Was ist Arbeitnehmerüberlassung?
Der Anteil der Externen in IT-Abteilungen beträgt 53 Prozent. Seit Jahren ist die Quote von Leiharbeitnehmern in den IT-Abteilungen bei circa 15 Prozent. Somit sind circa 30 Prozent der externen Mitarbeitenden über das Vertragskonstrukt Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) in den CIO-Bereichen tätig (Zahlen aus IDG Studien 2018 bis 2021). IT-Verantwortliche sollten somit die Grundlagen, aber auch die Vor- und Nachteile, dieser Form der Beauftragung verstehen. Wichtig zu beachten ist dabei: Die Vorschriften gelten grundsätzlich! Es ist also nicht von Relevanz, ob sich der Anbieter explizit etwa Personaldienstleister oder Zeitarbeitsunternehmen nennt oder als IT-Dienstleister am Markt auftritt.
Arbeitnehmerüberlassung - Definition
Die Arbeitnehmerüberlassung (AÜ) ist durch ein Dreiecksverhältnis zwischen Zeitarbeitnehmer, Dienstleister (Verleiher) und dessen Kunden (Entleiher) gekennzeichnet. Der Zeitarbeitnehmer hat eine Festanstellung beim Dienstleister. Durch die Festanstellung ergeben sich die normalen Rechte eines Arbeitnehmers wie Sozialversicherungen, bezahlter Urlaub, Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall und Kündigungsschutz.
Während des Einsatzes geht das fachliche Weisungsrecht auf den Kunden über, der den Zeitarbeitnehmer in seinem Betrieb integriert. Das disziplinarische Weisungsrecht verbleibt beim Personaldienstleister. Die Integration in den Betrieb sowie die Weisungsgebundenheit sind auch aus Sicht der Compliance die wesentlichen Unterschiede zu anderen externen Mitarbeitern. Leiharbeitnehmer dürfen durch CIOs und deren Führungskräfte eingegliedert und angewiesen werden! Selbstverständlich erleichtert dies die tägliche Arbeit.
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - Grundzüge
Basis ist das sehr ausführlich formulierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), welches um fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit ergänzt wird. Beides ist unbedingt zu beachten, da sonst für Dienstleister wie auch Kunden empfindliche Strafen drohen. Aufgrund des Umfangs des Artikels kann hier nur auf deren Grundzüge eingegangen werden:
Nach Paragraph 1 Absatz 3 AÜG finden die Vorschriften beispielsweise keine Anwendung bei Arbeitgebern desselben Wirtschaftszweiges zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen, wenn ein für den Entleiher und Verleiher geltender Tarifvertrag dies vorsieht, zwischen Konzernunternehmen oder bei nur gelegentlicher Überlassung.
Nach Paragraph 1 Absatz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz benötigen Anbieter eine Erlaubnis: "Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen (Arbeitnehmerüberlassung) wollen, bedürfen der Erlaubnis." Diese muss bei der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden. Auch wichtig: Der Zeitarbeitnehmer darf nur von seinem direkten Arbeitgeber überlassen werden (Verbot des Kettenverleihs). Er darf den Zeitarbeitnehmer nicht wiederum an ein anderes Unternehmen verleihen.
Die Höchstüberlassungsdauer ist in Paragraph 1 Absatz 1 geregelt: "Der Verleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen." Es erfolgt hierbei auch keine anteilige Berechnung bei parttime-Einsätzen. In einem Tarifvertrag (Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche) kann eine abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Diese Möglichkeiten sind erheblich von Personal-/Betriebsrat und Tarifbindung des Kunden abhängig. Nach drei Monaten Unterbrechung beginnt diese 18-monatige Frist aber grundsätzlich wieder neu zu laufen. Wichtig zu verstehen ist, dass der Kunde den Arbeitsplatz hintereinander mit mehreren verschiedenen Zeitarbeitnehmern besetzen darf.
Die Offenlegungs- und Kennzeichnungspflicht soll verdeckte Arbeitnehmerüberlassung verhindern, und der Vertrag ist ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen. Der Vertrag muss schriftlich geschlossen (Paragraph 12) und wechselseitig unterschrieben werden. Der Dienstleister muss den Zeitarbeitnehmer darüber aufklären, dass dieser als Zeitarbeitnehmer beim Kunden tätig sein wird.
