Plattform-Power in 8 Schritten
Von der Kundenschnittstelle zur eigenen Plattform
"Everything-as-a-Platform" gehört wohl zu einem der am häufigsten gehörten Paradigmen der digitalen Welt. Einigen der größten Unternehmen wie Amazon, oder auch neueren Playern am Markt wie Shopify, liegt das Plattform-Geschäftsmodell zu Grunde. Doch was bedeutet dies? Im Kern heißt es, dass Digitalisierung auch im B2B-Geschäft Einzug hält und immer mehr Kunden vieler Unternehmen, aber auch die Unternehmen selbst, den Weg über digitale Plattformen suchen, um sich auszutauschen.
In der Orchestrierung ist nicht immer nur der Preis ausschlaggebend. Oft geht es um die nahtlose Integration von Produkten und Services von Unternehmen in die Erfahrungswelt (oder neudeutsch: das Ökosystem) der Kunden oder auch Prozesse von Unternehmen. Aus dem privaten Umfeld ist dies alles schon bekannt: Produkte werden von Amazon oder Otto online gekauft und die Musik kommt als Stream von Spotify oder Apple.
Krise als Chance
Viele Verantwortliche sitzen wie das Kaninchen vor der Schlange, in der Hoffnung, dass Alles schon so weitergehen wird wie bisher und das eigene Unternehmen von einer Disruption durch Wettbewerber verschont bleiben wird. Die Führungskräfte überlassen so das gestalterische Feld oft Dritten oder Konkurrenten. Die, die sich aus der Not heraus kurzfristig aufraffen, suchen dann oft ihr Heil in Standardsystemen ohne zu ahnen, dass diese möglicherweise nicht dem eigenen USP-Anspruch gerecht werden können.
Das es auch anders geht, zeigt der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen. "Mitten in der Pandemie haben wir mit der easyGeno-Prüfungsplattform unsere eigene, maßgeschneiderte Lösung zur digitalen Interaktion mit unseren Mandanten entwickelt und erfolgreich produktiv gesetzt. Und das in Rekordgeschwindigkeit von nur wenigen Monaten!" sagt das Vorstandsmitglied Peter Götz. Im Rahmen der Wirtschaftsprüfung von Genossenschaften wurde mit Hilfe einer individuellen Plattform die Interaktion mit Mandanten digitalisiert – dies unter Berücksichtigung höchster Anforderungen an die Sicherheit, der mit diesem Geschäftszweig verbundenen sensiblen Daten. Der vormalige Austausch vieler Papierdokumente kann nun digital erfolgen, was nicht nur zu einer Zeitersparnis führt, sondern gerade in Pandemie-Zeiten sowohl das kontaktlose als auch das dezentrale Arbeiten unterstützt hat.
Damit wurde beim Genossenschaftsverband unter dem Motto "Krise als Chance" die Zeit genutzt, um ein Alleinstellungsmerkmal zu generieren. Die Plattform bietet zukünftig auch die Möglichkeit, nach innen weiter zu automatisieren (denn die Informationen liegen bereits digital vor) und nach außen sukzessive das Servicespektrum zu erweitern.
Standardsysteme sind keine Lösung
Bei vielen Unternehmen sind heute schon unternehmensintern etablierte Systeme für isolierte Aufgabenfelder vorhanden. Prominente Beispiele sind CRM- und ERP-Systeme, die auch wunderbar in ihren angestammten Hoheitsfeldern und Kernfunktionen funktionieren. Sie sind aber oft nicht auf die Interaktion mit Kunden oder Geschäftspartnern ausgerichtet. Gerade aber die Interaktion und Usability muss vom Anwender und Nutzer aus Gedacht werden. Es reicht keineswegs aus, einfach nur Daten aus internen Systemen zu importieren und zu exportieren bzw. sich mit diesen an die Systeme des Kunden anzudocken.
