Umfrage unter IT-Entscheidern

Welche Maßnahmen die Digitale Agenda erfordert

Stefan Pechardscheck schreibt als Experte zum Thema IT Strategy & Governance. Er ist Partner bei der Management- und Technologieberatung BearingPoint und verantwortet dort das Thema Technology Advisory.
Die IT-Verantwortlichen Deutschlands sind unzufrieden mit der "Digitalen Agenda". Nach einer Umfrage muss die Digitalisierung in Deutschland mit verbindlichen Maßnahmen vorangetrieben werden.
Deutschland befindet sich am Digitalen Scheideweg.
Deutschland befindet sich am Digitalen Scheideweg.
Foto: L. Klauser - Fotolia.com

Die Entwicklung des Internets und seiner Technologien ist einer der Haupttreiber der DigitalisierungDigitalisierung von Informations- und Kommunikationsprozessen. Die Digitalisierung des täglichen Lebens hat in den vergangenen 10 bis 15 Jahren nicht nur im privaten Bereich stark an Bedeutung gewonnen, sondern in vielen Branchen auch einen hohen Einfluss auf den beruflichen Alltag. So haben soziale Netzwerke auch in den Unternehmen Einzug gehalten und die damit verbundenen Auswirkungen auf die unternehmensinternen Prozesse werden derzeit kontrovers diskutiert. Die Digitalisierung verändert unser Leben - auf gesellschaftlicher, wirtschaftlicher, aber auch politischer Ebene. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

In den Veränderungen durch die Digitalisierung liegen große Chancen für Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit in Deutschland, aber auch Risiken, die es zu beachten gilt. Was liegt also näher, als dass eine breite gesellschaftliche Debatte angestoßen wird, die alle Beteiligten einbindet und von der Politik moderiert wird? Die Bundesregierung scheint das auch erkannt zu haben. Das Bundeskabinett hat daher am 20. August dieses Jahres mit der "Digitalen Agenda" die Grundlage für die zukünftige digitale Wirtschafts- und Innovationspolitik beschlossen. Die Digitale Agenda gibt dabei folgende strategische Kernziele vor, die die Bürger in den Mittelpunkt aller Entwicklungen stellen:

Wachstum und Beschäftigung
Digitale Wertschöpfung und Vernetzung schaffen Wachstum und geben Impulse für gutes Arbeiten in der digitalen Welt

Zugang und Teilhabe
Ein leistungsstarkes und offenes Internet eröffnet flächendeckend den Zugang zur digitalen Welt

Vertrauen und Sicherheit
IT ist einfach, transparent und sicher zu nutzen

Aber hält diese Agenda, was sie verspricht? Enthält sie eine Antwort auf die digitalen Herausforderungen Deutschlands der nächsten Jahre? Legt sie den Grundstein für einen digitalen Aufbruch? Und war es überhaupt zu erwarten, dass nach der relativ kurzen Zeit nach dem Koalitionsvertrag ein "großer Wurf" zur Digitalisierung veröffentlicht wird?

Aktuelle Kurzumfrage zur Digitalen Agenda

Stefan Pechardscheck: "Nur mit einem gesellschaftsübergreifenden Ansatz und der effizienten Zusammenarbeit aller relevanten Akteure können die Potenziale der Digitalisierung genutzt werden."
Stefan Pechardscheck: "Nur mit einem gesellschaftsübergreifenden Ansatz und der effizienten Zusammenarbeit aller relevanten Akteure können die Potenziale der Digitalisierung genutzt werden."
Foto: Bearingpoint

Wir wollten es genau wissen - in einer Blitzumfrage unter IT-Entscheidern aus Wirtschaft und Politik - fragten wir, was den Entscheidern fehlt:

Die IT-Verantwortlichen in Unternehmen und Verwaltung sind unzufrieden mit der Förderung der Digitalisierung in Deutschland. Demnach glauben zwei Drittel der IT-Leiter, dass die "Digitale Agenda" zwar in die richtige Richtung geht, jedoch stärker konkretisiert werden müsste. 41 Prozent kritisieren zudem, dass die Agenda keine messbaren Umsetzungsmaßnahmen enthalte.

Die im Netz und in der Presse diskutierte Kritik an der Digitalen Agenda geht genau in diese Richtung: Diese Agenda ist eine Art Bestandsaufnahme oder wie die drei Internetminister postulieren - ein Hausaufgabenheft.

Aber wie können konkrete Maßnahmen aussehen? Wo hat die Digitale Agenda Lücken?

