Project Titan lebt

Und Apple baut doch ein Auto

Mike Elgan schreibt als Kolumnist für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld und weitere Tech-Portale.


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

Das vergessen die Apple-Car-Experten

Apple ist ganz groß darin, aus unangekündigten Produkten und Projekten ein Geheimnis zu machen. In Sachen selbstfahrendes, beziehungsweise autonomes Auto gab es bislang zwar noch keine offizielle Verlautbarung, aber die Hinweise darauf, dass die Jungs aus Cupertino ein Fahrzeug in Planung haben, verdichten sich weiter.

Im vergangenen Monat etwa tauchte Apple auf der Liste des kalifornischen Department of Motor Vehicles (DMV) auf, die Auskunft darüber gibt, welche Unternehmen eine Lizenz dafür erhalten haben, autonome Fahrzeuge zu testen. Demnach hat Apple die Erlaubnis erhalten, Testfahrten mit drei Fahrzeugen vom Typ Lexus RX durchzuführen. Vor einigen Wochen wurde eines dieser Vehikel erstmals auf öffentlichen Straßen abgelichtet:

Die "FAZ" berichtete, dass Apple ein geheimes Testlabor in Berlin betreibe, wo vor allem deutsche Autoingenieure beschäftigt werden. Und ein Schweizer IT-Portal weiß zu berichten, dass Apple für sein eidgenössisches Forschungszentrum zehn Doktoranden der ETH Zürich verpflichtet habe, die Experten in den Bereichen visuelle Navigation, maschinelles Sehen und Robotik sind.

Ein weiterer möglicher Hinweis auf Apples Autopläne findet sich im aktuellen Supplier Responsibility Reportdes Unternehmens: Dort findet sich unter anderem der deutsche Zulieferer-GigantBosch. Apple könnte also bereits Auto-Komponenten beziehen.

Natürlich beweist keine dieser Fakten, dass Apple einen Tesla-Killer in der Mache hat. Und doch liegen die eingangs beschriebenen Experten falsch. Denn sie übersehen auch noch einige Dinge:

1. Die Vertragshersteller-Wahrscheinlichkeit

Die Reorganisation von Project Titan wurde von den MedienMedien als Wendepunkt interpretiert, ab dem Apple nur noch die Software für autonome Autos schreibt, aber nicht mehr die Fahrzeuge selbst produziert. Ihre Annahme ist, dass Apple dasselbe Geschäftsmodell im Sinn hat, das Microsoft über Jahre im PC-Segment verfolgt hat: Software ja - Hardware lieber nicht. Alle Hinweise deuten jedoch darauf hin, dass Apple stattdessen seinen eigenen Ansatz verfolgen wird - nämlich Hardware, Software und Services bereitzustellen, die auf einem Device konsumiert werden, das für Apple von einem Dritthersteller gefertigt wird. Top-Firmen der Branche Medien

Wer dieser Dritthersteller sein soll? "Bloomberg" berichtete, dass im Labor von SixtyEight Research ein Dutzend Ingenieure von Magna Steyr arbeiten. Der österreichische Konzern entwickelt und produziert ausschließlich Fahrzeuge im Auftrag anderer Hersteller und kooperierte bereits mit zahlreichen OEM-Größen wie Mercedes, BMW, Aston Martin, Audi, Fiat oder Peugeot. Derzeit arbeitet Magna Steyr unter anderem auch am ersten Elektroauto von Jaguar Land Rover - dem I-Pace. Die Unternehmensstruktur von Magna Steyr weist übrigens auch einige Ähnlichkeiten zu derer des chinesischen iPhone-Herstellers Foxconn auf.

Es sieht also ganz danach aus, als würde Apple eine Partnerschaft mit Magna Steyr anstreben, um in deren Rahmen Project Titan Wirklichkeit werden zu lassen.

2. Die Akquisitionsoption

Erst vor kurzem wurde öffentlich, dass Apple auf Bargeldbeständen in Höhe von mehr als 256 Milliarden Dollar sitzt. Wenn Apple also die fortschrittlichste Technologie für selbstfahrende Autos haben wollen würde, müsste es einfach nur deren Besitzer kaufen. Oder um es anders auszudrücken: Technologische Führerschaft ist für den iPhone-Konzern kein Problem, denn die kann man mit Geld kaufen. Und davon hat der Apfel-Konzern mehr als genug.