Die Konkretisierungspflicht besagt, dass der Name des Zeitarbeitnehmers mit dieser spezifischen kundenindividuellen Arbeitnehmerüberlassung in Verbindung gebracht werden soll.
Die Vorschriften sind sehr genau und verwaltungsintensiv. Verstöße gegen Offenlegungs- und Konkretisierungspflichten (also auch in Zusammenhang mit Dienst- oder Werkverträgen zu beachten), welche sich in der Umsetzung als Arbeitsverhältnis darstellen, bezeichnet man als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Wenn der Dienstleister keine Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung besitzt, so spricht man von illegaler Arbeitnehmerüberlassung. Beides gilt es nicht nur aufgrund Bußgelder zu vermeiden, sondern auch weil das Arbeitsverhältnis dann auf den Kunden übergeht. Der Mitarbeiter wäre dann Stamm-Mitarbeiter im Bereich des CIO – und dies rückwirkend mit allen Rechten.
Leiharbeit - Gehalt
Sehr komplex ist in der praktischen Umsetzung auch der Gleichstellungsgrundsatz im Sinne von Equal Pay beziehungsweise Equal Treatment. Dies besagt, dass ab dem ersten Tag des Kundeneinsatzes die gleichen Arbeitsbedingungen wie beispielsweise Überstunden, Sachbezüge, Nachtarbeit, Pausen et cetera gelten und das gleiche Entgelt eines vergleichbaren Stammarbeiters des Kunden zu gewährleisten ist. In der Praxis kommen jedoch in vielen Fällen Ausnahmen zum Tragen. Equal Pay beginnt somit unter spezifischen Voraussetzungen erst zu einem späteren Zeitpunkt.
Für die ersten neun Monate darf ein Tarifvertrag abweichen, Equal Pay startet dann erst ab dem zehnten Monat. Eine weitere Ausnahme besteht bei Tarifverträgen mit Branchentarifzuschlägen. Hier beginnt Equal Pay erst nach 15 Monaten. Liegen Branchentarifzuschläge vor, so haben Tarifpartner eine Regelung vereinbart, durch die Leiharbeitnehmer Zuschläge auf die Tariflöhne erhalten, wenn sie für einen gewissen Mindestzeitraum ununterbrochen beim selben Kundenunternehmen im Einsatz sind.
Der Branchenzuschlag ist ein prozentualer Zuschlag auf den grundsätzlich vereinbarten Stundenlohn. Er erfolgt in Stufen abhängig vom Einsatzzeitraum und der Entgeltgruppe. Die stufenweise Annäherung muss spätestens nach sechs Wochen Einarbeitungszeit erfolgen. In der Praxis beginnt Equal Pay häufig erst nach neun Monaten, allerdings bei Anwendung der Branchentarifzuschläge spätestens nach 15 Monaten. Grundlage für die Eingruppierung der Leiharbeitnehmer sind Entgeltgruppen. Das Entgelt ist die Basis der Entlohnung für Nichteinsatzzeiten. Während des Einsatzes gibt es meist in fünf Stufen gestaffelte Zuschläge bis Equal Pay nach spätestens 15 Monaten erreicht wird.
Grundlage für die Eingruppierung ist die notwendige Qualifikation für die im Kundeneinsatz ausgeübte Tätigkeit. Es steht also die tatsächliche überwiegende Tätigkeit im Vordergrund, nicht die Ausbildung des Leiharbeitnehmers. Maßgebend sind die jeweiligen Tätigkeitsbeschreibungen. Es gibt zehn Stufen, welche für 2022 einen stündlichen Basislohn für den Leiharbeitnehmer zwischen 10,88 und 23,72 Euro vorsehen. Hinzu kommen wie beschrieben Zulagen. Weitere Kosten entstehen dem Dienstleister auch beispielsweise durch Urlaub, Sozialversicherungsabgaben oder der Pflicht, den Zeitarbeitnehmer fortzubilden.
Wichtig zu beachten: Setzen Sie Zeitarbeitnehmer nicht als Streikbrecher ein. Zeitarbeitnehmer dürfen keine Tätigkeiten übernehmen, die bisher von Arbeitnehmern erledigt wurden, welche sich im Arbeitskampf befinden. Es droht ihrem Unternehmen Ordnungsgelder von bis zu 500.000 Euro.
