beyond 2017

So wird die Corporate IT zum Motor für Innovationen

Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.
Was geschieht, wenn sich CIOs für 48 Stunden Zeit nehmen, um strukturiert über die Rolle der IT und des Business im konzerneigenen Innovationsprozess zu diskutieren? Es zeigte sich, dass die IT-Macher unter dem Druck des digitalen Wandels bereit sind, Vieles in Frage zu stellen, was zuvor sakrosankt erschien – sogar das eigene CIO-Office.

"Wie schaffen Corporate IT und Business gemeinsam die nachhaltige und werthaltige Erneuerung des Innovationsprozesses?" - diese Fragestellung diskutierten mehr als 20 CIOs gemeinsam mit einigen IT-Dienstleistern im Rahmen eines zweitägigen Intensiv-Workshops am Chiemsee. "Beyond" ist der Titel der von COMPUTERWOCHE und CIO Magazin ausgerichteten Veranstaltung. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass die Teilnehmer in einem streng strukturierten Format selbst die Themen ausarbeiten, an denen sie später im Geschäftsalltag ansetzen wollen.

beyond heißt: Harte, inhaltliche Arbeit in Kleingruppen.
beyond heißt: Harte, inhaltliche Arbeit in Kleingruppen.
Foto: Foto Vogt

Die Voraussetzungen waren klar: Im Zuge der DigitalisierungDigitalisierung, so der Konsens, wird die IT zum Innovationsmotor in den Unternehmen. Technologien wie Internet of Things, Artificial Intelligence, Robotic Process Automation oder BlockchainBlockchain haben das Potenzial, die Geschäftsmodelle signifikant und disruptiv zu verändern und die Unternehmen entscheidend voranzubringen. Für CIOs bedeutet das Chance und Herausforderung zugleich: Wenn die IT alles richtigmacht, kann sie zum Dreh- und Angelpunkt für InnovationInnovation im Unternehmen werden (Siehe auch: Was ist was im Innovation Management?). Alles zu Blockchain auf CIO.de Alles zu Digitalisierung auf CIO.de Alles zu Innovation auf CIO.de

Die CIOs erarbeiteten vor diesem Hintergrund Empfehlungen, mit denen die Corporate IT und das Business gemeinsam die Innovationen im Unternehmen vorantreiben können. Die wichtigsten Ansatzpunkte im Überblick:

Der Kunde bestimmt die Richtung

Customer-Fokus, Customer Centricity, Customer Obsession - diese Begriffe beschreiben in unterschiedlicher Dringlichkeit, worum es im digitalen Zeitalter geht: möglichst nahe an den Kunden heranzurücken, sein Verhalten nachvollziehen und seine Wünsche antizipieren zu können. Wer hier vorankommen will, braucht das Feedback seiner Klientel - nicht einmalig, sondern fortlaufend. Einige CIOs hatten gute Erfahrungen mit der Design-Thinking-Methode gemacht und empfahlen ein Buyer-Persona-Konzept.

Dazu werden anhand von Daten prototypische Einzelkunden definiert - so wie man sie bereits kennt oder wie man sie gerne hätte. Es entsteht die sogenannte Buyer Persona, die möglichst genau, gerne auch mit einem fiktiven Namen, Profildaten und einem Bild beschrieben wird. Nun geht es darum, sich tief in diese Person hineinzuversetzen und die eigenen Firmenaktivitäten auf die Anforderungen dieser wichtigsten Kundengruppen oder Zielmärkte hin zu optimieren. Deshalb ist es sinnvoll, die datengenerierte Persona immer wieder einem Reality Check zu unterziehen, indem reale Kunden, die den Personas weitestgehend entsprechen, eingeladen und gehört werden.

In Sachen Customer Centricity wurde weiterhin vorgeschlagen, die Zusammenarbeit mit dem Kunden auf dreierlei Weise zu intensivieren: klassische Befragungen, Co-Creation sowie Analyse des praktischen Kundenverhaltens anhand von Daten. Der ständige Dialog anhand von Minimal Viable Products (MVPs) führt dazu, dass Fehlentwicklungen in einem frühen Stadium ausgeschlossen werden können und der Kunde ständig involviert ist. Ein MVP ist mehr als nur ein Prototyp, es handelt sich um die erste funktionsfähige Iteration eines Produkts, das Unternehmen auf ihre Kunden loslassen, um Klarheit über seine Marktchancen und seine weitere Entwicklung zu bekommen.

Der Marktplatz der Themen ist das Forum, auf dem die Teilnehmer für Ihre Diskussionsthemen werben.
Der Marktplatz der Themen ist das Forum, auf dem die Teilnehmer für Ihre Diskussionsthemen werben.
Foto: Foto Vogt

Darüber hinaus lassen sich über datengetriebene Initiativen und Sensorik Daten einsammeln und Datenpools aufbauen, deren Analyse Details über das heutige und zukünftige Kundenverhalten verrät und Rückschlüsse auf Customer Experience und Customer Journey zulässt.

Einen etwas anderen Blickwinkel auf das Thema Customer Centricity hat die klassische IT-Organisation, die ihren internen Kunden, den Anwender bedient. Für sie kommt es vor allem darauf an, optimal mit den Fachbereichen zu kommunizieren.

