FAQ

Vorratsdatenspeicherung, die Zweite - die Neuregelung und ihre Tücken

27.05.2015
Das erste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung scheiterte krachend.

Nun hat die Bundesregierung Anlauf Nummer zwei gestartet. Einige Details haben es in sich. Was kommt auf die Bürger zu? Was bringt das Ganze Ermittlern? Und welche Chancen hat die neue Regelung vor Gericht?

Die Vorratsdatenspeicherung heißt nicht mehr Vorratsdatenspeicherung - zumindest wenn es nach der Bundesregierung geht. Die massenhafte und anlasslose Aufbewahrung von Telekommunikationsdaten auf Vorrat ist derart in Verruf geraten, dass die Regierung selbst nun lieber von "Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten" spricht. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) erklärt, die Neuregelung habe mit der alten Vorratsdatenspeicherung kaum noch etwas zu tun. Kritiker sehen das anders. Linke, Grüne, FDP, Piraten, Netzaktivisten und Datenschützer laufen Sturm gegen die Wiedereinführung des Ermittlungsinstruments. Maas und der Regierung stehen noch einige Auseinandersetzungen bevor.

Was kommt auf die Internet- und Telefonnutzer zu?

Zehn Wochen lang soll gespeichert werden, wer wann mit wem wie lange telefoniert, simst, und wie sich jemand im Internet bewegt ("Metadaten"). Vier Wochen sollen die Standortdaten von Handy-Gesprächen aufbewahrt werden. Daten zum E-Mail-Verkehr werden nicht erfasst, Kommunikationsinhalte ohnehin nicht. Die Sicherheitsbehörden bekommen nur in bestimmten Fällen Zugriff auf die Daten. Doch die Erfassung trifft nicht nur verdächtige Schwerverbrecher, sondern sämtliche - auch völlig unbescholtene - Bürger. Das sorgt für heftige Proteste.

Gibt es Schlupflöcher, um der Datenspeicherung zu entgehen?

Ja, wer will, hat etliche Möglichkeiten, beim mobilen Telefonieren oder im Internet seine Spuren zu verwischen - etwa mit freigeschalteten Prepaid-Handys, die keiner bestimmten Person mehr zuzuordnen sind, oder mit Krypto-Telefonen, die Kommunikation sicher verschlüsseln und auch die Verbindungsdaten verschleiern. Im Internet lassen sich Verbindungsdaten unter anderem durch das Anonymisierungsnetzwerk TOR verbergen.

Was bringt dieses Instrument dann überhaupt bei den Ermittlungen?

Kritiker zweifeln wegen der Umgehungsmöglichkeiten am Nutzen der Vorratsdatenspeicherung zur Verbrecherjagd. Niemand habe bislang die Notwendigkeit dieses Instruments belegen können, argumentieren sie. In Frankreich etwa, wo es die Vorratsdatenspeicherung bereits gibt, schützte diese nicht vor den Terroranschlägen von Paris. Und deutsche Ermittler selbst halten die Speicherfristen für zu kurz.

Können Berufsgeheimnisträger wirksam geschützt werden?

Die Daten von Seelsorgern, Rechtsanwälten, Ärzten, Apothekern, Abgeordneten oder Journalisten sollen tabu sein. Die Anrufe bei Seelsorge-Hotlines werden grundsätzlich nicht erfasst. In allen anderen Fällen werden die Daten von Berufsgeheimnisträgern zwar mitgespeichert, sie dürfen nur nicht verwertet werden.

Wo liegt dann der Schutz für diese Berufsgruppen?

Genau das bemängeln Kritiker. Das Problem: Die Daten dieser Menschen lassen sich nicht vorab herausfiltern. Erst beim Zugriff auf die Daten zeigt sich, ob jemand Klempner, Tatverdächtiger oder doch Anwalt ist. Noch schwieriger ist der Rückschluss auf den Nutzer, wenn jemand zum Beispiel über ein öffentliches WLANWLAN im Internet surft. Alles zu WLAN auf CIO.de

Was kommt auf die Telekommunikationsunternehmen zu?

Sie müssen eine bestimmte Infrastruktur zur Datenspeicherung aufbauen und dabei vorgeschriebene Sicherheitsvorkehrungen einhalten. Laut Justizressort sind etwa 1000 Firmen betroffen. Branchenverbände rechnen mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe. "Wenn wir das technisch sicher realisieren wollen, wird das unfassbar teuer", heißt es beim Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco).

Welche Chancen hat die neue Regelung vor Gericht?

Von verschiedenen Seiten kam bereits die Ankündigung einer Klage: Unter anderem die FDP will gegen das Vorhaben vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Die Karlsruher Richter hatten das erste Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung 2010 kassiert. Sie erklärten die Datensammlung zwar nicht grundsätzlich für unzulässig, werteten sie aber als schweren Eingriff in die Grundrechte und erklärten die Vorgaben in ihrer damaligen Form für unverhältnismäßig. 2014 kippte auch das oberste europäische Gericht die EU-weiten Vorgaben.

Die Neuregelung soll dem Rechnung tragen: mit weniger Daten, die gesammelt werden, kürzeren Speicherfristen, höheren Hürden für den Zugriff und strengeren Vorgaben für die Sicherung der Daten. Einige Experten halten es daher für denkbar, dass das neue Konzept der Prüfung vor Gericht standhalten könnte. Auch Maas gibt sich zuversichtlich. Es gibt aber auch Gegenstimmen. Die Prognose ist schwierig. Sicher ist nur, dass das Gesetz vor Gericht landen wird. (dpa/tc)

Zur Startseite