Wie man Mitarbeiter (nicht) entlässt
Unter der Dusche gefeuert
Boris Becker machte einst mit Sandy Meyer-Wölden per SMS Schluss - und die Empörung war groß. Eine Beziehung derartig zu beenden, sei stillos, meinen viele. Auch in der Trennung sollte man Respekt walten lassen. In der Realität sieht das oft anders aus. Die meisten Menschen scheuen Konflikte und machen sich lieber leise aus dem Staub, als eine große Szene zu riskieren. Sogar Unternehmen kündigen ihren Mitarbeitern oft auf sehr unfeine Art.
Ein Beispiel: Ein IT-Manager hatte ein Projekt erfolgreich geleitet. Seine Abteilung war begeistert, auch die Branche zollte ihm Anerkennung, es wurde auf einer Veranstaltung entsprechend gefeiert. Allerdings gab es am nächsten Morgen ein bitteres Erwachen. Der Manager stand unter der Dusche und hörte, wie sein Telefon klingelte. Wenige Minuten später hörte er seine Mailbox ab und musste feststellen, dass sein Chef ihm die fristlose Kündigung auf Band gesprochen hatte.
Ein anderer IT-Mitarbeiter stellte zwei Tage nach der Kündigung fest, dass der Zugangscode für das Betriebssystem ausgetauscht war. Er konnte gar nicht mehr arbeiten - aber vom Chef weit und breit keine Spur. Der hatte sich klammheimlich aus der Affäre gezogen.
Auch nicht die feine englische Art: Wenn der Vorgesetzte den Nachfolger schon kennt, ohne dass der jetzige Mitarbeiter weiß, dass er gefeuert ist. So passierte es zum Beispiel einem CIO: Der Chef sagte ihm eines Tages unvermittelt: "In zwei Wochen kommt Ihr Nachfolger. Arbeiten Sie ihn bitte ein, bevor Sie gehen."
Zugegeben, ein Kündigungsgespräch ist anstrengend, unangenehm und zehrt an den Nerven. Kein Mensch führt derartige Gespräche gern. Sich aber davor zu drücken und - im schlimmsten Falle - einfach einen Brief schicken, ist in höchstem Grade fahrlässig. Schließlich gilt: Man sieht sich immer zweimal im Leben.
So kündigen Unternehmen richtig
Ein Kündigungsgespräch muss sein - und darauf sollte sich ein Chef ausreichend vorbereiten. "Man muss zum Beispiel die Personalakte auf den neuesten Stand bringen, etwa was die Sozialauswahl angeht", sagt Coach Christoph Burger. Die Kinderzahl oder der Ehestatus in der Personalakte sollten aktuell notiert sein, und der Vorgesetzte sollte richtig berechnen, wer als letztes zum Team gestoßen ist. Sonst kann das Gespräch mitunter peinlich werden.
- Keine alternativen Jobs
Es darf keine alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen geben, ansonsten ist die betriebsbedingte Kündigung nicht möglich. - Weniger Schutzbedürftige
Die weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer können gekündigt werden. - Sozialauswahl
Der Arbeitgeber muss eine Sozialauswahl durchführen und je nach Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltsverpflichtungen und Schwerbehinderung entscheiden, welche Arbeitnehmer sozial am schutzbedürftigsten sind. - Wegfall von Arbeitsplätzen
Die unternehmerische Entscheidung muss zum Wegfall von Arbeitsplätzen führen, es darf keine anderen, milderen Maßnahmen geben – etwa Teilzeit oder Umstrukturierungen – die einen Wegfall der Arbeitsplätze verhindern könnten. - Unternehmerische Entscheidung
Für eine betriebsbedingte Kündigung muss es eine unternehmerische Entscheidung geben, beispielsweise einen Vorstandsbeschluss.
"Auch sollte vorher bedacht werden, ob sich der Mitarbeiter nicht vielleicht weiterbilden möchte", sagt Burger. Erklärt der Kollege, dass er durchaus bereit sei, mehr Fähigkeiten zu erwerben, kann es sein, dass eine betriebsbedingte Kündigung schwieriger wird. "Häufig verpassen Führungskräfte auch, den Betriebsrat anzuhören. Das kann zu Problemen führen", erklärt Burger einen typischen Fehler, der zur Rücknahme einer ausgesprochenen Kündigung führen kann. Denn noch schlimmer als ein Kündigungsgespräch ist wohl ein zurückgenommenes Kündigungsgespräch.
Ein Taschentuch für alle Fälle
Was kann man nicht alles falsch machen: Herumdrucksen, sich winden oder die Kündigung gar so formulieren, dass der Mitarbeiter sie gar nicht versteht? Nichts da: "Man sollte dem Mitarbeiter kurz und schmerzlos sagen, dass er gekündigt ist", sagt Coach Burger.
