AR, MR und Neuromorphic Computing

So sieht Mercedes die Autozukunft

Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Mercedes-Benz demonstriert, wohin sich die individuelle Mobilität im digitalen Zeitalter entwickeln könnte.
Die Zukunft des Autos in den Smart Cities von morgen.
Die Zukunft des Autos in den Smart Cities von morgen.
Foto: Mercedes-Benz

Die deutschen AutobauerAutobauer gelten im Urteil vieler Kritiker als hoffnungslos rückständig. Auch angesichts sinkender Umsätze und wenig erfolgreicher Elektromodelle. Sie hätten die Zeichen der Zeit schlicht nicht erkannt, so ein oft geäußerter Vorwurf. Top-Firmen der Branche Automobil

Dem will jetzt Mercedes-BenzMercedes-Benz entgegenwirken und gewährt dazu Einblicke in seine Forschungsaktivitäten. Mit digitaler Technik wie Augmented RealityAugmented Reality (AR) und Mixed Reality (MR) sowie Neuromorphic Computing wollen die Stuttgarter in Zukunft das Zeitalter des hyperpersonalisierten Fahrens einläuten. Top-500-Firmenprofil für Mercedes-Benz Group AG Alles zu Augmented Reality auf CIO.de

Hyperpersonalisierte Autos

Doch um was geht es bei diesem Buzzword konkret? In der Vision der Schwaben sollen künftige Modelle ihren Besitzern ein ganzheitliches und nahtloses digitales Erlebnis bieten, das ihr Leben einfacher und komfortabler gestaltet. So soll das Auto der Zukunft die Gewohnheiten, Gemütszustände und Bedürfnisse der User erkennen.

Mercedes will AR-Brillen im Auto integrieren.
Mercedes will AR-Brillen im Auto integrieren.
Foto: Mercedes-Benz

Wie das konkret aussehen könnte, verdeutlicht der Autobauer an einem Beispiel: Die Autobesitzer trinkt morgens nach dem Aufstehen einen Kaffee und bereitet sich mit einem Mixed-Reality-Headset auf den Arbeitstag vor. Dazu gehört unter anderem ein Blick auf die Termine im Kalender.

Zum richtigen Zeitpunkt fährt dann das Fahrzeug autonom aus der Garage. Der Innenraum ist dabei bereits exakt den aktuellen Bedürfnissen wie Temperatur, Radiosender oder Lautstärke entsprechend konfiguriert.

Nach dem Einsteigen schlägt ein KI-gesteuerter Assistent die vorgeschlagene Route ins Büro vor. Da unser Beispiel-User seinen Kaffee bereits zu Hause getrunken hat, führt die Route nicht über den sonst so beliebten Drive-Through-Coffeeshop.

Virtuell Navigieren per AR

Durch eine AR-Brille sieht der Fahrer die Navigation als virtuelle Anzeige in der Außenwelt - genau an den Stellen, wo sich wichtige Weg- und Abbiegepunkte befinden. Möchte die Person am Steuer sich lieber anderen Aktivitäten widmen, schaltet sie einfach in den autonomen Fahrmodus.

Das Fahrzeug macht dann Vorschläge für erweiterte Aufgaben und Erlebnisse entsprechend den bekannten, individuellen Präferenzen. Dazu gehört etwa, eine entspannte Sitzhaltung einzunehmen oder Aufgaben, fortzuführen die zu Hause begonnen und noch nicht fertiggestellt wurden.

Die AR-Brille zeigt den Weg.
Die AR-Brille zeigt den Weg.
Foto: Mercedes-Benz

Langfristig will das Unternehmen seinen Kunden mit AR-Brillen ein neuartiges Benutzererlebnis bieten. Dabei verfolgt der Konzern den Ansatz "Bring Your Own Device" (BYODBYOD). Sprich, der Benutzer bringt seine eigene AR-Brille mit, die individuell auf Sehstärke und persönliches Umfeld angepasst ist. Darüber hinaus könnte die Verknüpfung mit der fahrzeugseitigen Sensorik und Aktorik neue Möglichkeiten eröffnen, um Entertainment-, Wellness- und Komforterlebnisse auf ein immersiveres Niveau zu heben. Alles zu BYOD auf CIO.de

Mixed Reality

Ein weiteres Anwendungsgebiet sieht Mercedes-Benz in immersiveren Markenerlebnissen für potenzielle Käufer. Mit Hilfe von MR-Brillen (Mixed Reality) könnten diese in Echtzeit virtuelle Fahrzeugmodelle interaktiv erleben und individuell anpassen. Das könnte das physische Kundenerlebnis im Retail ergänzen. Derzeit nutzt der Autobauer hierzu Echtzeit-Game-Engines in Verbindung mit der Apple Vision Pro.

