Porsche-Tochter

MHP wagt Experiment mit 3- statt 4-Tage-Woche

Fachredakteurin in Köln
Katharina Vollus führt bei der Consulting-Firma MHP 25 Mitarbeitende. Sie hat sich für das Experiment entschieden, nur noch drei Tage pro Woche in Teilzeit zu arbeiten.
Katharina Vollus, Associated Partner bei MHP, testet die 3-Tage-Woche.
Katharina Vollus, Associated Partner bei MHP, testet die 3-Tage-Woche.
Foto: MHP

In der nach wie vor sehr männerdominierten IT-Branche ist es als Frau noch immer nicht einfach, KarriereKarriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Noch dazu in einer Führungsposition. Alles zu Karriere auf CIO.de

Katharina Vollus hat aber genau das vor: sie will in ihrem verantwortungsvollen Job stärker zurücktreten und ist dabei auf einem guten Weg. Die Mutter einer neunjährigen Tochter leitet als Associated Partner bei der IT- und Managementberatung MHP seit vier Jahren ein wachsendes Team aus aktuell 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die 42-Jährige berät Kunden, wie man agiler arbeitet und Organisationen weiterentwickelt.

Bei 4 Tagen ändert sich nicht viel

2022 wurden sie und ihr Team für das Agilitätsprojekt bei den Berliner Verkehrstrieben (BVG) mit dem Best of Consulting Award der Wirtschaftswoche ausgezeichnet. "Wir versuchen, unsere Vorgehensweisen und Methoden, die wir in verschiedenen Kundenprojekten realisieren, auch bei uns im Team zu leben und umzusetzen", fasst Vollus zusammen. Das ist allerdings ziemlich herausfordernd, wie ihr neuestes Experiment einer 3-Tage-Woche zeigt. Statt der üblichen 100 Prozent an fünf Tagen, reduziert sie ihr Arbeitspensum auf 60 Prozent an drei Tagen.

Vollus hat sich für dieses Modell entschieden, weil erst dann ein echter Mehrwert spürbar sei: "Bei einer 4-Tage-Woche ändert sich meiner Meinung nach nicht viel. Im Grunde erledigt man dieselben Aufgaben wie bisher, nur für weniger Geld", sagt die Managerin. Deshalb hat sie sich für die noch radikalere Drei-Tage-Woche entschieden. "So war jedem klar, dass ich wesentliche Teile meiner Aufgaben als Führungskraft abgeben muss. Bei einer 80-Prozent-Stelle würde man das eher nicht machen."

Transformation braucht Zeit

Das neue Arbeitszeitmodell startete Anfang 2023, wird aber noch weiter angepasst. Bis es tatsächlich nur drei Arbeitstage für Vollus sind, muss sich einiges noch einspielen: "Es macht ja nicht sofort Klick und dann funktioniert alles." Die Umstellung auf eine 3-Tage-Woche benötige Zeit - etwa, um zu klären, wer welche Führungsaufgaben aus dem Team übernimmt. "Bis das so ist, und da bin ich total zuversichtlich, dass wir das noch im ersten Quartal erreichen, ergeben sich für alle tolle Chancen", ist Vollus überzeugt.

Sie hält es sogar für gewinnbringend für ihre Teammitglieder, die nun einen Teil ihrer Aufgaben und Rollen übernehmen können. So könnten sie sich mit anderen Kolleginnen und Kollegen sowie Führungspersönlichkeiten innerhalb des Beratungsunternehmens vernetzen. "Neue berufliche Perspektiven ergeben sich und jeder kann sich hier mit seinen Stärken einbringen. Es gibt also nicht den einen Kollegen, der mich vollständig vertritt", erklärt die Beraterin.

Noch hat dieses Arbeitsmodell Seltenheitswert in Deutschland. Denn hier müssen vor allem die Rahmenbindungen stimmen. Zum einen muss der Arbeitgeber dahinterstehen. Zum anderen muss das Team mitspielen, Aufgaben und Rollen tatsächlich zu übernehmen sowie mehr Leistung zu erbringen. Beides ist im Falle von Vollus keine Hürde. Die Porsche-Tochter MHP unterstützt sie, auch weil sich im Prinzip nichts ändert. Der Arbeitgeber profitiert sogar davon, da er durch die Arbeitsreduktion auch weniger GehaltGehalt zahlen muss. Alles zu Gehalt auf CIO.de

3-Tage-Woche auch für das Team?

