Venture Capital

Managerinnen investieren in Gründerinnen

Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.
Unternehmerinnen wie Tijen Onaran oder das Netzwerk EncourageVentures mischen die Venture-Capital-Szene auf: Sie investieren nur in Startups von Frauen.
Unternehmerin Tijen Onaran macht sich für Frauen in Job und Gesellschaft stark. Sie ist überzeugt, Networking hilft, denn: "Ein gutes Netzwerk ist wie die neue Rente."
Unternehmerin Tijen Onaran macht sich für Frauen in Job und Gesellschaft stark. Sie ist überzeugt, Networking hilft, denn: "Ein gutes Netzwerk ist wie die neue Rente."
Foto: Urband Zintel

Noch immer entscheiden sich zu wenige Frauen für ein eigenes Unternehmen. Nur 17,7 Prozent der Startups werden von Frauen gegründet, wie der Deutsche StartupStartup Monitor 2021 herausgefunden hat. Das Plus gegenüber dem Vorjahr liegt bei knapp zwei Prozent. Erziehung, fehlende Vorbilder und traditionelle Familienmodelle lassen Frauen immer noch zögern, den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit zu wagen. Auch der Zugang zu Risikokapital ist für sie schwieriger, denn viele Venture-Capital-Fonds leiten Männer, die am liebsten anderen Männern Geld geben, damit sie Firmen gründen, die ihren eigenen ähneln. Alles zu Startup auf CIO.de

Doch das ändert sich langsam. Eine neue Frauengeneration fordert die alten Strukturen heraus, erfolgreiche Managerinnen engagieren sich in Netzwerken und unterstützen Gründerinnen mit Geld, Kontakten und Erfahrung. Neue Risikokapitalfonds entstehen, die gezielt Startups fördern, in denen Frauen an der Spitze stehen. Gleichzeitig erhöht sich der gesellschaftliche Druck, dass sich hierzulande mehr bewegt.

Tijen Onaran - Pionierin in Sachen Diversity

Tijen Onaran ist eine der Frauen, die etwas verändern wollen. 1985 in Karlsruhe geboren, entschied sie sich nach Abitur und Studium zunächst für eine Festanstellung. "Für mich war Gründen keine Option", erinnert sie sich. Zum eigenen Unternehmen kam sie zufällig. 2017 initiierte sie in Berlin einen Frauenstammtisch, der sich zum Netzwerk "Global Digital Women" weiterentwickelte. Heute engagieren sich dort mehr als 40.000 Frauen aus der Digitalwirtschaft. Mit dem "Digital Female Leader Award" verschafft Onaran erfolgreichen Managerinnen eine Plattform und mehr Sichtbarkeit. Ihr Credo: "In NetzwerkeNetzwerke investieren, bevor ich sie brauche", denn "Ein gutes Netzwerk ist wie die neue Rente." Alles zu Netzwerke auf CIO.de

Influencerin, Autorin, Moderatorin und Speakerin zählen zu den Jobprofilen von Onaran. Seit drei Jahren beraten sie und ihr Team Firmen zu Diversity und Chancengleichheit. Es braucht mehr Frauen in Führungspositionen, davon ist die 37-Jährige überzeugt. Allerdings gebe es auf Vorstandsebene viel Misstrauen gegenüber einer Frauenquote: "Viele Vorstände haben Angst, dass ihre Arbeitsplätze mit der Quote verschwinden." Seit eineinhalb Jahren tüftelt Onaran an einem Risikokapitalfonds, der ausschließlich in Startups investiert, in denen mindestens die Hälfte des Gründerteams weiblich ist. "Die bürokratischen Hürden sind sehr hoch, doch wir sind schon ziemlich weit", verrät sie. In sieben Startups investierte sie bereits, und auch beim Einsammeln von Kapital komme sie gut voran, berichtet die Unternehmerin.

Venture Capital nur für Frauen

Investorinnen und Gründerinnen zusammenzubringen, das ist auch das Ziel von "Encourageventures". Die Idee dazu hatte Ina Schlie, die viele Jahre in leitender Position für SAP arbeitete und heute als Multi­Aufsichtsrätin und Business Angel agiert. Im Oktober 2020 investierte sie gemeinsam mit Gleichgesinnten in das HR-Tech­-Startup Tandemploy. Im August 2021 hob Schlie gemeinsam mit anderen Investorinnen das Netzwerk Encourageventures aus der Taufe, als Co­-Vorsitzende entscheidet sie über die Strategie des Netzwerks mit. Trotz Pandemie verbreitete sich die Idee schnell. Im Frühjahr 2022 zählten bereits mehr als 430 Geldgeberinnen und fast genauso viele Startups zum Netzwerk.