Fahrzeuge per Mixed Reality konfigurieren.
Fahrzeuge per Mixed Reality konfigurieren.
Foto: Mercedes-Benz

Dabei beschränken sich die Ideen des Autobauers nicht nur auf den Verkauf. Mittels MR will man auch die CollaborationCollaboration der eigenen Mitarbeiter verbessern. Diese könnten mit Hilfe der Technologie künftig über Ländergrenzen und Zeitzonen hinweg simultan an virtuellen Fahrzeugen arbeiten. Alles zu Collaboration auf CIO.de

So ließen sich in Zukunft mit Blick durch die MR-Brille verschiedene Fahrzeugtypen mit realen Fahrzeugabmessungen schnell und kostengünstig miteinander vergleichen. Auch neue Ideen könnten schneller erlebbar dargestellt und virtuell erprobt werden.

Neuromorphic Computing

Auch in Sachen KI will der Autobauer neue Weg einschlagen, um - gerade bei elektrischen Fahrzeugen wichtig - Energie einzusparen. Um dies zu realisieren, setzen die Stuttgarter auf neuronale Netze, sprich Neuromorphic Computing. Hierzu hat das Unternehmen unlängst eine Forschungskooperation mit der kanadischen University of Waterloo angekündigt.

Mit Neuromorphic Computing soll das autonome Fahren der Zukunft energieeffizienter werden.
Mit Neuromorphic Computing soll das autonome Fahren der Zukunft energieeffizienter werden.
Foto: Mercedes-Benz

Neuromorphic Computing ahmt die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nach. Dadurch könnten KI-Berechnungen deutlich energieeffizienter und schneller erfolgen.

In der Praxis, so der Autobauer, wäre ein solches Fahrzeug in der Lage, Verkehrsschilder, Fahrspuren und andere Verkehrsteilnehmer auch bei schlechter Sicht viel besser zu erkennen und schneller darauf zu reagieren. Dabei wäre es zehnmal effizienter als aktuelle Systeme, so die Stuttgarter. Gleichzeitig habe Neuromorphic Computing das Potenzial, den Energiebedarf für die Datenverarbeitung beim autonomen Fahren im Vergleich zu heutigen Systemen um 90 Prozent zu senken.

Neuromorphic-Systeme sind zehnmal effizienter als heutige KI-Lösungen.
Neuromorphic-Systeme sind zehnmal effizienter als heutige KI-Lösungen.
Foto: Mercedes-Benz

Intelligente Autos für die Smart Cities der Zukunft

In Sachen DigitalisierungDigitalisierung arbeitet der Autobauer nicht nur an seinen eigenen Produkten, sondern entwickelt auch eine Vision für die Smart Cities der Zukunft. Klares Ziel dabei: Der heute von interessierter Seite so stark kritisierte Individualverkehr soll auch in Zukunft seinen Platz und seine Berechtigung haben. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Dazu haben die Stuttgarter unter dem Label "2040+" drei Szenarien für Los Angeles, London und Shenzhen entwickelt. Wir beschränken uns an dieser Stelle auf das Beispiel Shenzhen, da die südchinesische Metropole in Sachen digitaler Transformation zu einer der führenden Städte zählt.

So könnte dort ab 2040 das Verkehrsmanagement mit Hilfe künstlicher Intelligenz, Vernetzung und digitaler Infrastruktur erfolgen. Auf separaten Konvoi-Spuren wären dann viele automatisierte Fahrzeuge unterwegs, vernetzt über eine integrierte "Vehicle-Road-Cloud". Aufgrund der dichten Bebauung wären verschiedene vertikale Verkehrsebenen vorstellbar.

Zukunftsvision für Shenzhen.
Zukunftsvision für Shenzhen.
Foto: Mercedes-Benz

Dabei könnte Vehicle-2-X-Kommunikation (V2X) zum Standard werden, während die Logistik automatisiert mit Robotern und Drohnen funktionieren. In der Vision für Shenzhen haben alle Fahrzeuge einen elektrischen oder elektrifizierten Antrieb und erzeugen über Solarmodule einen Teil ihres eigenen Stroms.

Radfahrer haben separate Fahrspuren und Fußgänger klar gekennzeichnete Wege. Der Warentransport und die Personenbeförderung in umliegende Städte könnte mit Hochgeschwindigkeitszügen und VTOLs (Vertical Take Off and Landing) erfolgen. Für gute Luftqualität und eine geringe Aufheizung im Sommer sorgen zahlreiche Parks und eine grüne Infrastruktur.

Wie die Vision von Mercedes-Benz für Los Angeles und London aussieht, erkunden Sie hier.

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