Blackout vorbeugen

Wenn Stromkonzerne "War Gaming" spielen

01.07.2019
Der Strom fällt aus, der Mobilfunk bricht zusammen, der Verkehr kollabiert: Cyberattacken auf den Energiesektor gelten als Schreckensvision. In Essen wird jetzt trainiert, wie Angriffe von Hackern auf das Stromnetz abgewehrt werden können.
Bislang haben die Netze der Stromkonzerne und Stadtwerke gehalten.
Bislang haben die Netze der Stromkonzerne und Stadtwerke gehalten.
Foto: Lisa S. - shutterstock.com

Die EnergiebrancheEnergiebranche reagiert auf die wachsende Gefahr von Hackerangriffen auf die Stromversorgung in Deutschland. Am Montag eröffnet der größte deutsche Stromnetzbetreiber InnogyInnogy in Essen ein Trainingszentrum, in dem die Abwehr digitaler Attacken geübt wird. Der Stromkonzern will in der "Cyberrange-e" genannten Trainingsanlage nicht nur die eigenen Mitarbeiter für den Kampf gegen unsichtbare Gegner schulen. Auch andere Energieversorger und Netzbetreiber sollen in Essen testen können, ob ihre Sicherheitsvorkehrungen gegen Eindringlinge funktionieren. Das Trainingszentrum ist nach Angaben von Innogy das erste dieser Art im deutschsprachigen Raum. Top-500-Firmenprofil für Innogy Top-Firmen der Branche Energie u. Rohstoffe

Mit zunehmender DigitalisierungDigitalisierung und dem Zusammenwachsen von Stromnetzen und Internet öffnen sich immer mehr Einfallstore für Cyberattacken. Ein Blackout in ganzen Landstrichen könnte im schlimmsten Fall die Folge sei. So wie 2015 in der Ukraine, als Hacker mehrere Umspannwerke übernahmen und hunderttausende Haushalte stundenlang ohne Strom waren. Dass es Angreifer auch in Deutschland bis in zentrale Bereiche der Stromversorgung schaffen könnten, sei "womöglich nur eine Frage der Zeit", hatte der Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, bereits vor einem Jahr gewarnt. Alles zu Digitalisierung auf CIO.de

Auch Norbert Pohlmann, Direktor des Instituts für Internetsicherheit an der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen, ist überzeugt: "Cyberangriffe werden in Zukunft eine größere Rolle spielen." Stromnetze seien wegen ihrer zentralen Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft ein besonders attraktiver Angriffspunkt für fremde Staaten oder Terroristen. "Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie attackiert werden."

Innogy trainiert für den Ernstfall

Was passiert, wenn sich Hacker in die Steuerzentralen von Versorgern oder Netzbetreibern einschleichen und dort Abläufe manipulieren, wird künftig in einem Bürogebäude in der Nähe der Essener Innogy-Zentrale simuliert. "War Gaming" nennt der Energiekonzern martialisch das Live-Rollenspiel, für das die Steuerungsanlagen einer Netzleitstelle des teilnehmenden Unternehmens nachgebaut werden. Wie bei einem Militärmanöver treten dann Rot gegen Blau an. Das blaue Team, echte Mitarbeiter der Energiefirmen, muss die Attacken des roten Teams aus professionellen Hackern, das in einem anderen Raum untergebracht ist, abwehren.

"Die anonyme Bedrohung eines Cyberangriffs wird dadurch für Sie real erlebbar", wirbt Innogy für das Trainingsangebot. Dabei wird der Stressfaktor für die Teilnehmer nach und nach erhöht. Was mit simplen Phishing-Mails beginnt, kann mit der kompletten Übernahme der Systeme durch die Hacker enden. Und um die Bedrohung auch körperlich spürbar zu machen, können die Angreifer auch die Heizung im Raum der Verteidiger hochdrehen. Innogy hat das Konzept für das Trainingszentrum mit einer von israelischen Sicherheitsexperten gegründeten Firma erarbeitet, die schon länger solche "CyberGyms" betreibt.

Bislang haben die Dämme der Stromkonzerne und Stadtwerke gehalten. "Die Betreiber haben ihre IT in den letzten Jahren besser abgesichert und sich organisatorisch auf die Gefährdungslage eingestellt", lobt das BSI. Im internationalen Vergleich sei die deutsche Energiebranche gut aufgestellt. Ganz unbeschadet ist sie bei Angriffen nicht davongekommen. Ausgerechnet die Innogy-Mutter RWERWE wurde während der Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst im vergangenen Herbst Opfer einer Cyber-Attacke. Überlastangriffe legten die Konzernwebseite des Braunkohle-Verstromers über Stunden lahm. (dpa/sa) Top-500-Firmenprofil für RWE

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