Im Aufwind
Panasonic will nach Plasma-Debakel mit neuen Ideen wachsen
In der Technikgeschichte stand Panasonic oft genug auf der Gewinnerseite. Der japanische Unternehmer Matsushita Konosuke erkannte vor hundert Jahren den Bedarf nach Fassungen für Glühbirnen und gründete unter dem Namen Matsushita Electric Housewares Manufacturing Works die Firma, die seit 2008 Panasonic heißt. Nach dem Aufstieg mit Fahrradlampen, Waschmaschinen, Radios, monochromen Fernsehern, automatischen Reiskochern und Heimklimaanlagen setzte der Konzern später in der Ära der Unterhaltungselektronik mit der VHS-Videokassette und der Blu-ray auch auf die richtigen Pferde.
Bei der Suche nach der besten Technik für die hochauflösenden Fernseher verkalkulierten sich die Manager unter dem damaligen Konzernchef Fumio Ohtsubo jedoch total. Die Plasma-Technik bot im Systemstreit bei den HD-Bildschirmen zwar bestimmte Vorteile und konnte beispielsweise in Spielfilmen schwarze Flächen wirklich satt dunkel ohne Grauschleier darstellen. Trotzdem entschieden sich die meisten Kunden für die stromsparenderen Plasma-Alternativen LCD oder LED. Die Auswirkungen für Panasonic waren fast fatal, denn der Konzern war auch der Hersteller der meisten Produktionsanlagen für Plasma-Bildschirme insgesamt.
Neuausrichtung nach Plasma-Debakel
In den Geschäftsjahren 2011 und 2012 schien es so, als könnte der Riese Panasonic von der Bühne verschwinden: Es türmten sich Verluste von umgerechnet fast 15 Milliarden Euro auf - auch weil der Konzern sich 2008 mit der Übernahme von Sanyo verschluckt hatte. Es folgte ein radikaler Schrumpfkurs. 2013 zog die Konzernspitze auch bei den Plasma-Bildschirmen die Notbremse und stellte die Produktion ein.
"Aufgrund der Einbußen in den Geschäftsjahren 2011 und 2012 waren wir gezwungen, unsere strategische Ausrichtung zu überdenken", sagt der Topmanager für den deutschsprachigen Raum und die Niederlande, Kai Hillebrandt. Jetzt sei man aber wieder die Nummer zwei im deutschen TV-Geräte-Markt.
Panasonic schrumpfte sich gesund, ist aber immer noch ein weltweit führender Elektronikkonzern mit weltweit über 250.000 Mitarbeitern, darunter über 1.500 in Deutschland. In der Wendephase gelang es den Japanern auch, bestimmte Wachstumsfelder neu zu besetzen. So konnte Panasonic sein Know-how in der Batterietechnik bei der Megafactory des US-Elektrobauers Tesla unterbringen.
Lange Zeit waren sich die Analysten nicht sicher, ob die Produktionsschwierigkeiten bei Tesla überwunden werden können. Ein Scheitern von Tesla-Chef Elon Musk hätte auch Panasonic mit in den Abgrund reißen können. Zuletzt häuften sich jedoch die Hinweise, dass die große Rechnung von Tesla auch für die Japaner aufgehen wird.
Auf dem Abschluss der monatelangen Hundertjahrfeier zeigte sich Konzernchef Kazuhiro Tsuga trotz der Sanierungserfolge jedoch nicht richtig zufrieden. Panasonic müsse über die Massenproduktion von Haushaltsgeräten hinausgehen und intelligente Produkte entwickeln, sagte er auf dem "Cross-Value Innovation Forum" in Tokio, einem Haus-Kongress mit rund 50.000 Besuchern.
Bruch mit Traditionen
Der Panasonic-Chef, der in Japan wegen seiner anpackenden Art auch "Samurai-CEO" genannt wird, haderte dabei auch mit der japanischen Ingenieurs-Tradition, erst dann mit einem Produkt in den Verkauf zu geben, wenn es komplett ausgereift erscheint - während Konkurrenten aus den USA oder China mit Produkten in der "Beta-Phase" den Kontakt zu den Verbrauchern aufnehmen. "In Zukunft wird Panasonic auch mit unvollkommenen Produkten auf den Markt kommen - mit dem vollen Wissen, dass sie absichtlich unvollständig sind", sagte der Konzernchef. "Das bedeutet nicht, dass sie defekt sind, sondern vielmehr, dass wir den Spielraum haben, sie an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden anzupassen."
Auf dem Panasonic-Kongress wurden bereits etliche Projekte vorgestellt, die noch nicht völlig ausgereift sind, etwa ein Gewächshaus für die Anzucht von Salatpflanzen für die heimische Küche. Oder ein Wohnzimmertisch, der mit einem Sprachassistenten das Gesprächsthema der Runde erkennt und entsprechende Bilder auf die Tischoberfläche zaubert. Präsentiert wurden auch Sensoren, die die Stimmung der Bewohner eines Smart Homes erkennen und automatisch Licht und Raummusik auswählen können.
Supermarkt der Zukunft im Visier
Letztlich versucht Panasonic, eine Alternative zum Sprachassistenten Alexa von Amazon, Siri von Apple oder dem Google Assistent am Markt zu etablieren. Auf dem Kongress in Tokio zeigte Panasonic mit HomeX ein System, dass nicht nur ein Rezept aus dem Internet hervorzaubern kann, sondern direkt mit einer vernetzten Küche verbunden ist, um Temperatur und Zubereitungszeit auf dem Panasonic-Herd zu kontrollieren. Der japanische Konzern ist dabei nicht einmal unbedingt darauf angewiesen, dass die Bewohner eines Smart Homes sich bewusst für die Panasonic-Lösung entscheiden. Die Japaner sind auch einer der großen Anbieter von Fertighäusern in China und Japan.
Ähnlich wie Amazon hat Panasonic auch den Supermarkt der Zukunft im Visier. In Japan kooperiert der Konzern bereits mit der Supermarktkette Trial. Im Februar wurde in Fukuoka auf der südlichsten der japanischen Hauptinseln ein Smart Store eröffnet, in dem rund 100 Kameras von Panasonic zum Einsatz kommen, um das Verhalten der Kunden zu beobachten. Weitere 600 Kameras von Sony haben ausgewählte Regale im Blick und melden, ob bestimmte Waren nachgefüllt werden müssen.
Laufen Kunden an einem Regal vorbei, erkennen die Kameras Alter und Geschlecht der Käufer und blenden auf LED-Bildschirmen dazu (mutmaßlich) passende Sonderangebote ein. Ein Einsatz dieser Technik in Deutschland ist in absehbarer Zeit nicht geplant. Zunächst müssten noch Datenschutzfragen geklärt werden, sagte ein Panasonic-Sprecher. (Christoph Dernbach, dpa/mz/rs)