Strategien


McKinsey über Irrtümer

Wann Digitalisierung in der Praxis scheitert

Christiane Pütter ist Journalistin aus München.
Statt ängstlich Digital Natives zu beobachten, sollten Unternehmen lieber ein Auge auf alteingesessene Wettbewerber haben. Eines von fünf Missverständnissen über Digitalisierung, wie McKinsey sagt.
  • Alibaba, Alphabet (Google), Amazon, Apple, Facebook, Microsoft und Tencent zählen zu den Unternehmen mit dem größten Börsenwert – und alle begreifen sich als Teil eines Eco-Systems
  • Anbieter auf dem B2B-Markt digitalisieren ihre Unternehmen und ihre Angebote häufiger als die auf dem Konsumentenmarkt (B2C)
McKinsey skizziert ein neues Verständnis von Change. Dazu gehört etwa ein Leben in "zwei Welten" innerhalb des Unternehmens: eine für Innovatives und eine für das bestehende Business.
McKinsey skizziert ein neues Verständnis von Change. Dazu gehört etwa ein Leben in "zwei Welten" innerhalb des Unternehmens: eine für Innovatives und eine für das bestehende Business.
Foto: McKinsey

Die Analysten von McKinsey skizzieren in dem Papier "Why digital strategies fail" ihre Beobachtungen über Digitalisierungsbemühungen unterschiedlichster Firmen. Ihnen sind fünf Missverständnisse aufgefallen:

1. Das erste Missverständnis: Die falsche Definition

Trotz der häufigen Verwendung des Begriffs DigitalisierungDigitalisierung erfassen viele Entscheider nur Teile des Wandlungsprozesses. Die Analysten verstehen Digitalisierung als die Möglichkeit, Menschen, Gegenstände und Devices nahezu sofort und nahtlos miteinander zu verbinden. Im Jahr 2025 werden schätzungsweise 20 Milliarden Devices verbunden sein, dreimal mehr, als es Menschen gibt. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

In der Praxis definieren viele Unternehmen Digitalisierung als ein Upgrade ihrer jetzigen IT oder als Digital Marketing und Sales. Sie unterschätzen den tiefgreifenden Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft, mahnt McKinsey.

2. Das zweite Missverständnis: Alte Prinzipien des Wirtschaftens

Laut McKinsey halten manche Entscheider an dem fest, was sie einst an der Uni über Ertrag und Kapitalaufwand gelernt haben. Beispiel Touristikbranche: Wer Reisen verkaufen wollte, brauchte Reisebüros samt ausgebildeten Mitarbeitern, die den Endverbraucher bedienten. Heute stellt das Internet weitgehende Transparenz über Angebot und Preise her. Die Kunden buchen selbst.

Ein weiterer Punkt: Digitalisierung funktioniert oft nach dem Motto "The winner takes it all". Beispiele dafür sind das iPhone und Amazon. Zwar tummelten sich zunächst eine ganze Reihe Anbieter auf dem Markt für ein neues Produkt oder einen neuen Service, doch zwischen 70 und 97 Prozent davon verschwänden wieder.

Eine abwartende Haltung ist in der digitalen Wirtschaft kaum möglich, so McKinsey. Man müsse der Erste sein - oder wenigstens sehr schnell folgen.

3. Das dritte Missverständnis 3: Die Rolle der Eco-Systeme

"Frenemy" ist ein Kunstbegriff aus "Friend" (Freund) und "Enemy" (Feind). Die Analysten umreißen damit das Phänomen der Eco-Systeme, also des Zusammenschlusses von Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Alle Player innerhalb dieses Eco-Systems müssen sich vernetzen und austauschen, um den Endkunden so schnell wie möglich zu bedienen. Damit profitieren alle von der Aggregation millionenfacher Kunden.

Sieben der zwölf Konzerne mit dem höchsten Börsenwert sind Teile eines Eco-Systems: Alibaba, Alphabet (GoogleGoogle), Amazon, AppleApple, FacebookFacebook, MicrosoftMicrosoft und Tencent. Statt sich das bewusst zu machen, beobachten zu viele Entscheider immer noch argwöhnisch, was der klassische Wettbewerber tut, so McKinsey. Alles zu Apple auf CIO.de Alles zu Facebook auf CIO.de Alles zu Google auf CIO.de Alles zu Microsoft auf CIO.de

4. Das vierte Missverständnis: B2B wird unterschätzt

Die Analysten raten nicht davon ab, die sogenannten "Digital Natives" - jüngere und junge Generationen, die schon mit mobiler IT aufgewachsen sind - zu beobachten. Doch in der Praxis neigten Entscheider dazu, sich auf B2C (Business to Consumer) zu fixieren und den B2B-Markt (Business to Business) zu übersehen. Faktisch aber digitalisieren Anbieter auf dem B2B-Markt ihre Unternehmen und ihre Angebote häufiger als die auf dem Konsumentenmarkt, jedenfalls nach Beobachtung von McKinsey.

Akteure auf dem B2B-Markt sind aber meist keine Digital Natives, sondern alteingesessene Wettbewerber, die schneller auf den Change reagieren. Stichworte sind hier Nutzung von Systemen Künstlicher Intelligenz (KI oder AI für Artificial Intelligence) und die BlockchainBlockchain. Alles zu Blockchain auf CIO.de

5. Das fünfte Missverständnis: Das Business der zwei Geschwindigkeiten

McKinsey beobachtet bei vielen Entscheidern eine Haltung nach dem Motto: "Sobald ich disrupted werde, muss ich etwas ganz Neues machen." Dem setzen die Analysten entgegen, dass Disruption nicht gleichmäßig verläuft. Konkret: ganz ähnlich zum Bild von der bimodalen IT mit einem Bereich, der die Systeme am Laufen hält, und einem für Innovationen, muss jedes Business zweigleisig fahren. Das funktioniert nur, wenn wenigstens Teile des Unternehmens agil arbeiten.

Fazit: Wer, wann und was

McKinsey legt dem idealen Unternehmenslenker ein Statement in den Mund. Es lautet: "Ich brauche eine Strategie, die mich zur Nummer Eins macht, und das erreiche ich, indem ich den Endkunden großen Mehrwert biete, meine Rolle im Eco-System neu definiere und ganz neue Angebote kreiere, während ich mein bisheriges Geschäft stetig verbessere." Stattdessen, berichten die Analysten, hörten sie oft Sätze wie: "Wir wollen unser Business in die Cloud bringen" oder "Wir wollen mit dem Internet of Things (IoT) arbeiten". Das sei zu wenig.

Wer sich effizient digitalisieren will, kreist um drei Faktoren: Wer, wann und was.

  • "Wer" bezeichnet die Beteiligten. Das muss das gesamte Management sein, nicht nur ein Head of Strategy.

  • Mit "Wann" meinen die Analysten, dass jährliche Überprüfungen der Geschäftsstrategie bei Weitem nicht ausreichen. Sie sollten vierteljährlich stattfinden, gegebenenfalls auch "außer der Reihe".

  • Das "Was" jeder Strategie bezieht sich auf das Durchspielen möglicher Szenarien. McKinsey spricht hier von "War Games".

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