Edge vs. Cloud
So wird Ihre digitale Produktion erfolgreich
Moritz Strube beschäftigt sich seit Beginn des letzten KI-Frühlings vor mehr als 20 Jahren mit Künstlicher Intelligenz. Der Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler ist Spezialist für Data Science, Statistik, Softwareentwicklung und KI-Frameworks. Er lehrt und hält Vorträge zu Künstlicher Intelligenz, Data Science und Blockchain. Seit Oktober 2021 ist er als CTO Teil der Leitung des Unternehmens InspectifAI, welches 2021 von dem Körber Geschäftsfeld Digital gegründet wurde.
Datenverarbeitung mit Echtzeitanspruch, immer weiter skalierende Datenmengen bei immer kürzer werdenden Entwicklungszyklen: Cloud ComputingCloud Computing wurde in den letzten Jahren zunehmend relevant für Produktionsunternehmen. Damit ergab sich immer öfter die Frage, wo Daten verarbeitet und gespeichert werden. Zu Beginn wurden Edge Devices häufig als Client für in der Cloud bereitgestellte Endpoints genutzt. Doch der steigende Bedarf nach Anwendungen mit lokaler Datenspeicherung und -verarbeitung führten zu einer zunehmenden Relevanz von Edge Computing, das heißt der Datenverarbeitung und -speicherung nahe an der Datenquelle. Alles zu Cloud Computing auf CIO.de
Dazu, dass die Frage nach "Cloud oder Edge" mittlerweile so einen hohen Stellenwert hat, trugen auch einige Entwicklungen der jüngsten Vergangenheit bei:
Die zunehmende Leistungsfähigkeit von Edge Devices wie mobile Endgeräte oder Embedded Systems.
Die immer kritischer werdende Betrachtung der Speicherung von sensiblen Daten in der Cloud.
Die steigende Nachfrage nach Services ohne permanente und datenintensive Kommunikation über das Internet, wie beispielsweise KI-basierte Anwendungen auf dem Smartphone.
Cloud vs. Edge: Eine Übersicht
Vereinfacht gesagt, werden beim Cloud Computing alle Daten zentral an einem Ort gespeichert und verarbeitet. Endgeräte zur lokalen Bereitstellung der Services kommen aufgrund der direkten Kommunikation mit der Cloud ohne wesentliche lokale Datenspeicherung und -verarbeitung aus.
Die Vorteile der Cloud liegen dementsprechend auf der Hand: Zentrales Management, unbegrenzte Ressourcen, vielfältige Services und in der Anwendung vergleichsweise einheitlich und einfach. Gegen die Verwendung eines reinen Cloud-Ansatzes spricht der kosten- und zeitintensive Transfer großer Datenmengen. Außerdem erfordert die lokale Nutzung eine stabile und durchgängige Verbindung zur Cloud und, dem zentralen Prinzip entsprechend, müssen auch alle sensiblen Daten in die Cloud transferiert werden.
Beim Edge Computing dagegen werden die Daten vorwiegend dezentral auf lokalen Endgeräten gespeichert und verarbeitet. Die Endgeräte kommunizieren zwar ebenfalls mit der Cloud und tauschen Daten mit dieser aus, jedoch in wesentlich geringerem Umfang. Je nach Anwendungsfall ist zudem keine permanente Verbindung der Endgeräte zur Cloud erforderlich. Die Daten können so schneller und ohne Internetanbindung mit hoher Bandbreite verarbeitet werden - insbesondere auch sensible Daten.
Aufgrund der begrenzten Kapazitäten werden im Allgemeinen wenige oder sogar keine Daten lokal gespeichert, sondern direkt mit geringen Latenzzeiten verarbeitet. Gegen Edge Computing sprechen die hohe Komplexität und Vielfalt der Infrastruktur und die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Edge Devices. Oft reichen deren lokale Ressourcen nicht für eine umfangreiche lokale Datenverarbeitung bzw. -speicherung aus.
Eine Entscheidung mit Konsequenzen
Der Einsatz einer Cloud-Lösung ist deshalb dann sinnvoll, wenn Anwendungsfälle mit großer Nutzerzahl, geringer lokaler Produktion von Daten und wenigen sensiblen Daten vorliegen. Voraussetzung ist dabei, dass eine Internetverbindung verfügbar ist und die Kommunikation keine zu hohen Anforderungen an die Latenzzeiten stellt. Ein Beispiel für einen solchen Anwendungsfall für die Cloud ist die Bereitstellung und Eingabe von Unternehmensdaten in der Produktion, etwa Daten für ein ERP-System wie Arbeitszeiten, Lagerbestände, Produktionsmengen.
