Umfrage unter IT-Entscheidern
Welche Maßnahmen die Digitale Agenda erfordert
Die Entwicklung des Internets und seiner Technologien ist einer der Haupttreiber der DigitalisierungDigitalisierung von Informations- und Kommunikationsprozessen. Die Digitalisierung des täglichen Lebens hat in den vergangenen 10 bis 15 Jahren nicht nur im privaten Bereich stark an Bedeutung gewonnen, sondern in vielen Branchen auch einen hohen Einfluss auf den beruflichen Alltag. So haben soziale Netzwerke auch in den Unternehmen Einzug gehalten und die damit verbundenen Auswirkungen auf die unternehmensinternen Prozesse werden derzeit kontrovers diskutiert. Die Digitalisierung verändert unser Leben - auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, aber auch politischer Ebene. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de
In den Veränderungen durch die Digitalisierung liegen große Chancen für Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit in Deutschland, aber auch Risiken, die es zu beachten gilt. Was liegt also näher, als dass eine breite gesellschaftliche Debatte angestoßen wird, die alle Beteiligten einbindet und von der Politik moderiert wird? Die Bundesregierung scheint das auch erkannt zu haben. Das Bundeskabinett hat daher am 20. August dieses Jahres mit der "Digitalen Agenda" die Grundlage für die zukünftige digitale Wirtschafts- und Innovationspolitik beschlossen. Die Digitale Agenda gibt dabei folgende strategische Kernziele vor, die die Bürger in den Mittelpunkt aller Entwicklungen stellen:
Wachstum und Beschäftigung
Digitale Wertschöpfung und Vernetzung schaffen Wachstum und geben Impulse für gutes Arbeiten in der digitalen Welt
Zugang und Teilhabe
Ein leistungsstarkes und offenes Internet eröffnet flächendeckend den Zugang zur digitalen Welt
Vertrauen und Sicherheit
IT ist einfach, transparent und sicher zu nutzen
Aber hält diese Agenda, was sie verspricht? Enthält sie eine Antwort auf die digitalen Herausforderungen Deutschlands der nächsten Jahre? Legt sie den Grundstein für einen digitalen Aufbruch? Und war es überhaupt zu erwarten, dass nach der relativ kurzen Zeit nach dem Koalitionsvertrag ein "großer Wurf" zur Digitalisierung veröffentlicht wird?
Aktuelle Kurzumfrage zur Digitalen Agenda
Wir wollten es genau wissen - in einer Blitzumfrage unter IT-Entscheidern aus Wirtschaft und Politik - fragten wir, was den Entscheidern fehlt:
Die IT-Verantwortlichen in Unternehmen und Verwaltung sind unzufrieden mit der Förderung der Digitalisierung in Deutschland. Demnach glauben zwei Drittel der IT-Leiter, dass die "Digitale Agenda" zwar in die richtige Richtung geht, jedoch stärker konkretisiert werden müsste. 41 Prozent kritisieren zudem, dass die Agenda keine messbaren Umsetzungsmaßnahmen enthalte.
Die im Netz und in der Presse diskutierte Kritik an der Digitalen Agenda geht genau in diese Richtung: Diese Agenda ist eine Art Bestandsaufnahme oder wie die drei Internetminister postulieren - ein Hausaufgabenheft.
Aber wie können konkrete Maßnahmen aussehen? Wo hat die Digitale Agenda Lücken?
Hier die aus meiner Sicht wichtigsten voranzutreibenden Maßnahmen:
Infrastrukturausbau vorantreiben und verbessern
Es ist schon viel darüber geredet und geschrieben worden, dass eine erfolgreiche Digitalisierung eine breitbandige und hochwertige Netzinfrastruktur als Grundlage braucht. Untersuchungen haben gezeigt, dass global erfolgreiche digitale Unternehmen nur dort mit ihren Angeboten erfolgreich sind, wo diese Infrastrukturen bestehen. Jedoch bilden auch skalierbare, hochverfügbare und sichere Architekturen die Grundlage für große Datenmengen sowie neue Dienste und Angebote - sowohl in der Wirtschaft, als auch in der öffentlichen Verwaltung. Es muss darum gehen, nicht nur den Breitbandausbau voranzutreiben, sondern mit einer modernen Architektur auch die Latenzzeiten radikal zu senken, um echtzeitdynamische Prozesse zu ermöglichen - ein Punkt, der bei den Diskussionen um den Breitbandausbau gerne vergessen wird. Dazu wird vor allen Dingen eine stärkere Kooperation zwischen Politik, Netzbetreibern und Kommunen benötigt und ist ggf. über Anreizprogramme sicherzustellen.