Arbeitnehmerüberlassungen - Kinderbetreuung
Leiharbeitnehmer haben zahlreiche Rechte, Teile sind in Paragraph 13 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt. Sie müssen einen Leiharbeitnehmer über freie Arbeitsplätze in ihrem Unternehmen, also über den Betrieb hinaus, informieren. Sollten keine sachlich gerechtfertigten Gründe dagegen sprechen, so sind Leiharbeitnehmern Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen wie Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel zu gewähren.
Leiharbeitnehmer werden bezüglich einiger Kollektivrechte wie interne Mitarbeiter behandelt und es gelten Bestimmungen bezüglich des Betriebsrats (Paragraph 14 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oft in Verbindung mit dem Betriebsverfassungsgesetz). Betriebliche Angelegenheiten, welche die Person des Leiharbeitsnehmers betreffen, müssen angehört und die Gelegenheit zur Stellungnahme und ein Vorschlagsrecht gegeben werden.
Leiharbeit - Betriebsrat
Der Leiharbeitnehmer kann Auskunft über geltende Arbeitsentgelte und wesentliche Arbeitsbedingungen verlangen. Leiharbeitnehmer haben grundsätzlich das Recht, die Sprechstunde des Betriebsrats zu besuchen und an Betriebsversammlungen teilzunehmen. Nach einer Einsatzdauer von sechs Monaten zählen Leiharbeitnehmer bei der maßgeblichen Unternehmens-, Betriebsrats- und Betriebsgröße für Freistellungen mit.
Aus Sicht des Betriebsrates sind Leiharbeitnehmer auch Teil der Personalplanung im Sinne des gegenwärtigen sowie künftigen Bedarfs an Personal. Ebenso wie die Einstellung eines Leiharbeitnehmers ist auch deren Ersatz durch andere Leiharbeitnehmer zustimmungspflichtig. Ihr Betriebsrat hat die Aufgabe der Überwachung der gesetzlichen Rechte der Leiharbeitnehmer. Die Tarifbindung in der Arbeitnehmerüberlassung liegt übrigens bei fast 100 Prozent.
Arbeitnehmerüberlassung - Vor- und Nachteile
Es wird sehr deutlich: Beim Einsatz von Zeitarbeiternehmern ist vieles zu beachten! Dies bringt aus Sicht des Kunden einige Nachteile mit sich. Ein weiterer Nachteil ist die Subsidiärhaftung. Sollte der Dienstleister in die Insolvenz geraten, so wird der Kunde für die gesamten Sozialversicherungsbeiträge haftbar gemacht. Wichtig ist deshalb, sich vor einer Zusammenarbeit aktuelle Unbedenklichkeitsbescheinigungen des Finanzamtes, der Krankenkasse und der Berufsgenossenschaft vorzeigen zu lassen. Achten Sie darauf, dass der Dienstleister Tarifverträge nach BAP oder iGZ anwendet und im besten Fall Mitglied im entsprechenden Arbeitgeberverband ist. Aber selbstverständlich bringt Arbeitnehmerüberlassung auch viele Vorteile - sonst wäre der Anteil der Leiharbeiternehmer in den IT Abteilungen auch nicht bei über 15 Prozent.
Sie haben das Recht, den Zeitarbeitnehmer in die Arbeitsorganisation einzugliedern und Weisungen zu erteilen. Sie haben das Recht (Paragraph 9 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz), Leiharbeitnehmer bei Zahlung einer angemessenen Vergütung an den Dienstleister in die Stammbelegschaft zu übernehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat eine Orientierungsmarke von maximal zwei Bruttomonatsgehältern gegeben. Dies wird häufig auch "Klebeeffekt" oder "Temp to Perm" genannt.
Weitere Vorteile der Arbeitnehmerüberlassung aus Sicht des Kunden sind beispielsweise:
ausgiebiges Kennenlernen (Klebeeffekt) zur Prüfung der Übernahme
hohe Flexibilität und kurzfristiger Abbau sind möglich
ausgleich bei Auftragsspitzen mit bedarfsgerechten Personaleinsatz
Entlastung der Personalabteilung für Mitarbeitersuche, Verwaltung etc.