Der Einsatz von Standardsystemen ist in etwa vergleichbar mit einer Visitenkarte. Ein Unternehmen kann selbstverständlich einen Standard aus dem Katalog wählen - wohlwissentlich, dass viele andere Unternehmen denselben Standard nutzen. Auf Grund der dann fehlenden Differenzierung sind dann aber auch keine Wunder hinsichtlich der Wirkung zu erwarten. Überträgen wir das Beispiel auf die digitale Kundenschnittstelle - das digitale Gesicht des Unternehmens - wird klar warum der "One Size Fits All"-Ansatz hier wenig erfolgversprechend ist: Fehlen die kundengerichteten Alleinstellungsmerkmale gegenüber dem Wettbewerb, kommen auch keine neuen Kunden auf die Plattform- warum auch.
8 Schritte zur digitalen Plattform
Bezüglich der Umsetzung der eigenen Plattform ist eines vorweg zu sagen: Geschwindigkeit ist alles. Um Geschwindigkeit auf die Straße zu bringen, bedarf es - vergleichbar mit einem Formel 1 Team - interdisziplinärer Zusammenarbeit und der Mitwirkung von Experten aus unterschiedlichen Disziplinen. Nicht umsonst setzt sich auch die Autorenschaft dieses Artikels aus Management-orientierten Fachexperten, Experten der Software-Entwicklung und solchen des IT-Betriebs zusammen.
Nur mit einem zielgerichteten "Experten-Mix" lässt sich sozusagen von 0 auf 100 innerhalb von wenigen Monaten eine individuelle, digitale Plattform entwickeln und in den operativen Betrieb überführen, ohne in einem jahrelangen, komplexen IT-Projekt zu landen.
Der Weg zur eigenen Plattform folgt dabei typischerweise 8 Schritten:
Digitalerlebnis aus Kundensicht finden und schaffen
Nutzenbetrachtung zur Ermittlung des idealen Standpunkts anstellen
Das passende Team zusammenstellen
Vorgehen an Ergebnistypen ausrichten und beschleunigen
IT- und DatenschutzDatenschutz von Anfang an mitdenken Alles zu Datenschutz auf CIO.de
Bei der Wahl des Betriebsmodells auch Cloud-Möglichkeiten in Erwägung ziehen
Meinung von Anwendern und Nutzern für Weiterentwicklung nutzen
Plattform kontinuierlich um nutzenstiftende Funktionen ausbauen und skalieren
Der Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf der Entwicklung und Realisierung der Plattform. Im Vorfeld muss jedoch zunächst das differenzierungsrelevante "Digital Erlebnis" aus Kundensicht beschrieben werden. Dies inkludiert selbstverständlich eine Betrachtung des erwarteten Nutzens. Nicht immer lässt sich dieser unmittelbar monetär bestimmen. Denn wie lässt sich schon der virale Netzwerkeffekt einer "Aktion" im Vorfeld verlässlich prognostizieren und dieser obendrein dann noch monetär bewerten?