Verbesserung der Gründerkultur zur Förderung von High-Tech-Gründungen
Eine erfolgreiche Gründerkultur benötigt mindestens Talent, Technologie und Kapital sowie ein funktionierendes Ökosystem. An Motivation und Unternehmergeist fehlt es in Deutschland nicht, wohl aber an den Rahmenbedingungen. Die Startup-Szene in mehreren Hot Spots in Deutschland hat auch gezeigt, dass sich gesunde Ökosysteme entwickeln können. Sicherlich kann die Gründung durch die Einrichtung von One-Stop-Shops zur vereinfachten Meisterung der Gründungsformalitäten vereinfacht werden; sicherlich können Hochschulkooperationen weiter ausgebaut werden- aber dies ist auf einem guten Weg.
Bleibt die Kapitalseite - hier können Maßnahmen viel bewirken. Dazu zählt eine Verbesserung der Investitionsfinanzierung, etwa durch Schaffen verbindlicher Rechtsrahmen für Wagniskapital, die Möglichkeiten von Verlustvorträgen bei Anteilseignerwechsel und die Öffnung des staatlich finanzierten Hightech-Gründerfonds für privates Kapital.
Verbesserung des Rechtsrahmens
Viele Gesetze und Verordnungen, die sich digitalen Sachverhalten zuwenden, sind noch aus einer Zeit, in der weder von Cloud Computing noch von Big Data gesprochen wurde. Insbesondere trifft das auf das Bundesdatenschutzgesetz zu. Auch wenn es bereits Initiativen gibt, diesen Rechtsrahmen anzupassen - passiert ist noch wenig. In gleichem Maße gilt das auch für das Arbeitsrecht der Gründerszene.
Maßnahmen gegen den demographischen Wandel
Sowohl in Ballungszentren als auch im ländlichen Raum ist der Arbeitskräftemangel für digitale Arbeitsherausforderungen spürbar - der "war for talents" hat begonnen. Dieser Mangel muss durch ein dediziertes Programm zur Zuwanderung von High Potentials bekämpft werden. Die "Blaue Karte EU" ist ein Anfang, reicht aber nicht aus. Maßnahmen sollten von der Motivation ausländischer Studenten über Rückholprogramme für deutsche IT-Spezialisten bis zu einer Erhöhung der Autonomie deutscher Hochschulen führen, um geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.
Förderung in Bildung und Forschung
Über das Thema der steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungsausgaben wird schon seit mehreren Jahren ohne Ergebnis diskutiert. Die in Top 2 angemahnte Gründerkultur benötigt jedoch eine stärkere gesellschaftlichere Verankerung. Es gibt vielversprechende Beispiele, Hochschulen verstärkt zu Gründerwerkstätten auszubauen. Entrepreneurship und Technikthemen müssen verstärkt in Studium und gegebenenfalls in die Schulbildung integriert werden, um die schon jetzt klaffende Bedarfslücke von 120.000 Fachkräften in den MINT-Fächern abzubauen.