Hier empfahlen die Diskutanten einen geregelten Austausch: ITler gehen ins Business und lernen dessen Bedürfnisse kennen, gleichzeitig bringen sie ihre Methodenkompetenz in Sachen Agilität und Design ThinkingDesign Thinking ein, um das gesamte Unternehmen stärker in Richtung Agilität zu bewegen. Auf diese Weise bauen sie Beratungskompetenz auf und lernen zuzuhören. Ebenso können sich Mitarbeiter aus den Fachbereichen an IT-Projekten beteiligen und dort dafür sorgen, dass die IT den Anwender mit seinen Bedürfnissen fest im Blick behält. Alles zu Design Thinking auf CIO.de

Die klassische Aufbauorganisation hilft nicht mehr weiter

Engagiert und teils kontrovers gerieten die Diskussionen um die künftige Aufbauorganisation in den Unternehmen: Wenn digitale Technologien zum wichtigsten Wertschöpfungsfaktor für das Business werden und Produktinnovationen in erster Linie von der IT ausgehen - hat es dann überhaupt noch Sinn, eine zentrale IT-Organisation aufrechtzuerhalten? Verlangen Trends wie Agilität, DevOpsDevOps, das schnelle Erstellen von MVPs entlang des Kundenbedürfnisses nicht das Hand-in-Hand-Arbeiten von IT- und Business-Mitarbeitern in und zwischen den Fachbereichen? Alles zu DevOps auf CIO.de

Die "funktionale IT-Organisation abzuschaffen" lautete dann auch ein ganz konkreter und durchaus umstrittener Vorschlag einer Arbeitsgruppe. Die IT müsse in den Business Units organisiert werden - mit einem gemeinsamen maximalen Kundenfokus. Alles, was nicht zwingend zentral laufen müsse, könne ins Business transferiert werden.

Konsens gab es in der These, dass die Corporate-IT-Bereiche kleiner werden und ihre verbleibenden Aufgaben neu sortieren muss. Vor dem Hintergrund des Anspruchs, als Innovationsmotor für das Unternehmen zu fungieren, werde das frühe Erkennen, Prüfen und Einbringen von Technologietrends zu einer zentralen Anforderung. Hinzu kämen klassische Aufgaben rund um IT-Sicherheit und Governance. Die CIO-Rolle bleibe als Koordinationsinstanz erhalten, doch er arbeite künftig nur noch "am System und nicht im System", sofern er nicht auch die Rolle eines Chief Digital Officers innehabe.

Im Business hingegen gelte es, aktiv und mit positiver Konnotation IT-Kompetenz aufzubauen und dafür zu sorgen, dass sich möglichst viele Mitarbeiter mit digitalen Technologien identifizieren können. Ein erster Schritt dafür sei es, Innovation in der Unternehmensstrategie oder in einem griffigen Leitbild zu verankern. Des Weiteren sei es sinnvoll Bühnen zu schaffen, auf denen Fachbereiche ihre innovativen Ideen präsentieren könnten, Innovations-Events ins Leben zu rufen, NetzwerkeNetzwerke aufzubauen und gegebenenfalls Awards zu verleihen. Alles zu Netzwerke auf CIO.de

Echte Begeisterung werde sich aber wohl nur dann schaffen lassen, wenn es gelinge, die IT zu vereinfachen und attraktiver erscheinen zu lassen. Dazu beitragen könnte ein konsequenter Fokus auf Usability, aber auch scheinbar simple Maßnahmen wie ein gemeinsames Vokabular, dass ohne technische Akronyme auskommt, oder. Unternehmenseigene Clouds sollten so selbsterklärend sein wie Public Clouds, Shared Spaces, wie sie Box und Dropbox anbieten, und für alle zugänglich sein.

Kultur und Klima mehr als nur Worte

Wie gelingt es nun, ein Innovationklima und eine Kultur zu schaffen, in der neue Ideen entstehen und reifen? In den Diskussionen gab es Einigkeit in der Feststellung, dass Diversität wichtig und hilfreich ist: Frauen und Männer, ältere und jüngere Mitarbeiter, In- und Ausländer - abhängig vom Vorhaben sollten solche gemischten Teams bereichsübergreifend zusammengestellt werden, gerne auch unter Beteiligung von Kunden und Partnern.

Nur so könne wirklich Neues entstehen, hieß es. Wichtig ist es dabei, eine geeignete Methode für einen permanenten Innovationsprozess einzuführen und zu verankern. Sie muss unter anderem regelmäßige Zusammenkünfte, Rituale und Arbeiten entlang von Key Performance Indicators (KPIs) vorsehen.

Dabei sollten nicht harte, konventionelle KPIs definiert werden, sondern Messgrößen, die sich am Feedback und Zuspruch von Kunden orientieren. Geeignet wäre etwa ein Online-Stimmungsbarometer, das die Meinungen zu einem digitalen Produkt spiegelt. Damit die guten Ideen der diversen Teams in den Innovation Labs nicht versickern, müssen die Teams zudem gehalten sein, Innovationsprozesse Ende zu Ende zu definieren und ganzheitlich umzusetzen.

Die "Operationalisierung" war den CIOs sehr wichtig: Es muss gelingen, Innovationen als normalen Bestandteil des Tagesgeschäfts zu etablieren. Authentisches und verantwortliches Führen, das sich selbst zurücknimmt, aber Freiheiten zulässt und Verantwortung für das Gelingen von Innovationsprojekten trägt, ist gefragt. Es geht darum, Vertrauen zu schaffen und zu motivieren. Bonuszahlungen, so war man sich einig, führen hier eher zu Fehlsteuerungen als dass sie weiterhelfen.

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