Disruption
Risiken und Chancen der digitalen Transformation
"Deutsche Firmen haben nicht verstanden, was Disruption bedeutet", provozierte Christoph Keese, Executive Vice President von Axel Springer, im vergangenen Jahr auf dem Tech Open Air in Berlin. Obwohl sich die meisten Manager mit dem Thema auseinandersetzen, machen sie laut dem Medienmacher Denkfehler, die fatale Folgen nach sich ziehen können. Keese nennt als Beispiel die Automobilhersteller, die ihre Systeme für Google und Apple öffnen und somit zuließen, dass sich die Internetgiganten zwischen Kunden und Autoherstellern positionieren. Oder Banken, die noch an Apps entwickeln, während FinTech-Startups Peer-to-Peer-Überweisungen etablieren, bei welchen Banken überhaupt keine Rolle mehr spielen.
Was steckt tatsächlich hinter dem Begriff der Disruption (engl. disrupt - unterbrechen, zerreißen) und warum gibt es so viele Missverständnisse bei der Deutung? Das Prinzip geht auf Clayton M. Christensen von der Harvard Business School zurück. Der Grundgedanke ist, dass disruptive Technologien bestehende Technologien oder Produkte beziehungsweise Dienstleistungen verdrängen können. Typische Beispiele sind Flashspeicher, die Harddisks ersetzen oder die Geschäftsmodelle von Amazon und Uber, die das etablierte Buch- beziehungsweise Taxigeschäft verändern und gegebenenfalls auch verdrängen können.
Häufig werde Disruption mit Innovation verwechselt, sagt Keese. Manche Unternehmen setzen Disruption auch mit der Digitalisierung von Endgeräten und Prozessen gleich. In beiden Fällen wird der Verdrängungseigenschaft disruptiver Technologien und Geschäftsmodelle zu wenig Beachtung geschenkt.
Das bedeutet jedoch nicht, dass Unternehmen die Risiken und Gefahren für ihr Kerngeschäft durch das Aufkommen von disruptiven Technologien, die zumeist von Startup-Unternehmen zur Entwicklung eines Geschäftsmodells genutzt werden, nicht bekannt wären. Im Gegenteil: Das Wort von der "German Angst" macht aktuell vor allem bei mittelständischen Unternehmen die Runde, und es hat den Anschein, als finde langsam ein Umdenkprozess in den Unternehmen statt, der die Idee der Selbst-Disruption in den Mittelpunkt stellt; frei nach dem Motto: Bevor andere das eigene Business verdrängen, entwickelt das Unternehmen seine Digitaltechnik eigenständig weiter. Das Ziel ist es, die Gefahren der Disruption abzuwehren und die Chancen für das Wachstum auf Basis neuer Technologien zu nutzen.
Der Weg zur digitalen Selbst-Disruption
Um Unternehmen eine Hilfestellung zu bieten, hat die Economist Unit Intelligence einen branchenübergreifenden Leitfaden zur Selbst-Disruption entwickelt, der die digitale Transformation in neun Schritte unterteilt. Er soll als Denkanstoß zur Entwicklung eines eigenen Fahrplans für die digitale Transformation dienen.
1. Das eigene disruptive Geschäftsmodell entwickeln
Im ersten Schritt geht es darum, ein tragfähiges Geschäftsmodell für die Zukunft unter Berücksichtigung technologischer und sicherheitsrelevanter Strukturen zu entwickeln.
Starten Sie mit den eigenen digitalen Ressourcen: Jedes Unternehmen verfügt über Digitalisierungsinitiativen und Fähigkeiten, die zu katalogisieren und zu beurteilen sind. Sie sind die Basis für den Beginn der Disruption.
Starten Sie einen Innovationsprozess zur Gestaltung des neuen Modells. Der Einsatz von Cloudlösungen bei diesem Prozess bietet schnelle Ergebnisse beim Experimentieren und hält die Kosten im Zaum.
Nutzen Sie das Model, um die disruptiven Kräfte der digitalen Transformation zu identifizieren. Analysieren Sie die Stärken und Schwächen ihrer Wettbewerber und nutzen Sie die Erkenntnisse für das eigene Modell.
2. Führen Sie eine Gap-Analyse durch und bewerten Sie die eigenen Stärken: Etablierte Unternehmen starten nicht auf der grünen Wiese. Deshalb ist es wichtig die vorhandenen Assets und Stärken, aber auch die Schwächen für das zukünftige Business-Modell zu analysieren.