Entlastung der Stammbelegschaft
Risiko für Krankheit et cetera übernimmt der Dienstleister
teilweise niedrigere Arbeitskosten auf Stundenbasis
Ersatz bei Ausfall des Leiharbeiters
höhere Planbarkeit
planbares transparentes Kostenmanagement
Verbesserung bestehender Prozesse, neue Impulse und Ideen sowie
auf Rekrutierung spezialisierte Dienstleister und Dienstleiser mit hohen Branchenkompetenzen
Viele Kunden nutzen den Dienstleister schlicht und einfach als "verlängerte Werkbank der internen Rekrutierung" und erweitern somit den Bewerberpool. Aufgrund des Fachkräftemangels in der IT kommt dieser Funktion besondere Bedeutung zu. Für eine strategische Zusammenarbeit mit Dienstleistern empfehle ich insbesondere: Diese sollten bereits jahrelange Erfahrung und eine entsprechende Reputation in der IT haben. Fast 50.000 Betriebe in Deutschland haben die Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung.
Insofern selektieren Sie die Dienstleister zielgerichtet – nur ein geringer Anteil besitzt wirklich Kompetenzen in der IT. Wichtig sind insbesondere die Zugangskanäle zum potentiellen Leiharbeitnehmer! Hier spielt es keine Rolle, ob das Unternehmen als Personaldienstleister oder sonstiger Dienstleister auftritt. Insofern können Sie bei Eignung selbstverständlich auch auf IT-Dienstleister zurückgreifen.
Arbeitnehmerüberlassungen - Holen Sie sich Auskunft!
Je überregionaler oder (inter)nationaler, unterschiedlicher oder höher die Qualifikationen, desto intensiver sollten Sie sich vorab informieren. Klären Sie wie bereits angesprochen die finanzielle Kraft des Dienstleisters, die Ausbildung und Zahl der internen Mitarbeiter sowie die Zahl der Leiharbeiter in den einzelnen Kategorien innerhalb der IT. Lassen Sie sich detailliert Auskunft nach der organisatorischen Aufstellung geben und welche unterschiedlichen Wege in der Rekrutierung der Leiharbeiter genommen werden. Lassen Sie sich eventuell sogar die Compliance- und Qualitätssysteme und Datenbankstrukturen zeigen. Und: Stimmt neben aller Fachlichkeit die persönliche Chemie zum Dienstleister und zum persönlichen Ansprechpartner?
In Deutschland sind rund eine Million IT-Fachleute in Deutschland tätig, davon rund 800.000 sozialversicherungspflichtig (circa 50 Prozent mit (Fach-) Hochschulabschluss) beschäftigt. Jede sechste Stellenmeldung für die IT bei der Bundesagentur für Arbeit stammt von einem Personaldienstleistungsunternehmen. Der Bitkom sprach Ende 2020 von 86.000 offenen Stellen für IT-Fachkräfte. Es kann selbstverständlich schwer sein, im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung passende Kandidaten zu rekrutieren. Für einzelne spezialisierte Jobrollen ist es quasi unmöglich, Mitarbeiter in Arbeitnehmerüberlassung zu gewinnen. Viele speziell ausgebildete Experten sind entweder in direkter Festanstellung oder als Freelancer tätig. Nur ein geringer Teil der Freelancer wechselt realistisch in Arbeitnehmerüberlassung.
Führende Dienstleister bieten einzelne Jobrollen, häufig supportnah, nicht mehr mit Freelancern an. Dies sind Jobrollen, in denen es schwer ist, nicht integriert arbeiten zu können. Der Selbständige ist derjenige, der eben nicht weisungsgebunden und nicht fremdbestimmt in persönlicher Abhängigkeit arbeitet. Er unterliegt also keinem Direktionsrecht, ist in keine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert und kann seine Arbeitszeit oder seinen Arbeitsort grundsätzlich frei bestimmen. Dies kann der Arbeitnehmer laut Definition nicht. Andere Konstrukte mit festangestellten Mitarbeitern von Dienstleistern über Dienst- oder Werkvertrag sind selbstverständlich eine Option. Hier müssen Sie allerdings beachten, dass diese Mitarbeiter nicht integriert werden und keine Weisungen erhalten (verdeckte Arbeitnehmerüberlassung). Um die Quellen der Rekrutierung möglichst breit und realistisch zu halten, ist es wichtig, sich vorab über die richtige Vertragsform für die jeweiligen Jobrollen Gedanken zu machen. Die Arbeitnehmerüberlassung ist zwar sehr administrativ, aber rechtssicher. Und etabliert. Und dies auch in der IT. (hk/mp)