Hier die aus meiner Sicht wichtigsten voranzutreibenden Maßnahmen:

  • Infrastrukturausbau vorantreiben und verbessern
    Es ist schon viel darüber geredet und geschrieben worden, dass eine erfolgreiche Digitalisierung eine breitbandige und hochwertige Netzinfrastruktur als Grundlage braucht. Untersuchungen haben gezeigt, dass global erfolgreiche digitale Unternehmen nur dort mit ihren Angeboten erfolgreich sind, wo diese Infrastrukturen bestehen. Jedoch bilden auch skalierbare, hochverfügbare und sichere Architekturen die Grundlage für große Datenmengen sowie neue Dienste und Angebote - sowohl in der Wirtschaft, als auch in der öffentlichen Verwaltung. Es muss darum gehen, nicht nur den Breitbandausbau voranzutreiben, sondern mit einer modernen Architektur auch die Latenzzeiten radikal zu senken, um echtzeitdynamische Prozesse zu ermöglichen - ein Punkt, der bei den Diskussionen um den Breitbandausbau gerne vergessen wird. Dazu wird vor allen Dingen eine stärkere Kooperation zwischen Politik, Netzbetreibern und Kommunen benötigt und ist ggf. über Anreizprogramme sicherzustellen.

  • Verbesserung der Gründerkultur zur Förderung von High-Tech-Gründungen
    Eine erfolgreiche Gründerkultur benötigt mindestens Talent, Technologie und Kapital sowie ein funktionierendes Ökosystem. An Motivation und Unternehmergeist fehlt es in Deutschland nicht, wohl aber an den Rahmenbedingungen. Die Startup-Szene in mehreren Hot Spots in Deutschland hat auch gezeigt, dass sich gesunde Ökosysteme entwickeln können. Sicherlich kann die Gründung durch die Einrichtung von One-Stop-Shops zur vereinfachten Meisterung der Gründungsformalitäten vereinfacht werden; sicherlich können Hochschulkooperationen weiter ausgebaut werden- aber dies ist auf einem guten Weg.
    Bleibt die Kapitalseite - hier können Maßnahmen viel bewirken. Dazu zählt eine Verbesserung der Investitionsfinanzierung, etwa durch Schaffen verbindlicher Rechtsrahmen für Wagniskapital, die Möglichkeiten von Verlustvorträgen bei Anteilseignerwechsel und die Öffnung des staatlich finanzierten Hightech-Gründerfonds für privates Kapital.

  • Verbesserung des Rechtsrahmens
    Viele Gesetze und Verordnungen, die sich digitalen Sachverhalten zuwenden, sind noch aus einer Zeit, in der weder von Cloud Computing noch von Big Data gesprochen wurde. Insbesondere trifft das auf das Bundesdatenschutzgesetz zu. Auch wenn es bereits Initiativen gibt, diesen Rechtsrahmen anzupassen - passiert ist noch wenig. In gleichem Maße gilt das auch für das Arbeitsrecht der Gründerszene.

  • Maßnahmen gegen den demographischen Wandel
    Sowohl in Ballungszentren als auch im ländlichen Raum ist der Arbeitskräftemangel für digitale Arbeitsherausforderungen spürbar - der "war for talents" hat begonnen. Dieser Mangel muss durch ein dediziertes Programm zur Zuwanderung von High Potentials bekämpft werden. Die "Blaue Karte EU" ist ein Anfang, reicht aber nicht aus. Maßnahmen sollten von der Motivation ausländischer Studenten über Rückholprogramme für deutsche IT-Spezialisten bis zu einer Erhöhung der Autonomie deutscher Hochschulen führen, um geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen.

  • Förderung in Bildung und Forschung
    Über das Thema der steuerlichen Absetzbarkeit von Forschungsausgaben wird schon seit mehreren Jahren ohne Ergebnis diskutiert. Die in Top 2 angemahnte Gründerkultur benötigt jedoch eine stärkere gesellschaftlichere Verankerung. Es gibt vielversprechende Beispiele, Hochschulen verstärkt zu Gründerwerkstätten auszubauen. Entrepreneurship und Technikthemen müssen verstärkt in Studium und gegebenenfalls in die Schulbildung integriert werden, um die schon jetzt klaffende Bedarfslücke von 120.000 Fachkräften in den MINT-Fächern abzubauen.

Fazit

Der Beschluss der 'Digitalen Agenda' ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Jetzt kommt es allerdings auf die konkreten Maßnahmen und ihre Umsetzung an. Nur mit einem gesellschaftsübergreifenden Ansatz und der effizienten Zusammenarbeit aller relevanten Akteure wie Verwaltungen, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, können die Potenziale der Digitalisierung genutzt werden.

Künftig wird der Ausschuss "Digitale Agenda" des Bundestages dazu die Federführung bekommen - ein erster Schritt zu konkreten Themen. Es wird in einem nächsten Schritt darauf ankommen, die relevanten Beteiligten zusammenzubringen und einen "Handlungs- und Aktionsplan Digitale Agenda 2017" zu erstellen. Dieser soll verbindliche Maßnahmen enthalten und wie man das aus Projekten gewohnt ist, konkrete Verantwortlichkeiten und Termine benennt. Dann kann die Digitale Agenda ein Erfolg werden und einen wertvollen Beitrag zu einer modernen Wirtschaftspolitik leisten. Es bleibt also, den Verantwortlichen viel Durchsetzungskraft zu wünschen und die Worte zu unterstreichen, die Jens Koeppen, Ausschussvorsitzender der Digitalen Agenda kürzlich äußerte: "Unsere Aufgabe ist es, Feuer unter die Sache zu bringen."

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