T-Systems-Chef Ferri Abolhassan im Interview
"Nicht über KI dozieren, sondern anpacken"
KI in der Praxis
Können Sie uns mal ein konkretes Beispiel für den KI-Einsatz nennen?
Ferri Abolhassan: Zum Beispiel unser Law Monitor. Mit Mitteln der KI wollen wir dabei Unternehmen von der Arbeitslast und auch der Gefahr befreien, dass sie regulatorische Veränderungen im Markt übersehen, die etwa wichtig für ihr Produktdesign sind.
Nehmen Sie als Beispiel nur die automatische Türverrieglung im Auto. Wie will ein Hersteller mitbekommen, dass - wie jetzt im konkreten Fall - in einem Land die Gesetzgebung geändert wird? Neuerdings darf dort plötzlich nicht mehr automatisch zentral verriegelt werden, wenn Kinder unter zwölf Jahren auf der Rückbank sitzen. Als Hersteller muss ich das natürlich in mein Design adaptieren.
Nur wie bekomme ich das als Hersteller mit? Stelle ich ein eigenes Team an Mitarbeitern ein, das täglich nichts anderes tut, als die weltweiten Regularien zu überwachen und neue Gesetze zu lesen? Oder setze ich lieber auf eine KI-Plattform wie unseren Law Monitor und übergebe diesen Vorher-Nachher Vergleich einer Maschine?
Machen, statt dozieren
Oder denken Sie an die Qualitätsüberwachung von Schweißnähten. Ja, diese Laserüberwachung gibt es schon länger. Doch bislang musste der Mensch diese Überwachungsergebnisse auswerten und bei Bedarf die Laser neu kalibrieren. Mit Computer Vision und dem Predictive-Machine-Learning-Element kann dies ständig automatisiert erfolgen. Das spart nicht nur Kosten, sondern bringt auch eine höhere Qualitätstreue.
Anders formuliert, wir stehen als T-Systems nicht im Hörsaal und dozieren über KI, sondern wir bewegen uns im Produktionsumfeld und helfen den Anwendern, die gesamte KI-Technologie im Unternehmen nutzbar zu machen.
KI für die Unternehmen nutzbar machen. Wo stehen denn in ihren Augen die deutschen Unternehmen in internationalen Vergleich?
Ferri Abolhassan: Ich möchte mich hier nicht als der Maßregler einer Branche gerieren. Auch wenn es ab und an richtig ist, einer Branche oder einem Markt den Spiegel vorzuhalten. So ist es sicherlich richtig zu sagen, dass wir als Land die erste Hälfte der DigitalisierungDigitalisierung verschlafen haben. In der zweiten Hälfte des Rennens ist es uns - Deutschland und Europa - mit Industrie 4.0 gelungen Plätze zurückzugewinnen. Mit KI und anderen neuen Technologien der Digitalisierung wurde nun ein neues Rennen gestartet. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
Herausforderung digitale Bürgerdienste
Auf der anderen Seite kann ich nicht negieren, dass wir bei den digitalen Bürgerdiensten in Städten, Kommunen oder in Ländern weit hinter vielen anderen Staaten - wie etwa dem vielzitierten Estland - liegen. Warum gelingt es Estland Bürgerdienste wie Hochzeitsantrag, Passverlängerung, Firmenanmeldung komplett zu automatisieren und zu digitalisieren und unseren Metropolen nicht? Von der Größe her sind unsere Großstädte durchaus mit Estland zu vergleichen. Hier gibt es noch viel zu tun. Aber für uns als Unternehmen ist das auch eine Chance.
Zumal ich meine Rolle nicht in der Position des 25. Warners sehe, der sich auf ein Podest stellt und ruft, "schaut mal, da haben wir verschlafen und da müssen wir …". Ich sehe uns eher in der Rolle des Kundenberaters, des Kundenhelfers, des Kundenkümmerers. Wir sind derjenige der sagt, wir müssen anpacken, mithelfen, unsere Kunden unterstützen und ihnen zeigen, wie man es machen könnte.
Sie sprachen Industrie 4.0 an. Glauben Sie, wir können in Sachen KI eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie bei Industrie 4.0 erleben?
Ferri Abolhassan: Wir sind, und das zeigt mir auch meine Arbeit als Aufsichtsratschef beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), beim Thema KI gut aufgestellt, um vorne mitzuspielen. Die Voraussetzungen sind gegeben, wie etwa eine herausragende Bildung, breit aufgestellte Beratungskompetenz oder Unternehmen wie Aleph Alpha.