Bereits vergangenes Jahr hat Vollus sich mit ihrem Team auf das Experiment vorbereitet, Gespräche geführt, Termine kritisch hinterfragt und abgegeben. Auf die Frage, ob sie auch ihrem Team eine 3-Tage-Woche zugesteht, sagt sie, es sollte für jeden machbar sein. Gleichzeitig gesteht sie ein, dass es vermutlich als Führungskraft etwas leichter ist, sein Arbeitspensum zu reduzieren. Das liegt vor allem daran, dass es mehr Tätigkeiten gibt, die terminlich nicht vorgeben sind, also weniger Projekt- und Kundengeschäft anfällt.

Daher empfiehlt sie allen Beratern: "Erst einmal in der Karriere nicht so früh zurücktreten, sondern den Pfad so schnell wie möglich gehen, dann nehmen die Freiheitsgrade und der Gestaltungsfreiraum zu." Vollus ist allerdings dafür, dass eine Arbeitsreduktion für alle machbar sein sollte, ganz unabhängig von der Rolle im Unternehmen. Gerade weil der FachkräftemangelFachkräftemangel zunimmt, müssen die Unternehmen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr entgegenkommen. Alles zu Fachkräftemangel auf CIO.de

4-Tage-Woche für Consultants leichter umsetzbar

Ein Ansatz, der sich speziell für die Beraterwelt am ehesten eignet, ist die 4-Tage-Woche. Mitarbeitende erhalten dasselbe Geld für weniger Zeit. Umgebung und Umfeld ändern sich also nicht. "Viele Studien haben bereits ergeben, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an vier Tagen genauso produktiv sind wie an fünf. Denn hierbei wird viel kritischer hingeschaut, was wichtig oder unwichtig ist, welche Termine verzichtbar sind und was wirklich wertschöpfend ist", meint Vollus.

Ein großes Problem bleibe jedoch die fehlende gemeinsame Zeit aufgrund der hohen Projektauslastung. Wenn dann noch jede Kollegin und jeder Kollege unterschiedlich arbeitet, werde es immer schwieriger, zusammen Innovationen zu entwickeln. "Das funktioniert nicht mal kurz zwischen zwei Terminen oder per E-Mail. Ich rate daher: Wenn alle nur noch 80 Prozent arbeiten - dann sollte sich das Team auf einen freien, gemeinsamen Tag einigen", so die Managerin.

Augen auf bei der Partner- und Chefauswahl

Frauen in der Beraterwelt empfiehlt sie, von Anfang an einen strategischen Plan für sich selbst zu entwickeln sowie Denkweisen, Verhaltensmuster und Haltungen zu analysieren und an diesem Mindset zu arbeiten. "Wichtig ist dabei auch die Partner- und Chefauswahl. Beide sollten dahinterstehen und entsprechend den Karriereweg unterstützen", sagt Vollus. Um trotz reduzierter Stunden Wirksamkeit und Mehrwert zu entfalten, sollten sich Beraterinnen zudem für ein Thema sichtbar machen, indem sie Expertise aufbauen und aus der eigenen Komfortzone herauskommen.

Was passiert mit den zwei gewonnenen Tagen?

Insgesamt geht es Vollus darum, einen Ausgleich zu schaffen: "Es gibt ja viele Aspekte, die einen als Mensch ausmachen. Ich möchte nicht dauerhaft das Gefühl haben, oder später mit 55 Jahren feststellen, dass ich fast nur gearbeitet habe." Sie will mehr Zeit für außerberufliche Tätigkeiten haben. Außerdem liegen der Beraterin gesellschaftliche Themen am Herzen, weshalb sie sich als Mitglied bei der NGO Rotary Club und für Schulpolitik mehr engagieren möchte. (kf)

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