einer Erfindung werden unterschiedlich gewichtet, sagt der Münchener Patentanwalt Axel Horns: „Nicht technische Merkmale entfallen bei der Patentprüfung.“ In einem Zusatzpapier erläutert die Kommission die Folgen der unterschiedlichen Gewichtung am Beispiel des berühmten 1-Click-Patents von AmazonAmazon (US-Patent 5,960,411). Es sei unwahrscheinlich, dass dieser „Erfindung“ nach dem neuen Vorschlag ein „technischer Beitrag“ zuerkannt würde. Ein Patent könne nicht erteilt werden.
Rechtssicherheit fehlt immer noch
Trotz der scheinbaren Klarheit in diesem Einzelfall, bringt die Richtlinie laut Horns keine Rechtssicherheit. Nach wie vor fehle eine Definition des Technikbegriffs, für die Entwickler ändere sich nichts und die Problematik der Open SourceOpen Source Software bliebe ausgeklammert. Axel Horns’ Kritik wurde in Deutschland bereits intensiv diskutiert. Nach einer Studie der Fraunhofer Gesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut lehnen freie Entwickler das Patentwesen vielfach rundweg ab. Als besonders problematisch erweise sich die Open Source Software, der sich viele freie Programmierer widmen würden. Kann man ihnen zusätzlich zur freiwilligen Arbeit eine Patentrecherche abverlangen?
Unter den Lösungsvorschlägen der Studie findet sich die Empfehlung, die Software-Bereiche zu trennen. Für Büroanwendungen wäre – im Gegensatz zu Steuer- und Regelungstechnik – kein Patentschutz möglich. Wolfgang Tauchert, Leiter der Abteilung Datenverarbeitung beim Deutschen Patentamt, beurteilt diese Lösung skeptisch: „Wo wäre die Trennlinie zu ziehen, wenn eine Büroanwendung einen optimierten Festplattenzugriff nutzt?“ Mit einer Sonderstellung der quelloffenen Software könnte sich Tauchert hingegen anfreunden. Handlungen im privaten Bereich, zu nicht gewerblichen und zu Versuchszwecken erfasst der Patentschutz ohnehin nicht. Den Entwicklern, so Pilch, wäre damit jedoch nicht geholfen.
Welche Standpunkte in die Richtlinie einfließen und wann sie Gesetz wird, ist nicht absehbar. Die Ausschüsse verhandeln, die Regierungen nehmen Stellung und das EU-Parlament wird gehört, skizziert Hubertus Soquat, Referent für Informationstechnologie im Bundeswirtschaftsministerium, den Weg. Seiner Ansicht nach ist ein Patentgesetz jedoch unverzichtbar, ohne klare Regelung gerate Europa ins Abseits. Soquat: „Die Amerikaner und Japaner werden kaum auf uns warten.“
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