Klassische Anwendungsfälle für den Einsatz von Edge Computing sind eine große lokale Datenproduktion, das Vorhandensein von sensiblen Daten oder das Fehlen einer durchgängigen Internetverbindung. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die automatische visuelle Inspektion von produzierten Gütern, Echtzeit-Maschinen- und Prozessüberwachung, Notfall- oder Detektionssysteme.
Die Qual der Wahl
Ein Verzicht auf Edge Computing kann zu Problemen führen, wenn Bandbreiten, Latenzzeit und die Verfügbarkeit der Cloud-Verbindung die Anforderungen nicht erfüllen. So leidet eventuell massiv die Servicequalität darunter. Außerdem drohen die Kosten für Cloud Services regelrecht zu explodieren, wenn alle Daten in die Cloud übertragen, dort gespeichert und verarbeitet werden. Zudem können datenschutzrechtliche Probleme - insbesondere vor dem Hintergrund des Schrems-II-Urteils des EuGH - oder auch Akzeptanzprobleme im Hinblick auf die Datenverarbeitung eine Cloud-Nutzung problematisch machen.
Auf der anderen Seite erfordert eine Edge-Strategie das Management einer Vielzahl von lokalen Endgeräten und auch deren Anbindung an die Cloud. Dies kann mit Blick auf Kosten, Verfügbarkeit der Geräte, Wartung/Austausch, Sicherheit oder Lieferbarkeit Probleme aufwerfen. Da Edge Computing sowohl Cloud Services als auch lokale Edge Devices umfasst, wird die Komplexität deutlich erhöht.
Die Antwort auf die Frage, welcher Ansatz besser geeignet ist, kann sich im Laufe der Zeit verändern, weil die oben beschriebenen Faktoren durch neue Businessmodelle oder verfügbare Technologien zunehmend an Relevanz gewinnen. In einem solchen Szenario gilt es die Optionen und Randbedingungen aller genannter Parameter zu analysieren.
Schließlich ist zu klären, ob Daten vorwiegend in der Cloud gespeichert und verarbeitet werden sollen oder primär in den Edge Devices. Zu beachtende Kriterien sind unter anderem Bandbreitenanforderungen, Latenzzeiten, Ressourcenanforderungen, Datenschutz, Privacy, Sicherheit, Kosten oder Verfügbarkeit.
Cloud oder Edge: Ein Blick in die Zukunft
Die Forderung nach einer schnellen Verarbeitung großer Datenmengen verlagert die Nachfrage zunehmend von der Cloud zum Edge, da das Edge Computing leistungsfähiger wird und die Datenvolumina zunehmen. Zudem müssen die Daten nicht unbedingt gespeichert werden. Treiber für die zunehmenden Datenmenge im Produktionsumfeld sind vor allem IIoT, beziehungsweise die zunehmende Digitalisierung der Produktion. Auch KI, insbesondere Computer Vision, verstärkt diesen Trend, da die (Bild-)Daten oft umfangreich sind und schnell lokal verarbeitet werden sollen.
Für Produktionsunternehmen ist es daher unerlässlich, die aktuelle Situation der Datenverfügbarkeit und -verarbeitung genau zu analysieren. Oftmals sind viele nutzbare Daten lokal verfügbar oder können verfügbar gemacht werden. Diese werden aber oft noch nicht mit Cloud oder Edge erschlossen, um relevante Use Cases zu ermöglichen. Zwar gibt es Alternativen zu Cloud und Edge, welche ebenfalls in Betracht gezogen werden sollten, wie On-Premises-Lösungen oder autarke Lösungen ohne Anbindung an Netzwerke für Datentransfer und Stromversorgung.
Letztere sind beispielsweise in der Produktionslogistik denkbar. In diesem Fall sind die Kapazitäten für Datenverarbeitung und Kommunikation auf ein Minimum begrenzt und lassen, wenn überhaupt, nur kleinste Bandbreiten zur Datenübertragung (etwa LoRa) zu. Zudem steht meist wenig Rechenkapazität für die lokale Datenverarbeitung zur Verfügung. Doch selbst unter diesen Bedingungen werden zunehmend sogar Machine-Learning-Anwendungen möglich ("TinyML"), was insbesondere in der Produktionslogistik interessante Perspektiven eröffnet.
In Zukunft ist damit zu rechnen, dass Edge Computing einen großen Zuwachs verzeichnet, angetrieben durch IIoT. Zudem werden die immer leistungsfähigeren Mobile Devices und Embedded Systems es erlauben, die Anwendungen zunehmend lokal zu realisieren. (hi)