Dass die meisten Menschen sehr emotional auf ihre Kündigung reagieren, ist normal. Schließlich hat der Chef ihnen gerade den Boden unter den Füßen weggezogen. "Man muss auch darauf gefasst sein, dass der Mitarbeiter unerwartet reagiert", sagt Burger. Ein Chef sollte nicht aus allen Wolken fallen, wenn ein sonst ruhiger Mitarbeiter heult oder einen Wutausbruch hat. "Der Gekündigte wird leicht aus der Fassung geraten", sagt Burger. "In dieser Situation muss man abwarten und zurückhaltend sein." auf keinen Fall sollte die Führungskraft den verzweifelten Mitarbeiter brüsk abweisen oder gar aus dem Zimmer werfen. Den Emotionen müsse man Raum geben und, wenn Tränen fließen, die Taschentücher rüberschieben, rät der Coach.
Nicht zwischen Tür und Angel kündigen
Doch mit einem einfachen "Sie sind entlassen" ist es nicht getan. Viele Angelegenheiten müssen geklärt werden, und auch der Mitarbeiter hat meistens noch Gesprächsbedarf. Wann die Zeit für das nächste Gespräch gekommen ist, entscheidet die Verfassung des Mitarbeiters. "Die Hintergründe kann man auch zu einem anderen Zeitpunkt besprechen", meint der Coach. Oft ist es schwer, in dieser aufgeladenen Situation noch rationale Gespräche zu führen. "Der Chef kann schon vorher einen Termin in seinem Kalender blocken, an dem er sich mit dem Mitarbeiter ausführlich zusammensetzt", sagt Burger.
Ein Entscheider sollte die Zeit für ein Kündigungsgespräch nicht zu knapp einschätzen. "Besteht sofort Gesprächsbedarf, muss man sofort zur Verfügung stehen", rät Coach Burger. Muss der Vorgesetzte sofort weiter zum nächsten Termin hetzen, gibt er seinem Kollegen gegenüber keine gute Figur ab.
Zeigen Sie weiter Wertschätzung
Chefs sollten sich auch bewusst sein: Wie er mit diesem Mitarbeiter umgeht, wirkt sich auf das ganze Team aus. Verhält er sich unmöglich, wird das langfristig Konsequenzen haben. "Es ist wichtig, dass der Chef und der Mitarbeiter gemeinsam das weitere Vorgehen in Ruhe besprechen. Man muss sich neu sortieren", sagt Burger. Einige Firmen bieten ihren Mitarbeitern ein sogenanntes Ausstiegsmanagement an oder vereinbaren ein Treffen mit einem Karriereberater. "Das signalisiert: Wir lassen Sie nicht fallen wie eine heiße Kartoffel", sagt Burger. "Es ist wichtig, Wertschätzung auszudrücken."
- Tipps für Kündigung und Trennung
Wenn Mitarbeiter entlassen werden müssen, sollte dies möglichst schmerzfrei erfolgen. Frank Adensam sagt, wie Sie dabei vorgehen sollten. - Sorgfältig vorbereiten
Das setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Diese gelingt Unternehmen am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess schreiben. - Ruhig und sachlich bleiben
In der Regel sollte der unmittelbare Vorgesetzte die betroffenen Mitarbeiter über ihre Kündigung informieren - selbst wenn diese von der Personalabteilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereiten. Unter anderem, indem er sich im Vorfeld fragt: Teile ich in dem Gespräch dem Mitarbeiter nur die Kündigung mit und setze ich mich mit ihm anschließend nochmals zusammen, um zu vereinbaren, wie die Trennung gestaltet wird? - Nicht um den heißen Brei reden
Oft wollen Führungskräfte das Kündigungsgespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Die Folge: Sie stoßen den Mitarbeiter vor den Kopf, indem sie ihm unvermittelt die Nachricht "Sie sind entlassen" entgegenschleudern. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehme Botschaft auszusprechen und reden um den heißen Brei herum. Beides ist unangebracht. - Emotionen akzeptieren
Auf diese Nachricht reagieren Mitarbeiter unterschiedlich - manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Lassen Sie zu, dass Ihr Mitarbeiter Emotionen zeigt. Äußern Sie hierfür Verständnis. Und geben Sie ihm ausreichend Zeit, die Fassung wiederzugewinnen. Gelingt ihm dies nicht, sollten Sie das Regeln der Trennungsmodalitäten vertagen - zum Beispiel, indem Sie vorschlagen: "Herr/Frau Müller, sicher müssen Sie den Schock erst verdauen. Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen nochmals zusammensetzen und darüber reden ..." - "Sie haben doch gesagt, ..."