- 12 Prognosen zum Thema Digitalisierung bis 2018
Der US-Marktforscher Gartner hat sich angesehen, wie die fortschreitende Digitalisierung Unternehmen und Konsumverhalten verändert. Für die kommenden fünf Jahre stellt Gartner zwölf Prognosen auf. - Banking aus der Cloud
Schon bis zum Jahr 2016 werden mehr als sechs von zehn Banken den Großteil ihrer Transaktionen via Cloud Computing abwickeln. Der Sparzwang macht es nötig. - Drucker im Gemüse
Bananen werden wohl nicht aus dem 3D-Drucker kommen - aber Produkte wie etwa eine Sonnenbrille, deren Gläser einen Tick dunkler sein sollen, holen Händler bis Ende 2017 aus dem 3D-Drucker. Mindestens sieben der zehn weltgrößten Handelsunternehmen werden das laut Gartner anbieten. - Utilities greifen in die Wolke
Etwa 40 Prozent der Versorgungsunternehmen, die mit smart metering arbeiten, werden 2017 verstärkt Cloud Computing nutzen. Anders können sie Big Data nicht bewältigen. - Gefloppte Mobile Apps
Schlechte Nachricht für Versicherer: 40 Prozent ihrer derzeitigen mobile Apps für den Endverbraucher floppen. Das werden bis Ende 2015 Berechnungen des ROI (Return on Investment) gezeigt haben. - Erbgut in der Datenbank
Von einer wirklichen Entschlüsselung des menschlichen Erbgutes mag die Wissenschaft noch weit entfernt sein. Dennoch gewinnt sie immer neue Erkenntnisse beispielsweise über Erbkrankheiten. Wer Datenbanken für solche Informationen anbietet, den erwartet ein Wachstumsmarkt. Das wird sich 2016 abzeichnen. - Käufliche Gesundheit
Welche frei verkäuflichen Medikamente und Gesundheitsdienstleistungen die Versicherten kaufen, auf welchen Wegen und in welcher Qualität - so etwas werden 60 Prozent der US-amerikanischen Krankenversicherer 2016 ziemlich genau wissen. - Lernen am Rechner oder Handheld
Statt der harten Schulbank die freie Orts- und Zeitwahl: vieles spricht für Online-Learning. Im Jahr 2017 werden die Budgets für diese Art des Lernens stark ansteigen. - Branchenübergreifende Innovationen
Raus aus den eigenen Fabriktoren: Hersteller müssen sich branchen- und industrieübergreifend austauschen. Das werden sie auch tun, sagt Gartner. 2018 wird ein Fünftel der Innovationen, die die hundert weltgrößten Hersteller auf den Markt bringen, aus solcher Zusammenarbeit resultieren. - Personal Shopper für alle
Angeblich verdienen Menschen als "Personal Shopper" Geld, indem sie mit modisch unsicheren Menschen einen Anzug kaufen gehen. Nicht mehr lang: schon 2017 sind 15 Pozent der Konsumenten über Shopper Profile so genau erfasst, dass die Händler ihnen individuelle Angebote machen können. - Big Data überrollt Biowissenschaften
Biowissenschaftler mögen an der Komplexität der menschlichen Desoxyribonukleinsäure scheitern. Auf jeden Fall aber scheitern 80 Prozent der Life Science-Unternehmen an Big Data. Das sagt Gartner für 2015 voraus.
Fazit
Der Beschluss der 'Digitalen Agenda' ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Jetzt kommt es allerdings auf die konkreten Maßnahmen und ihre Umsetzung an. Nur mit einem gesellschaftsübergreifenden Ansatz und der effizienten Zusammenarbeit aller relevanten Akteure wie Verwaltungen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, können die Potenziale der Digitalisierung genutzt werden.
Künftig wird der Ausschuss "Digitale Agenda" des Bundestages dazu die Federführung bekommen - ein erster Schritt zu konkreten Themen. Es wird in einem nächsten Schritt darauf ankommen, die relevanten Beteiligten zusammenzubringen und einen "Handlungs- und Aktionsplan Digitale Agenda 2017" zu erstellen. Dieser soll verbindliche Maßnahmen enthalten und wie man das aus Projekten gewohnt ist, konkrete Verantwortlichkeiten und Termine benennt. Dann kann die Digitale Agenda ein Erfolg werden und einen wertvollen Beitrag zu einer modernen Wirtschaftspolitik leisten. Es bleibt also, den Verantwortlichen viel Durchsetzungskraft zu wünschen und die Worte zu unterstreichen, die Jens Koeppen, Ausschussvorsitzender der Digitalen Agenda kürzlich äußerte: "Unsere Aufgabe ist es, Feuer unter die Sache zu bringen."