Gerhard van der Giet
Ohne Schonfrist
Herkules, dessen Beschleunigungsmaschine das Jointventure mit der IndustrieIndustrie sein soll, verzögert sich jedoch. Statt wie geplant in diesem Frühjahr wird die neue IT-Gesellschaft erst im ersten Halbjahr 2004 gegründet werden können. Immer noch laufen die Verhandlungen, muss der Hauptvertrag des Konsortiums um die CSC-Ploenzke-Gruppe fertig gestellt und danach durch Finanzministerium, Bundesrechnungshof und Bundestag genehmigt werden. Van der Giet: "Wir wollen unmissverständliche Regelungen in den Verträgen haben. Deshalb ist es uns wichtiger, die Sache sauber durch-zuführen, als jetzt zu sehr aufs Tempo zu drücken." Top-Firmen der Branche Industrie
Auch die für die Bundeswehr überaus wichtige SAP-Einführung (SASPF = Standard-Anwendungs-Software-Produkt-Familie), ein zentrales Teilstück von Herkules, ist ins Stocken geraten: "Das ist wirklich sehr komplex. Wir haben in den vergangenen Wochen noch einmal die Organisation überprüft und werden jetzt mit verstärkten Kapazitäten an das Projekt herangehen, weil wir um die Jahreswende mit dem Test-Rollout beginnen wollen", verspricht van der Giet.
System mit technischen Macken
Ebenso wichtig: Heros, das neue mobile "Heeresführungsinformationssystem für die rechnergestützte Operationsführung in Stäben". 600 Arbeitsplätze sollen Ende des Jahres eingerichtet werden, zunächst beim Eurokorps und dem Ersten Deutsch-Niederländischen Korps. Später soll das Ganze auch in das "Führungsinformationssystem des Heeres" integriert werden. "Heros, zweites Vergabelos" ist eine komplette Neuentwicklung und weist noch einige Macken auf. "Wir führen einen mehrtägigen Test bei der 7. Panzerdivision in Düsseldorf durch und gehen fest davon aus, dass die Mängel dann behoben sind und das System einsatzbereit ist", sagt der neue IT-Direktor.
Van der Giet hat zwei Doktortitel: einen in (Kern-) Physik, einen in Kommunikationsforschung; schon früh hat er dabei für das Verteidigungsministerium gearbeitet. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn forschte er Anfang der 70er-Jahre über Sprach- und Sprechererkennung. "Wir wollten das Mensch-Maschine-Interface für Kampfflugzeuge verbessern." Nach seiner ersten Promotion (in Physik) setzte er seine Forschungen im Bundeskriminalamt Wiesbaden (BKA) unter Präsident Horst Herold fort. Später leitete er die Planung Kommunikationsnetze des BKA.
Seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse könne er derzeit besser gebrauchen. "Doch sich eine Zeit lang in einem Umfeld bewegt zu haben, das stärker von den Geisteswissenschaften geprägt wird, ist schon ein Vorteil, denn die Denkweisen sind einfach unterschiedlich." All das präge ihn ebenso wie seine Zeit im pluralistischen Bundestag, der vom Miteinanderreden lebt. Van der Giet will im Konsens entscheiden.
Der 56-Jährige war im Bundestag als Leiter des erweiterten Referats IT-Grundsatzfragen, zentrale IT-Systeme und Anwendungen auch Sekretär der Kommission des Ältestenrats für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken und -medien, der die Entscheidung für den Einsatz von Linux auf allen 150 Servern im Bundestag vorbereitet hat. "Ich halte das für die richtige Entscheidung, aber MicrosoftMicrosoft muss keine Angst vor mir haben. Es kommt immer auf den Einsatzort an", sagt van der Giet. "Es ging nicht darum zu sagen, Linux ist besser, sondern um die Frage, ob die Open-Source-Bewegung so weit ist, dass man beurteilen kann, ob sie für uns einen Gewinn darstellt." Alles zu Microsoft auf CIO.de
Nun zerren alle am neuen IT-Direktor; ständig soll er etwas entscheiden. Die Industrie will ihm etwas verkaufen, der Staatssekretär will mit ihm sprechen, die Mitarbeiter wollen etwas wissen ... und eigentlich muss er sich doch einarbeiten.
Zur Person, Gerhard van der Giet (56): seit dem 21. November 2002 neuer IT-Direktor des Bundesministeriums der Verteidigung, zuvor Leiter des Referats IT-Grundsatzfragen, zentrale IT-Systeme und Anwendungen des Deutschen Bundestags sowie Sekretär des Ältestenrats für den Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechniken und -medien (IuK-Kommission)