Ein Vorwurf, mit dem Führungskräfte bei Kündigungen oft konfrontiert werden, ist: "Aber vor einem Monat planten Sie mit mir doch noch ..." Oder: "Bei der Weihnachtsfeier sagten Sie, unsere Arbeitsplätze seien sicher." Dann sollten Sie zu Ihren Worten und Taten stehen. Bedauern Sie Ihren Irrtum. Sagen Sie, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt die Situation anders einschätzten, diese sich aber in der Zwischenzeit aufgrund der Faktoren A, B, C geändert hat. - "Warum gerade ich?"
Dessen ungeachtet werden die zu kündigenden Mitarbeiter stets fragen: Warum gerade ich? Geben Sie dem Mitarbeiter eine inhaltlich verständliche Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich aber auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, diskutiert die Kündigung selbst. - Kündigung begründen, ohne zu kränken
Entlässt ein Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern betriebsbedingt eine größere Zahl von Mitarbeitern, dann muss deren Auswahl meist gemäß den gesetzlichen Vorgaben anhand von Kriterien wie Alter, Familienstand und Dauer der Betriebszugehörigkeit erfolgen. Auch dann ist das Begründen vergleichsweise einfach, denn die Auswahl basiert auf objektiven Kriterien. Deshalb kann der Mitarbeiter eine solche Auswahl leichter akzeptieren als eine personenbezogene. - Die Zeit bis zum Ausscheiden regeln
Ist die Kündigung ausgesprochen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehmen zu regeln. Hierfür können Sie einen separaten Termin vereinbaren. Im Trennungsgespräch selbst sollten Sie Ihrem Mitarbeiter einen Weg aufzeigen, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann. Außerdem sollten Sie ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten. - Den Blick wieder in Richtung Zukunft wenden
Oft ist eine bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin für beide Parteien die sinnvollste Lösung. Für die Gekündigten hat dies den Vorteil: Sie können sich voll auf das Entwickeln einer neuen Perspektive konzentrieren.
Oft werden die Mitarbeiter nicht sofort vor die Tür gesetzt, sondern arbeiten wegen der Kündigungsfrist noch drei bis sechs Monate mit. Ein vergiftetes Klima ist für eine konstruktive Zusammenarbeit schlecht. Beide Seiten könnten zusammen eine Art Fahrplan erstellen, schlägt Burger vor: An welchen Meetings nimmt der Gekündigte noch teil, weil er unverzichtbar ist, bei welchen wäre es nur peinlich? "Dieser Plan sollte gemeinsam entworfen werden", sagt der Coach. Auch Übergabeprotokolle und Ähnliches können in Ruhe besprochen werden. Das wichtigste ist aber: Der Chef muss mit dem Mitarbeiter darüber sprechen. Schweigen hilft nicht.
Und tschüs!
In einigen Fällen muss der Mitarbeiter mit Topfpflanze und Lieblingstasse in der Hand noch am selben Tag das Büro verlassen. Das sei gar nicht so selten, meint Burger. "Wenn Leute nicht mit der Schwierigkeit umgehen können, mit jemandem zu arbeiten, der entlassen ist, arbeiten sie lieber im Chaos vor Ort. Da gibt es dann keine Übergabe und die Professionalität der Organisation ist auch weg", erzählt er. "Das gibt es wirklich: Nach dem Gespräch hat man noch eine Stunde Zeit, seine Sachen zu packen - und das war’s." So sitzen dann gekündigte Mitarbeiter bei vollen Bezügen einige Monate zuhause, während die ehemaligen Kollegen im Büro im Chaos versinken. Auch darüber sollten sich Unternehmen im Vorfeld Gedanken machen, ob sie eine derartige Situation in Kauf nehmen wollen und können.
Wir sehen uns!
Idealerweise trennen sich Mitarbeiter und Unternehmen im Guten. Nicht nur - aber auch! - aus menschlichen Gründen: Oft erfolge die Trennung aufgrund einer schlechten wirtschaftlichen Lage, erzählt Burger. "Bekommt die Firma dann später einen Großauftrag und sucht wieder Mitarbeiter, ist eigentlich derjenige, den man gerade gekündigt hat, der optimale neue Kollege", erklärt er. Schließlich ist er eingearbeitet, kennt die Firma und die Strukturen.
Hat ein Chef bei der Kündigung viel Porzellan zerschlagen, wird es sich der Gekündigte jedoch gut überlegen, ob er noch einmal in dem Betrieb anfangen möchte. "Man sollte immer davon ausgehen, dass man nochmal zusammenarbeiten möchte", rät Burger. Denn im Berufsleben gilt: Man sieht sich immer zweimal.