Äpfeln der Freiheit
Polens soziale Medien machen mobil gegen Embargo
Das polnische Wirtschaftsmagazin "Puls Biznesu" machte in der vergangenen Woche den Anfang: "Steht auf gegen Putin - esst Äpfel, trinkt Cidre!", appellierte der stellvertretende Chefredakteur Grzegorz Nawacki in einem Kommentar. Die Macht der Konsumenten solle Polen stark genug machen, um die Folgen des russischen Importverbots für polnisches Obst und Gemüse auszugleichen.
Der Aufruf stieß auf enormes Echo in den sozialen MedienMedien. Selfies Apfel essender Polen sind auf TwitterTwitter und FacebookFacebook zum fruchtigen Protest gegen das seit Anfang August geltende russische Embargo geworden. Auch in den städtischen Autobussen wurde am Montag in Werbespots aufgerufen, Äpfel zu essen. Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Twitter auf CIO.de Top-Firmen der Branche Medien
Selten war der Widerstand in der langen Geschichte polnisch-russischer Konflikte so süß. "Frag nicht, was Polen für Dich tun kann. Kauf Äpfel", twitterte Marcin Wojciechowski, der Sprecher des polnischen Außenministeriums, am Sonntag. "Die ganze Welt soll es wissen: Polnische Äpfel sind die besten", schloss sich auch Stanislaw Koziej, der Sicherheitsberater von Präsident Bronislaw Komorowski, über Twitter der Aktion an. Aus Brüssel twitterte die US-Nato-Mission, der Ruf der delikaten polnischen Äpfel sei bis ins NATO-Hauptquartier vorgedrungen.
Die "Gazeta Wyborcza" berechnete am Montag, wieviel Obst die Polen jetzt essen müssen, um die Folgen des Exportverbots auszugleichen. Allein 677 000 Tonnen Äpfel werden danach jährlich nach Russland exportiert, 600 000 auf dem heimischen Markt verspeist. Der Durchschnittspole müsse daher jetzt 30 statt bisher 15 Kilogramm Äpfel im Jahr essen. Das klingt zwar nach einer großen Menge, aber nach Angaben der Agrarmarkt-Agentur schaffen es die Polen auch, pro Jahr mehr als 85 Kilogramm Fleisch zu essen.
In der polnischen Öffentlichkeit herrscht kein Zweifel daran, dass das russische Embargo eine Retourkutsche für die polnische Position im Ukraine-Konflikt ist. Schon seit Monaten kritisieren polnische Politiker und Medien das russische Verhalten im Nachbarland als Aggression, fordern schärfere Sanktionen.
Der polnische Landwirtschaftsminister Marek Sawicki hofft auf EU-Entschädigungen, um die finanziellen Folgen des Embargos aufzufangen, doch zumindest in den sozialen Medien sieht es so aus, als seien Äpfel derzeit keine Ladenhüter auf Straßenmärkten und in den Supermärkten des Landes. Einige Kommentatoren sprechen schon lyrisch von den "Äpfeln der Freiheit".
Die "Gazeta Wyborcza" ging am Montag mit gutem Beispiel voran und verteilte 666 Kilogramm Äpfel. Doch nicht nur das linksliberale Blatt zeigt Haltung, auch in der Buchhandlung des Verlags der nationalkonservativen "Gazeta Polska" sollte von Montag an jeder Käufer einen Apfel als Zugabe erhalten. Die normalerweise zerstrittenen politischen Lager der polnischen Gesellschaft haben sich zum Apfelprotest geeint. "An apple a day keeps Putin away" twitterte wie so viele andere der Blogger Mikolaj Rotnicki.
Auch im Ausland macht der polnische Apfelprotest Furore. In Litauen wurde am Montag zum solidarischen Genuss polnischer Äpfel aufgerufen, aus Brüssel oder London gab es Twitter-Anfragen, wo denn vor Ort polnische Äpfel gekauft werden könnten. (dpa/mhr)