3. Beispiel iPhone

Wenn Sie am 9 Januar 2006 einen Blick auf Apples streng geheimes Smartphone-Projekt hätten werfen dürfen, wären Sie sehr wahrscheinlich zu dem Schluss gekommen, dass der Konzern aus Cupertino mit seinem Produkt viel zu spät dran, viel zu weit von den Marktführern entfernt ist und nicht der Hauch einer Chance auf die Marktführerschaft besteht. Ein Jahr später revolutionierte das iPhone dennoch den Handy-Markt und machte Apple zur dominanten Tech-Macht.

Apples iPhone-Historie macht klar, dass das Unternehmen gar nicht als erster mit seinem Produkt auf den Markt will. Immerhin wurde das iPhone ganze 15 Jahre nach dem ersten Smartphone ausgeliefert. Apple wird erst dann in den Markt für autonomes Fahren eintreten, wenn man verstanden hat, was mit der Technologie bislang falsch läuft und vor allem wie man diese Probleme lösen kann.

4. Die Zukunftsvision

Wenn wir an Autos denken, denken wir zuallererst an die heutige Automobilindustrie. OEM-Monolithen designen und bauen "Brand"-intensive Fahrmaschinen, die die Kunden aufgrund von Merkmalen wie Marken-Loyalität, -Image oder Nutzwert kaufen. Die Welt der selbstfahrenden Autos wird allerdings eine vollkommen andere sein. In Zukunft wird das ganze Auto-Zeug (Motoren, Reifen, Felgen, Lackierungen) für die Kunden nämlich deutlich weniger Relevanz haben. Diese Kunden der Zukunft wollen es ohnehin vermeiden, ein Auto selbst zu kaufen. Und die Kaufentscheidung wird beim Auto künftig vom Mobilitätserlebnis abhängig sein.

Die größte Vision für das Apple Car ist jedoch, dass Mobilität einfach zu einem Service wird, der von Siri bereitgestellt wird. Dann sagen Sie Siri einfach, dass Sie jetzt zur Arbeit gefahren werden wollen, die Ihnen daraufhin antwortet, dass ein Apple Car in zwei Minuten für Sie bereit steht. Oder Sie richten einfach eine tägliche Abholung ein. Dann gehen Sie raus, setzen sich auf die Rück-Couch im autonomen Apfel-Gefährt und sehen dabei zu, wie Ihr iCloud- und iTunes-Konto automatisch das Infotainment-System übernehmen. Das ist dann ungefähr so, als würden Sie in Ihrem iPhone sitzen. Und mit Ihrer Stimme spielen Sie Musik und Videos ab oder starten Anrufe.

Die Kosten für die Fahrt werden direkt über iTunes abgerechnet oder ohnehin bereits monatlich abgebucht. Wer braucht da schon noch ein eigenes Auto? Die physische Beförderung Ihres Körpers wird zu einer von Apple kontrollierten Erfahrung. Telefongespräche oder Medieninhalte "wandern" nahtlos vom heimischen Lautsprechersystem zu den AirPods, zum iCar, zu Siri auf dem Schreibtisch im Büro und wieder zurück.

Für Apple ist das der ultimative Weg, um Ihr Konsumverhalten und Ihre Kommunikation möglichst nahtlos und nachhaltig auf täglicher Basis zu kontrollieren. Ein Apple Car wird das, was die Server des Unternehmens heute bereits sind: Hardware in Besitz von Apple, die die User mit Services versorgt.

Apple ist ins Smartphone-Geschäft eingestiegen, weil das der Markt ist, wo die Menschen Content konsumieren und Kommunikation betreiben. Und weil es ein riesiges Geschäftsfeld ist, das sie mit Hardware, Software und Services dominieren können. Genau aus demselben Grund wird Apple ins Geschäft mit den (autonomen) Autos einsteigen.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation computerworld.com.

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