3. Die Umsetzung - das Zugpferd für den digitalen Wandel: Der letzte Schritt ist die Umsetzung. Um den digitalen Wandel zu beschleunigen, kaufen einige Traditionsunternehmen andere Firmen auf oder gehen Partnerschaften ein.
Bauen Sie auf neuer Technologie auf
4. Legen Sie die optimale IT-Architektur fest: Die zentrale Frage für den digitalen Wandel ist, ob, und wenn ja, wie viele, Anwendungen in die Cloud verlegt werden sollen.
5. Stellen Sie die alten Technologien auf den Prüfstand: Überlegen Sie, ob die alte IT-Infrastruktur das neue Geschäftsmodell überhaupt noch unterstützen kann.
6. Bauen Sie die neue IT-Architektur: Als ein probates Mittel für den Aufbau einer neuen Architektur gilt die "IT der zwei Geschwindigkeiten".
Um den technologischen Spagat zwischen neuen Technologien und über Jahrzehnte gewachsene IT-Strukturen zu bewältigen, ohne dabei Datensicherheit und Compliance zu vernachlässigen, empfehlen Experten den Aufbau einer Hybrid-Infrastruktur. "Durch die Überbrückung der Kluft, die zwischen traditioneller IT und privaten sowie öffentlichen Cloud-Umgebungen entsteht, können Unternehmen ihre geschäftskritischen Prozesse mit den zukunftsträchtigen Anwendungen verschmelzen", schreibt Mike Nefkens, Executive Vice President und General Manager bei HPE in seinem Blog auf BVEx.
Machen Sie Ihr Unternehmen sicher
7. Stellen Sie eine Security-Strategie auf: Die Datenschutz- und Datensicherheitsstrategie darf nicht nur die heutigen Bedrohungen berücksichtigen, sondern muss auch auf künftige Angriffsformen vorbereitet sein. Dafür ist ein hohes Maß an Flexibilität nötig.
8. Halten Sie auch während der Transformation das hohe Sicherheitsniveau: Die Transformation ist eine Phase mit erhöhtem Sicherheitsrisiko, da sie von der Integration neuer Geräte und Technologien geprägt ist.
9. Betrachten Sie die Transformation als Chance: Die Transformation ist nicht nur eine Phase mit erhöhtem Bedrohungsrisiko, sondern bietet auch die Chance, das Sicherheitsniveau zu verbessern.
Beschleunigen Sie das Tempo
Der Zeitplan für den Aufbau des neuen digitalen Geschäfts ist von Firma zu Firma unterschiedlich. Jedes Unternehmen bestimmt sein eigenes Tempo. Der Leitfaden warnt davor, wegen der Agilität neuer Disruptoren und der potentiellen Agilität der Wettbewerber die digitale Transformation als "Business as usual" zu betrachten. Der Konkurrenzdruck nehme zu und dränge zu schnellem Handeln. Ein Zeitrahmen von sechs bis zwölf Monaten für die digitale Transformation sei realistisch, so die Economist Unit Intelligence.
Kritische Selbstreflexion und Aufbau von Skills
Bei der Umsetzung der digitalen Transformation ist eine kritische Selbstreflexion der unternehmenseigenen Fähigkeiten notwendig. Der Analyst und Berater Frank Sempert macht in einem CIO-Beitrag darauf aufmerksam, dass bei diesem "allumfassenden und schwierigen Unterfangen" eine Neugestaltung der IT-Infrastruktur und ein Re-Design der Anwendungen notwendig seien, jedoch nur wenige Unternehmen über die erforderliche Breite und Tiefe an wissenschaftlichen Skills verfügen, um diesen Übergang planen zu können. Es fehle häufig an geeigneten und geschulten Mitarbeitern zur Umsetzung dieses Plans.
Fazit
Der beste Schutz für Unternehmen davor, durch Disruption vom Markt verdrängt zu werden, liegt in der Selbst-Disruption. Diese erfordert unternehmerisch einen völlig neuen Denkansatz, der sich auch auf die Weiterentwicklung der Informationstechnik auswirkt.
Den vollständigen Report "The path to self-disruption - Nine steps of a digital transformation journey" zum Download erhalten Sie hier.