Elke Eller von Encourageventures unterstützt Gründerinnen mit Geld, Kontakten und Mentoring.
Elke Eller von Encourageventures unterstützt Gründerinnen mit Geld, Kontakten und Mentoring.
Foto: Christian Wyrwa

Elke Eller ist von Anfang an mit dabei. Die 59­jährige HR-­Expertin und Aufsichtsrätin freut sich über den Erfolg. Unterstützen will Encourageventures Gründerinnen mit Geld, Kontakten sowie Mentoring. Anfangs fanden alle Events online statt. "Pitches funktionieren auch virtuell. In den Breakout-Rooms können sich Investorinnen und Gründerinnen austauschen. Im vertraulichen Gespräch kommen alle Fragen auf den Tisch", sagt Eller. Dort finden Gründerinnen auch passende Mentorinnen. Die erfahrenen Managerinnen helfen beispielsweise mit Kontakten weiter und geben Tipps, wie die Startups erste Kunden gewinnen können.

Kontakte, Investitionen, Mentoring

Mittlerweile hat das Netzwerk zehn Pitches organisiert und fördert über 70 Startups mit Investitionen und Mentoring. Bedingung ist, dass mindestens eine Frau zum Gründerteam gehört oder in leitender Position des Startups arbeitet. Die investierten Fördersummen bewegen sich zwischen 10.000 und 300.000 Euro für jedes Startup. Waren Zoom-Meetings während der Pandemie eine Notlösung, sollen nun die meisten Treffen weiterhin online stattfinden. "Die Investorinnen kommen mittlerweile auch aus dem Ausland und nicht jede hat Zeit, für einen Abend nach Berlin zu reisen", sagt Eller. Zudem entstehen gerade Regionalgruppen.

Eller sieht Unterschiede zwischen Frauen und Männern als Gründer. Während junge Männer oft auf komplexe IT­-Lösungen setzten, sähen junge Frauen Technologie stärker als ein Werkzeug, mit dem sich ein Problem lösen lasse. Auch wenn die neue Generation der Gründerinnen selbstbewusst auftrete, agierten sie oft vorsichtiger. "Gründerinnen brauchen mehr Resilienz. Mein Eindruck ist, dass Männer Rückschläge leichter wegstecken und nach einer Niederlage schneller wieder aufstehen", sagt Eller. Aber: "Frauen sind beim Pitch immer perfekt vorbereitet und arbeiten sehr hart. Mir gefällt auch, dass sie Probleme holistischer angehen und immer das Ganze im Blick haben."

Mehr Vielfalt wagen

Damit Gründerinnen leichter an Geld kommen, brauchen auch Venture Capital Fonds eine Quote, davon ist Onaran überzeugt. Noch verteilen hauptsächlich Männer die Geldtöpfe. "Viele Gründer und Investoren haben denselben familiären Hintergrund und dieselben privaten Business­-Schools besucht, sie vertrauen sich und investieren in Geschäftsmodelle, die ihrem eigenen gleichen. Frauen fallen durchs Raster", beobachtet sie. Gerade weil viele Frauen in Branchen gründen, die mit ihrem eigenen Leben und ihren Erfahrungen zusammenhängen, interessieren sich Investoren weniger für ihre Ideen.

Femtech-Startups haben es schwer

"Technik­ und Finanz-Startups haben ein gutes Image. Dagegen haben Femtech­-Startups, die sich auf Themen der weiblichen Gesundheit konzentrieren, oft ein schlechtes Image. Männer als Investoren können nichts damit anfangen", kritisiert Onaran. Auch über staatliche Förderfonds entscheiden häufig hauptsächlich Männer. Damit die Mittel gerechter verteilt und mehr Geschäftsideen von Frauen gefördert werden, brauche es auch in den Entscheidungsgremien mehr Frauen.

Offenheit gegenüber neuen Ideen, eine größere Vielfalt unter den Kapitalgebern sowie mehr Investorinnen können helfen, dass mehr Frauen ein Unternehmen gründen und sich die neue 3K­Formel Knowledge, Kapital, Kontakte für Frauen durchsetzt. (kf)

Dieser Artikel erschien auch in unserem Sonderheft "Karriere 22/23: Die digitale Welt braucht Diversity!" Das gesamte Heft zum kostenlosen Download gibt es hier.

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