Management-Strategien

Schlechte Führung macht Mitarbeiter krank

26.10.2009
Von Harald  Stummer

Im Zuge unserer Untersuchung stellte sich heraus, dass die Vorgesetzten bis hinunter zu den Meistern in der Produktion den direkten Kontakt mit ihren Untergebenen so weit wie möglich mieden. "Man schwindelt sich so durch", gab ein Meister offen zu. Als Grund für dieses Verhalten nannten die Führungskräfte Zeitmangel. Tatsächlich waren einige von ihnen für 150 Mitarbeiter direkt verantwortlich, im Produktionsbereich gab es sogar eine Abteilung, bei der diese sogenannte Führungsspanne 195 Mitarbeiter umfasste. Eine individuelle Betreuung der Untergebenen war unter diesen Verhältnissen nicht möglich. Das Topmanagement sah dies nicht als Problem an, weil es auf eine stark zahlenorientierte Steuerung des Betriebs setzte.

Als wir die Führungsspannen in den verschiedenen Abteilungen mit dem Krankenstand verglichen, ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang: Je mehr Untergebene ein Vorgesetzter hatte, desto mehr Fehltage gab es. Der in den vergangenen Jahren in vielen Firmen erfolgte Abbau von Hierarchien aus Kostengründen und die seit der Jahrtausendwende immer stärker zu beobachtende - und durch Studien belegte - Abgrenzung zwischen Managern und den Geführten hat also einen deutlich messbaren Preis.

Natürlich war auch die Geschäftsleitung des Autowerks mit den Krankenständen unzufrieden. Doch aus ihrer Sicht war nicht der mangelnde Kontakt der Mitarbeiter zu den Führungskräften die Ursache. Allenfalls könnten die Vorgesetzten deshalb nicht mehr ausreichend kontrollieren, ob ihre Untergebenen wirklich krank seien, meinten die Topmanager. Zu diesem Bild passte, dass die Führungskräfte nur ihresgleichen vertrauten, nicht aber den Arbeitern unterhalb der Meisterebene. Auf diese Mitarbeiter müssten die Vorgesetzten Druck ausüben und sie zur Leistung zwingen, so die verbreitete Sicht. Die Meister selbst sahen ihre Untergebenen nicht so. Zwar glaubten auch sie, dass einige Arbeiter die mangelnde Kontrolle ausnutzten, andererseits räumten sie ein, dass diese unter starken Belastungen und hohem Druck zu arbeiten hatten.

Messbarer Gewinn durch menschlichen Kontakt

Der wahre Grund für die hohen Krankenstände war aber nicht mangelnde Kontrolle, wie unsere quantitativen und qualitativen Analysen ergaben. Stattdessen hatte der fehlende menschliche Kontakt zum Chef einen wichtigen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter.

Denn Untergebene, die mehr Kontakt zu ihren Vorgesetzten hatten, tendierten dazu, sich gesünder zu fühlen. Sie verlängerten bei leichtem Unwohlsein nicht ihr Wochenende durch einen Fehltag, sondern arbeiteten. Sie identifizierten sich auch mehr mit der Firma und wirkten in ihrer Abteilung auf Kollegen hin, bei geringeren Beschwerden nicht vorschnell krankzufeiern.

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