Vom Mitarbeiter zur Führungskraft
So gelingt ein glatter Einstieg
Alex Bierhaus ist Managing Director und CTO bei dem Finanzportal Compeon, einem Full-Service-Dienstleister für Mittelstandfinanzierung in Deutschland.
Niemand wird als Führungskraft geboren. Häufig hat man als Mitarbeiter mehrere Jahre Arbeitserfahrung gesammelt, unterschiedliche Projekte betreut und sich durch gute Leistung hervorgehoben, bevor eine Beförderung ansteht. Nun beginnt ein neuer Karriereabschnitt, der einiges an Veränderung mit sich bringt. Kollegen werden – zumindest formell – zu Mitarbeitern und die Arbeitsweise wird zunehmend weniger vom operativen Alltagsgeschäft geprägt.
Es ist eine Zeit der Umgewöhnung, die viele Fragen aufwirft und die frische Führungskräfte vor neue und ungewöhnliche Herausforderungen stellt. Aber keine Bange, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Es gibt kein Erfolgsrezept, um eine gute Chefin oder ein guter Chef zu werden, keine Zehn-Punkte-Liste, die es einfach abzuhaken gilt. Im folgenden Artikel möchte ich meine Erfahrungen teilen, die ich in den knapp zehn Jahren gemacht habe, seit ich Teams leite. Der Beitrag soll frischgebackenen Führungskräften im Bereich IT als Hilfestellung und Quelle für neue Denkanstöße dienen.
Die meisten technisch versierten Mitarbeiter, die zu Führungskräften aufsteigen, haben zuvor aktiv in einer sehr tief verankerten technologischen Rolle gearbeitet. Hierbei stand meist im Fokus, Ideen mithilfe von Technologie aktiv selbst in ein Produkt zu überführen.
Egal, ob als Softwareentwickler, Business Intelligence Analyst oder Data Scientist, all diese Bereiche erfordern ein tiefgehendes Knowhow der jeweiligen Materie. Diese Materie wurde im bisherigen Verlauf der KarriereKarriere für den einzelnen Mitarbeiter immer "beherrschbarer", das Skill-Set immer diffiziler. Konsequentes Lernen und die fachliche Weiterentwicklung waren ausreichend, um neue Herausforderungen innerhalb der Strukturen zu meistern. Mit dem Schritt eine Karrierestufe höher stehen die ehemaligen Fachkräfte nun vor der Aufgabe, innerhalb kürzester Zeit ein komplett neues Skill-Set aufzubauen: fachlich und auch im Bereich der Soft SkillsSkills. Alles zu Karriere auf CIO.de Alles zu Skills auf CIO.de
Bestehende Architektur ganzheitlich sehen
Die meisten technischen Führungskräfte waren zuvor Experten in ihrem Fachgebiet und fühlen sich dort nicht nur gut aufgehoben, sondern auch sicher. Sie beherrschen ihre Entwicklungsumgebung und Infrastruktur aus dem Effeff und haben beispielsweise bei auftretenden Bugs meist sofort ein Gespür dafür, woher diese stammen.
Dieser Zustand ändert sich schnell, sobald man ein Team führen soll, das möglicherweise nicht nur in einer anderen Programmiersprache oder auf einer anderen Umgebung arbeiten, sondern auf einer ganz anderen Plattform. Führungskräfte sollten sich an erster Stelle die Zeit nehmen, die neue gesamtheitliche Architektur zu verstehen. Hierbei hilft es, die Architektur selbständig zu visualisieren und mit den einzelnen Team-Mitgliedern detailliert zu besprechen und nachzuvollziehen. Zudem sollten sich die Führungskräfte grob in die neue Programmiersprache oder Plattform einarbeiten, um den Kontext besser zu verstehen.
Selbst aktiv werden
Junge Führungskräfte rekrutieren sich meist aus ambitionierten Entwicklern und haben daher einen natürlichen Hang dazu auch in ihrer neuen Position weiter aktiv knifflige Aufgaben und die besonders fordernde interessante Arbeit selbst lösen zu wollen. Das ist auch in Teilen ganz normal, bildet es einen Großteil ihrer bisherigen Tätigkeitsbereiche ab. Insbesondere in den ersten Monaten nach der Aufnahme einer Führungstätigkeit kann es vorkommen, dass der Drang besteht, eigenen Mitarbeitern diese Aufgaben vorzuenthalten.
Junge Führungskräfte sollten sich daher bewusst machen, dass ihr Aufgabengebiet durch die neue Rolle anders definiert ist und sie nicht mehr aktiver Teil der Entwicklung sind. Aufgaben und Problemstellungen ins Team zu geben, schützt an dieser Stelle nicht nur die eigenen Ressourcen, sondern sorgt auch dafür, dass das Team Wertschätzung durch das Anvertrauen komplexer Tätigkeiten erfährt.
