Unternehmensführung

Wenn der Boss nicht mehr das Sagen hat

Kourosh Ghaffari arbeitet als Inhaber der gbcc Ghaffari Business Coaching & Consulting nach der A.D.L.E.R-Methode. Außerdem ist er Lehrbeauftragter für Personalmanagement/ Kommunikation bei der Fachhochschule Schmalkalden.
Dieser Beitrag wirft einen kritischen Blick auf die mitarbeiterorientierte Unternehmensführung sowie auf Entscheidungsprozesse in inhabergeführten Betrieben.
  • Führungskräfte denken nur an ihren Verantwortungsbereich.
  • Faule Kompromisse bringen mehr Schaden als Nutzen.
  • Das letzte Wort und die Entscheidungskompetenz muss der Chef haben.
Zu viel Rücksicht auf Mitarbeiter kann zu einem Schlag ins Gesicht des Unternehmers führen.
Zu viel Rücksicht auf Mitarbeiter kann zu einem Schlag ins Gesicht des Unternehmers führen.
Foto: Ollyy - shutterstock.com

Die modernen Chefs stehen sich mit ihren hohen Erwartungen an die eigene Rolle als moderne Unternehmenslenker oft selbst im Wege. Die Folge: Wichtige Entscheidungen im Unternehmen werden von anderen verhindert, und der Unternehmer hat das Nachsehen. Zur Veranschaulichung zwei Fälle:

Fall 1: Der geschäftsführende Gesellschafter A ist mit der geringen Profitabilität nicht zufrieden und möchte die Ablaufprozesse des Unternehmens mit externer Unterstützung optimieren. Er beabsichtigt jedoch nicht alleine, sondern mit seinem Prokuristen B gemeinsam den Auftrag zu erteilen, denn schließlich werden die Mitarbeiter von B besonders betroffen sein. Die Maßnahme soll in einem gemeinsamen Treffen mit dem Dienstleister besprochen werden, doch es muss immer wieder verschoben werden. Der Grund: B ist viel unterwegs, und Geschäftstermine gehen schließlich vor, nicht wahr? Monate verstreichen, und das Thema verläuft im Sande. Die Profitabilität leidet nach wie vor.

Fall 2: Geschäftsführender Gesellschafter A und der angestellte Geschäftsführer B können sich nicht einigen, wie der Auftrag für eine Restrukturierung des Unternehmens aussehen soll. Viele Arbeitsplätze wären davon betroffen. Immer wieder wird das Thema ergebnislos vertagt und neu auf die Tagesordnung gesetzt. Anderthalb Jahre danach wird diese Entscheidung von einem harten Sanierer getroffen, der von der Hausbank eingesetzt wurde.

Solch missglückte Entscheidungsprozesse sind in Unternehmen mit Konzernstrukturen keine Seltenheit. Je größer nämlich ein Betrieb ist, desto häufiger trifft man auf Bereichsegoismen, und desto seltener sind Entscheider anzutreffen, die sich für Themen außerhalb ihres Verantwortungsbereichs interessieren.

Der Chef macht die Ansagen

Die zwei genannten Beispiele - aus einer Vielzahl von ähnlichen Fällen herausgegriffen - sind jedoch anders gelagert. Hier handelt es sich um inhabergeführte Unternehmen. Die Macht- und Verantwortungsfrage ist somit klar geregelt: Es gibt eine Person, die offiziell das Sagen hat und die zwangsläufig das große Ganze sieht, weil alles, was mit dem eigenen Unternehmen zu tun hat, unter dem Strich zu Lasten des eigenen Portemonnaies geht. Dennoch nimmt die Person (falsche) Rücksicht auf Dritte, obwohl es sich um wichtige Entscheidungen handelt. Die möglichen Gründe für dieses Verhalten offenbaren sich erst in vertraulichen Gesprächen. Einer der möglichen Gründe sei hier exemplarisch herausgegriffen:

Die Crux der mitarbeiterorientierten Unternehmenskultur

Zu beobachten sind in diesem Fall die Nebenwirkungen eines durchaus positiven Trends in deutschen Firmen, die mitarbeiterorientierte Unternehmensführung. Hier ist nämlich zu beobachten, dass sich der moderne Chef selbst unter Druck setzt, weil er den mit der mitarbeiterorientierten Unternehmensführung verbundenen Anforderungen und Erwartungen an seine eigene Rolle genügen möchte. Mit anderen Worten: Es ist das Gefangensein im Selbstbild "Ich bin ein moderner und mitarbeiterorientierter Chef", das Dritte dazu einlädt, die damit verbundene positive Absicht zu konterkarieren. Beispielsweise um dafür Sorge zu tragen, dass der Kelch einer möglichen Veränderung an einem vorbeigeht.

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