- 1. Prozesse neu denken
Alle Prozesse, die für den Kunden relevant sind, sollten von außen nach innen gedacht werden, also das optimale Kundenerlebnis zum Ausgangspunkt nehmen. Das erfordert ein Umdenken, das zum einen den Kunden in seiner Onlinewelt schon bei der Produkt- und Servicegestaltung in den Mittelpunkt stellt und sich zum anderen auf Datendurchgängigkeit und einheitliche CRM-Systeme fokussiert. - 2. Einheitlichkeit schaffen
Im Rahmen des Umdenkens gilt es auch, die Kundenkontaktpunkte zu vereinheitlichen - und zwar alle, online wie offline, über Texte, Grafiken, Tonalität, Kontaktpersonen und Services hinweg. Diese Einheitlichkeit sollte jeden Prozessschritt für den Kunden einfach und verständlich machen. Dazu gehört auch, eine durchgehend persönliche Ansprache mit einem Berater als Absender oder zumindest einer gleichbleibenden Servicestelle. - 3. Kontinuierlich optimieren
Wer den Kunden besser verstehen will, muss die bestehenden Prozess aus seiner Perspektive analysieren. Dazu gehören sowohl Stärken als auch Schwächen. Anschließend sind messbare Verbesserungen zu definieren, die dann kontinuierlich korrigiert werden sollten. Eine große Rolle spielt hier die Einbindung der relevanten Abteilungen, zum Beispiel Produktmanagement, Call Center, Sales und Marketing. - 4. einen Verantwortlichen bestimmen
Um alle an einen Tisch zu bringen, braucht es eine zentrale Verantwortlichkeit für den Kundenprozess. So kann an einer zentralen Stelle auch objektiv gemessen werden, wie und wodurch der Kundenprozess verbessert wurde. Dieser Person obliegt die Planung und Durchführung der Maßnahmen zum Online-Erlebnis als ein Aktionsstrang der gesamten Digitalisierungs-Roadmap. - 5. Durchgängigkeit gewährleisten
Prozessbrüche und Prozesswechsel sind zu vermeiden. Zum Beispiel der Bruch zwischen Online-Formular und anschließendem Filialbesuch. Es lohnt sich, aus Kundensicht zu prüfen, ob tatsächlich die Notwendigkeit traditioneller Kommunikationskanäle wie Briefsendungen besteht. Hier hilft die Frage: Wie können interne Hindernisse zugunsten einer durchgängigen Online-Customer-Experience verringert oder beseitigt werden?
Die Kernelemente zur Realisierung bestehen dann in der Zusammenstellung des passenden Teams nebst Orchestrierung und Sourcing von inhaltlicher Expertise, Spezialisten der Software-Entwicklung mit UX/UI-Experten sowie den Experten für den Aufbau und Betrieb der Plattform-Infrastrukturen im Spektrum On Premises bis Cloud.
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Auf Basis einer agilen Vorgehensweise lassen sich dann schnell und iterativ sichtbare Arbeitsergebnisse (MVPs) entwickeln. Von Anfang an in die Überlegung mit aufgenommen werden sollten unbedingt Cyber-Security- und Datenschutzanfoderungen in Abstimmung mit den entsprechenden Verantwortungsträgern. Diese Themen sind oft tief in der Logik verankert und lassen sich oft später nur mit hohem Restrukturierungsaufwand in der Architektur nachbessern. Dies gilt in gleichem Maße für das Betriebsmodell, welches oft in Form von Softwaredefined Data Centers bzw. hyperkonvergenten Infrastrukturen umgesetzt wird.
Im Ergebnis entsteht eine Microservice-basierte Anwendungsarchitektur, die auf modernster Infrastruktur betrieben wird. Mit Blick nach vorne, ist ein Unternehmen auf Basis eines solchen Betriebsmodells dann auch für mögliche Skalierungsvorhaben gut gerüstet: mehr Funktionen, mehr Nutzer, mehr Produkte, mehr Zielmärkte – hin zu einem Ökosystem. Der Weg hierhin sollte jedoch unbedingt an der Nutzermeinung und dessen Wünschen ausgerichtet werden, um nicht in eine Sackgasse zu laufen.
Im Alleingang schon verloren
Wer jetzt meint, im Alleingang erfolgreich zu sein, hat schon verloren. Der Erfolg liegt darin, die Prinzipien des Netzwerks schon bei der Entwicklung anzulegen. Die wenigsten Unternehmen verfügen über die Kombination an Experten in ausreichender Zahl, um hier von der grünen Wiese ein "Formel-1"-Team zusammenzustellen. Und für die meisten lohnt es auch nicht, entsprechende Teams durch Festeinstellung dauerhaft aufzubauen – denn nicht jedes Unternehmen ist wie die ING Diba oder Spotify. Deshalb gibt es mittlerweile sogenannte Beratungs-Ökosysteme, welche in einer Kombination von mehreren Anbietern, die passenden Experten an den Start bringen. Wann starten Sie mit Ihrer Plattform durch?