Je mehr Führungsverantwortung man erhält und je größer das eigene Team ist, desto weniger Zeit verbleibt schlussendlich dafür zu entwickeln. Insbesondere nach einiger Zeit kann es vorkommen, dass man als Führungskraft feststellt, dass einem bei der täglichen Arbeit etwas fehlt. Arbeitstage können sich dadurch unproduktiv anfühlen, da man vor lauter FührungFührung und Management zu "nichts gekommen ist". Als Führungskraft sollte man sich deshalb regelmäßig – mindestens einmal im Monat – die Zeit nehmen und selbst etwas entwickeln oder Updates sowie neue Technologie ausprobieren. Alles zu Führung auf CIO.de
Verantwortung abgeben
Viele frisch ernannte Chefs neigen häufig dazu, Entscheidungen – insbesondere technische – von oben herab zu fällen. Das kann daran liegen, dass man die meiste Erfahrung im Team hat oder am längsten im Unternehmen arbeitet. Mögliche Folgen für den Teamspirit und die Tauglichkeit können fatal sein, schlussendlich muss das gesamte Team möglicherweise jahrelang die Entscheidung tragen. Wichtig ist deshalb zu erkennen, wann eine Entscheidung von einer einzelnen Person mit Fachwissen oder vom gesamten Team getroffen werden sollte.
In Zeiten, in denen man zwischen einer Vielzahl von sehr ausgereifter Technologie, Tools und Methoden wählen kann, ist die gewählte Lösung oftmals für den Erfolg oder Misserfolg nicht ausschlaggebend. Viel wichtiger ist der Weg zur Entscheidung und wie diese getroffen wurde. Ein besonderes Augenmerk sollten Führungskräfte immer darauf legen, wie sich die einzelnen Mitarbeiter am besten abgeholt fühlen, damit sie Entscheidungen verstehen, bewerten und mittragen können.
Kommunikation verbindet
Obwohl – oder besonders wegen des Aufstiegs in die Führungsebene – ist es besonders wichtig als Teamplayer aufzutreten. Junge Führungskräfte unterschätzen oftmals, wie wichtig eine beständige und vertrauensvolle Kommunikation ist. War man bisher ein Teil eines Teams, so ist man nun plötzlich deren Vorgesetzter. Worte und Gesten haben dadurch eine ganz andere Wirkung auf das Team. Das heißt nicht, dass man deshalb sein bisheriges Auftreten komplett ändern sollte. Stattdessen empfiehlt sich genau zu prüfen, welche Wirkung Gesagtes auf die jeweiligen Mitarbeiter und Kollegen hat.
Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere die Kommunikation mit anderen Stakeholdern außerhalb des Teams, zu Missverständnissen oder Falschauslegung führen kann. Da man zwangsläufig auch mit den Führungskräften der anderen Teams Abstimmungen hat, sollte man hier von Vornherein für eine offene und klare Kommunikationskultur sorgen. Als junge Führungskraft ist es auch hilfreich, die Kommunikation nach außen und vor Gruppen zu trainieren.
Gerade im Bereich IT gibt es zahlreiche Themen die öffentlichkeitswirksam die eigene Thought Leadership unterstreichen und zu einer Positionierung der eigenen Person beitragen können. Hierbei bieten sich vorwiegend Meetups, User-Group-Vorträge oder Konferenzen an, bei denen man über nicht rein technische Themen referieren kann und so übt, auch außerhalb des eigenen Themen-Spektrums zu referieren.
Soft Skills aufbauen
ITler haben oft einen sehr klaren Orientierungsrahmen, liefern Algorithmen doch eine sehr schematisierte Darstellung der Wirklichkeit. Hier zählt oft falsch/richtig oder wahr/unwahr und die Strukturen sind von Vornherein klar definiert. Funktioniert eine Anwendung nicht richtig? Dann wird es in der Regel ein Fehler sein, welcher durch tiefgreifende Analyse und strukturiertes Debuggen behebbar ist.
Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass Entwickler allesamt nur vor ihren Computer sitzen und ohne Austausch mit dem Umfeld ihren Tagesablauf bestreiten, es zeigt sich aber, dass andere Berufe wie Marketing Manager, Vertriebsmitarbeiter oder Personaler durch den ständigen Kontakt mit Menschen durchaus auf einem anderen kommunikativen Level sein können und daher eine andere Form der Kommunikation zu wählen ist.
Wenn sich solche Mitarbeiter in eine Führungsrolle weiterentwickeln, kommt es nicht nur darauf an, zu lernen, Aufgaben abzugeben oder einen strategischen und weitsichtigen Blick auf die Entwicklung des eigenen Bereichs zu lenken. Es geht auch darum, Soft-Skills auf- und auszubauen, die für ein vertrauensvolles Miteinander im Team sorgen.